Antrag: Eine bedarfsgerechte Düngung festschreiben – die Düngeverordnung EU-rechtskonform novellieren

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Die EU-Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eröffnet, weil Deutschland die EU-Richtlinie „zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen“ (Richtlinie 91/676 EWG) nur unzureichend umgesetzt hat. Auch die Vorgabe der Wasserrahmenrichtlinie, das Grundwasser und die Oberflächengewässer bis Ende 2015 in einen guten chemischen und ökologischen Zustand zu versetzen, wird Niedersachsen um Längen verfehlen.

Neben den Nitrateinträgen in das Grundwasser sind die Phosphateinträge in Oberflächengewässer ein besonderes Problem. Besonders augenfällig wird dieses am Dümmer – Niedersachsens zweitgrößtem Binnensee – der sich aufgrund hoher Phosphatfrachten, die über die Fließgewässer eingetragen werden, regelmäßig in eine stinkende Kloake verwandelt.

Der Landtag hat mit seinem einstimmigen Beschluss vom 14.05.2014 „Grundwasser und Böden schützen – ein wirksames Düngemanagement einführen“ (Drs.: 17/1523) die entscheidenden Weichen für die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Düngung im Sinne der Düngeverordnung gestellt. Das mit dem Beschluss formulierte Ziel, Grundwasser und Böden zu schützen, kann mit den geltenden düngerechtlichen Vorgaben der Düngeverordnung jedoch nur unzureichend erreicht werden. Die Vorgaben der „guten fachlichen Praxis“, die bisher im Wesentlichen von der Optimierung des Ertrages bestimmt sind, müssen auch im Bezug auf die Düngung grundsätzlich überarbeitet und mindestens gleichrangig auf den Schutz der natürlichen Ressourcen hin ausgerichtet werden.

Der Landtag fordert die Landesregierung daher auf,

sich bei der anstehende Novellierung der Düngeverordnung im Bundesrat dafür einzusetzen, dass

  1. die Höchstmenge des auf die landwirtschaftlichen Nutzflächen aufzubringenden organischen wie anorganischen Stickstoffs grundsätzlich auf 170 kg pro Hektar und Jahr begrenzt wird. Dabei soll von der Derogationsregelung, die eine Düngung mit 230 kg Stickstoff pro Hektar ermöglicht, nur noch Gebrauch gemacht werden können, wenn die Nichtüberschreitung des maximalen Stickstoffbilanzüberschusses nachgewiesen wird.
  2. Sämtliche zur Düngung eingesetzten organischen Stoffe, auch sämtliche Gärreste aus Biogasanlagen, Kompost, Klärschlamm, etc. sowie anorganischen Stoffe in die Nährstoffbilanzierung einbezogen werden.
  3. Sämtliche Betriebe in denen als Dünger einzusetzende organische Stoffe anfallen (incl. flächenlose gewerbliche Tierhalter, Betreiber von Biogasanlagen, Kompostwerke, Betreiber von Kläranlagen etc.) ihre bisherige jährliche Nährstoffbilanz in ein standardisiertes, EDV-gestütztes Verfahren überführen.
  4. Die Düngung dem tatsächlichen Bedarf der Nutzpflanzen angepasst werden muss und der betriebliche Nährstoffvergleich einen maximalen Stickstoffbilanzüberschuss von 40 bis maximal 50 kg/ha/a aufweisen darf.
  5. Die Sperrfristen für die Ausbringung organischer Düngestoffe besser der Aufnahmefähigkeit der Nutzpflanzen angepasst werden. Entsprechend sind die Lagerkapazitäten für flüssigen Wirtschaftsdünger und Gärsubstrate aus Biogasanlagen auf neun Monate auszuweiten.
  6. Die anlagenbedingten Stickstoffverluste (Lager- und Stallverlust) und die ausbringungsbedingten Stickstoffverluste nach dem Stand von Wissenschaft und Technik neu ermittelt und auf Basis der niedrigsten wissenschaftlich nachweisbaren Verflüchtigung festgelegt werden. Ferner, dass die anlagenbedingten Stickstoffverluste bei Anlagen, die einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen, nicht mehr von der betrieblichen Nährstoffbilanz abgezogen werden dürfen.
  7. Die zuständigen Düngebehörden der Länder ermächtigt werden, eine Pflicht zur jährlichen Vorlage des von jedem Betrieb zu erstellenden Nährstoffvergleichs zu regeln und in einem überbetrieblichen Überwachungskonzept zur Prüfung und Verfolgung von Nährstoffströmen und ihrer ordnungsgemäßen Verwendung auf landwirtschaftlichen Nutzflächen zu verwenden.
  8. Möglichkeiten geschaffen werden, einen Datenabgleich mit geeigneten Daten, die von behördlichen Stellen zu anderen Zwecken erhoben werden, im Rahmen eines Überwachungskonzepts zur Überwachung der ordnungsgemäßen Düngung vorzunehmen.
  9. Die zuständigen Düngebehörden der Länder ermächtigt werden, an die Beförderung von Wirtschaftsdünger durch Dritte bestimmte Anforderungen zu stellen (Zertifizierung, Zulassung etc.).
  10. Die aktuelle Regelung der Düngeverordnung, nach der im Durchschnitt von sechs Jahren ein Phosphat-Bilanzüberschuss von 20 kg/ha/a vorliegen darf, eingeschränkt wird.

