Antrag: Einrichtung einer Muttermilchbank in Niedersachsen

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

In Deutschland kommen rund 60.000 Kinder jährlich zu früh zur Welt. Besonders für diese Frühchen, aber auch für kranke Neugeborene ist Muttermilch besonders wichtig. Neben den o.g. Vorteilen können insbesondere bei Frühgeborenen gesundheitliche Probleme und schwerwiegende Komplikationen nachweislich durch die Ernährung mit Muttermilch gesenkt werden. Immer wieder müssen aber viele dieser Babys auf Muttermilch verzichten, weil Krankheiten der Mutter oder die Belastung der Frühgeburt eine ausreichende Milchproduktion verhindern, oder weil durch die Entfernung zum Perinatalzentrum die Logistik zum Transport der Muttermilch zu aufwendig ist.

Muttermilch stellt nach derzeitigem wissenschaftlichen Stand für Neugeborene und Säuglinge die beste Nahrungsform dar. Sie beinhaltet viele Stoffe, die nicht synthetisch herzustellen und damit in industriell gefertigtem Milchpulver nicht enthalten sind. Muttermilch schützt das Kind vor Infektionen und Allergien, sorgt für eine  gesunde Darmflora und wirkt sogar langfristig präventiv z. B. auf die Entwicklung von Übergewicht.

In den vergangenen Jahren hat sich parallel zur medizinisch notwendigen Versorgung von Frühchen und kranken Neugeborenen mit Muttermilch ein zum Teil lukrativer privater Muttermilchmarkt im Internet entwickelt. Fachverbände, Kommissionen, Ärzte und Hebammen warnen dringend vor den Risiken und möglichen gesundheitlichen Folgen privat verkaufter Muttermilch. Denn weder ist überprüfbar, ob die Spenderinnen an übertragbaren Krankheiten leiden oder Drogen, Alkohol, Tabletten oder Nikotin zu sich nehmen, noch ist es bei der privaten Produktion, Verarbeitung, Lagerung und Lieferung möglich, notwendige hygienische Standards einzuhalten.

I. Der Landtag stellt fest:

  1. Aktuell gibt es in Deutschland 15 Muttermilchbanken, die Kinderkliniken angeschlossen sind, die regional die Versorgung für frühgeborene und kranke Kinder sicherstellen. In Einzelfällen wird Muttermilch auch an andere Zentren versandt.
  2. Für Frühgeborene oder kranke Neugeborene kann es überlebenswichtig sein, mit Muttermilch der eigenen Mutter oder aber mit gespendeter Muttermilch ernährt zu werden.
  3. Gleichzeitig boomt der private und zum Teil profitorientierte Online-Handel mit Muttermilch im Internet .

II. Der Landtag fordert daher die Landesregierung auf:

  1. Eine der Kinderkliniken mit dem Level 1, dabei zu unterstützen, modellhaft eine Muttermilchbank einzurichten.
  2. Nach zwei Jahren eine Evaluierung durchzuführen und zu prüfen, inwiefern das Projekt den Bedarf an einer Muttermilchbank in Niedersachsen bestätigt und dieses Projekt auch für andere Kliniken in Niedersachsen anwendbar ist.
  3. Sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass der private Handel mit Muttermilch soweit rechtlich möglich beschränkt wird.

Begründung:

Trotz steigender Stillquote ist es physisch nicht allen Müttern möglich, Ihre Neugeborenen mit Muttermilch zu versorgen. Für kranke Neugeborene und Frühgeborene ist aber die Versorgung mit Muttermilch besonders wichtig, da sie in besonderem Maße auf eine ideale Versorgung mit Nährstoffen, Abwehrstoffen und Antikörper angewiesen sind. Die Versorgung mit Muttermilch reduziert darüber hinaus das Risiko für schwere Erkrankungen (z. B. Darmentzündung NEC), die auch zu chronischen Verläufen und dauerhaften Behinderungen führen können. Abhilfe  schaffen sogenannte Muttermilchbanken . Hier können Frauen, die zu viel Milch produzieren, ihre überschüssige Muttermilch spenden. In den Milchküchen, die zumeist Kinderkliniken angeschlossen sind, werden die Spenderinnen wie bei einer Blutspende auf übertragbare Krankheiten wie z. B. HIV oder Hepatitis-B untersucht und ihre Muttermilch auf Krankheitserreger und Rückstände überprüft. Die Milch wird professionell verarbeitet, gelagert und später zum Verbrauch bereitgestellt.

Muttermilchbanken haben in den ostdeutschen Bundesländern eine lange Tradition (Berlin, Chemnitz, Cottbus, Dresden, Eisenach, Frankfurt (Oder), Görlitz, Greifswald, Jena, Leipzig, Magdeburg, Neubrandenburg, Potsdam). 13 der der insgesamt 15 Muttermilchbanken in Deutschland befinden sich dort, während erst in jüngerer Zeit Muttermilchbanken in Dortmund und München eingerichtet wurden. In Niedersachsen gibt es bisher keine Muttermilchbank.

Das Spendenaufkommen in den Muttermilchbanken beträgt bis zu 4.000 Liter im Jahr, rund ein Drittel davon lagert in Leipzig. Frauen, die Muttermilch spenden, erhalten eine Aufwandsentschädigung, die im Bereich von 6-10 Euro für 1.000 ml Milch liegt.

Parallel zum Bedarf an Muttermilch für kranke Neu- und Frühgeborene hat sich im Internet ein privater Markt entwickelt, über den Frauen ihre Muttermilch zum Kauf anbieten und andere diese Milch - für gesunde Säuglinge - beziehen. Insbesondere die (mittlerweile geschlossene) Internet-Plattform „Muttermilch-Börse“ einer Hamburgerin zeigt beispielhaft das Marktpotenzial von Muttermilch auf. Eine umfassende Kontrolle der Onlineportale ist nicht möglich. Der Kauf privat vertriebener Muttermilch basiert lediglich auf Vertrauen. Kontrollen auf Erreger oder toxische Substanzen existieren nicht. Experten fordern schon lange, bei Muttermilchspenden ähnlich strenge Prüf- und Hygienevorschriften einzuhalten wie bei Blutspenden.

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