Begründung

Nach Angaben des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) lag der mittlere landesweite Stickstoffbilanzüberschuss im Mittel der Jahre 2007 bis 2010 bei 109 kg pro Hektar und Jahr. In den viehstarken Landkreisen im westliche Niedersachsen wurden – bezogen auf das Gebiet eines Landkreises – verbreitet sogar Stickstoffbilanzüberschüsse von mehr als 140 kg pro Hektar und Jahr erreicht (siehe Vorlage 8 zur Sitzung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung vom 11.02.2014). Damit liegt der Stickstoffbilanzüberschuss in Niedersachsen deutlich über dem Bundesdurchschnitt, der im Mittel der Jahre 2009 bis 2011 97 kg/ha/a betrug. Das in der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung (2002 und 2012) formulierte Ziel, den Stickstoffbilanzüberschuss bis 2010 auf 80 kg/ha/a und in den Folgejahren weiter zu begrenzen, wird damit bundesweit und vor allem in Niedersachsen um Längen verfehlt.

Die Stickstoffeinträge in den Boden entstammen weit überwiegend diesen Stickstoffbilanz-Überschüssen der Landwirtschaft. Diese werden (abzüglich der Denitrifikation) in das Grundwasser und in Oberflächengewässer eingetragen. Zum Schutz des Grund- und Oberflächenwassers muss die Düngeverordnung daher künftig sicherstellen, dass die landwirtschaftliche Düngung dem tatsächlichen Bedarf der Nutzpflanzen angepasst wird. Die Düngeverordnung weist bisher große Regelungslücken auf: Sie erfasst bisher weder anorganische Düngestoffe, noch Komposte, Gärsubstrate aus Biogasanlagen oder Klärschlamm. Künftig müssen daher sämtliche als Dünger eingesetzten organischen wie anorganischen Stoffe in den Regelungsgehalt der Düngeverordnung und die Düngebilanzierung einbezogen werden. Dabei ist die Aufbringung von Stickstoff auf maximal 170 kg/ha/a und der betriebliche Stickstoffbilanzüberschuss auf höchstens 50 kg/ha/a zu begrenzen.

Bisher sind nur landwirtschaftliche Betriebe dazu verpflichtet, eine jährliche Nährstoffbilanz zu erstellen und diese der Düngebehörde auf Verlangen vorzulegen. Gewerbliche Viehhalter, Betreiber gewerblicher Biogasanlagen etc. sind von dieser Verpflichtung bisher befreit. Wie vom Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen gefordert, sind künftig alle Betriebe, bei denen zur landwirtschaftlichen Düngung eingesetzte organische Stoffe anfallen, in diese Verpflichtung einzubeziehen.

Nach der geltenden Düngeverordnung bleiben bis zu 64% des tatsächlichen Stickstoffanfalls aufgrund des möglichen Abzugs der Stall-, Lagerungs- und Ausbringungsverluste bei der Nährstoffbilanzierung völlig unberücksichtigt. Diese sog. unvermeidbaren Verluste entweichen in Form von Ammoniak in die Luft und schlagen sich auf Wälder, landwirtschaftliche Nutzflächen etc. nieder. In Teilen Niedersachsens machen diese Stickstoffdepositionen aus der Luft durchschnittlich bis zu 50 kg/ha/a aus, was einer landwirtschaftlichen Volldüngung der 1950er Jahre entspricht. Die „unvermeidbaren Verluste“ sind daher wissenschaftlich neu zu ermitteln und die auf die Nährstoffbilanz anrechenbaren unvermeidbaren Verluste grundsätzlich auf den niedrigsten wissenschaftlich ermittelten Wert zu begrenzen. Tierhaltende Betriebe, die einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen, sollten aufgrund der von ihnen ausgehenden hohen Stickstoffdepositionen künftig keine „unvermeidbaren Verluste“ mehr anrechnen dürfen.

Im Zuge der Beratungen des o.g. Landtagsbeschlusses (Drs.:17/1523) ist deutlich geworden, dass die Düngeverordnung die für die Kontrolle der ordnungsgemäßen Düngung zuständigen Düngebehörden der Länder förmlich daran hindert, ihren Kontrollaufgaben tatsächlich nachzukommen. Daher müssen die Länder künftig zu einer Regelung ermächtigt werden, mit der sie die zu erstellenden Nährstoffbilanzen künftig obligatorisch von jedem Betrieb der zu deren Erstellung verpflichtet ist, einfordern können.

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