Antrag: Doppelhaushalt 2022/2023: Integrationsarbeit und Migrationsberatung stärken statt schwächen!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Die professionelle und bewährte Migrationsberatung in Niedersachsen ist durch die im Haushalts-planentwurf der Landesregierung 2022/23 vorgesehene Kürzung in ihrer Existenz bedroht. Die Kritik der verschiedenen Träger an diesen Planungen ist massiv.Die Arbeit der Kooperativen Migrationsarbeit Niedersachsen (KMN), den die verschiedenen Träger in der Migrationsberatung leisten, dient nicht nur zentralen humanitären Zielen sondern insbesondere auch der Integration von Geflüchteten und Migrant*innen und damit zugleich auch dem friedlichen Miteinander der Menschen. Dies ist nun in Gefahr, obwohl die wertvolle Beratungs- und Integrationsarbeit an anderen Stellen viel Geld einspart. Das wird von der Landesregierung offenbar nicht anerkannt.

In ähnlicher Weise durch Kürzungen betroffen sind die Migrantenorganisationen, die Asylverfahrensberatung, die Förderung der Teilhabe zugewanderter Menschen und des gesellschaftlichen Zusammenhalts sowie die Förderung der Chancengleichheit von Zugewanderten in Bildung und Arbeit.

Der Bedarf an Integrationsarbeit nimmt entgegen der Auffassung der Landesregierung nicht unmittelbar dadurch ab, dass weniger Geflüchtete ankommen. Sondern Integration ist ein langfristiger Prozess, für den dauerhaft die nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen sind. Das aktuelle Beispiel Afghanistans unterstreicht das und zeigt, wie schnell sich die humanitäre Situation im Umfeld Europas und Deutschlands ändern kann.

Die entsprechenden im Haushaltsentwurf der Landesregierung enthaltenen Kürzungen sind deshalb kontraproduktiv und sozial-, integrations- aber auch arbeitsmarktpolitisch ein großer Fehler. Diese Kürzungen dürfen nicht im Haushalt für das Jahr 2022 beschlossen werden und sind kurzfristig durch den Landtag im Rahmen der Haushaltsberatungen für 2022 und 2023 zu korrigieren.

Der Landtag stellt fest:

  • Die Migrationsberatung ist für eine gelingende Integration unerlässlich.
  • Eine ausreichende Finanzierung ist Vorrausetzung für eine erfolgreiche Bewältigung der Daueraufgabe Integration.
  • Allein sind die Kommunen mit der Aufgabe überfordert.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. diese Korrektur des Haushalts 2022 und 2023 konstruktiv zu begleiten und zu unterstützen;
  2. die Migrationsberatung gemeinsam mit den relevanten Akteur*innen auf ihre Bedarfsgerechtigkeit hin zu untersuchen und darauf aufbauend Ausbauziele zur Weiterentwicklung der Strukturen zu formulieren;
  3. sachgerechte Maßnahmen vorzuschlagen, um die Migrationsberatung und Integrationsarbeit unter Berücksichtigung der Trägervielfalt zu stärken;
  4. soweit die Kürzungen in den genannten Bereichen kurzfristig nicht vollständig zu begleichen sind, einen Nachtragshaushalt zu entwerfen, der die Kürzungen vollständig ausgleicht.

Begründung

Von den Kürzungen betroffen sind die folgenden Haushaltsstellen:

  • Förderung von landesweit tätigen Migrantenorganisationen
  • Förderung der Migrationsberatung
  • Förderung einer Asylverfahrensberatung
  • Förderung der Teilhabe zugewanderter Menschen und des gesellschaftlichen Zusammenhalts
  • Zuschüsse für laufende Zwecke zur Chancengleichheit in Bildung und Arbeit von Zugewanderten.

Die Migrationsberatung ist das Rückgrat der Integrationsarbeit in Niedersachsen. Gerade die zahlreichen Verschärfungen im Aufenthalts- und Asylrecht haben immer wieder große Herausforderungen für die Beratenden mit sich gebracht. Kürzungen würden den vielen Engagierten in der Migrationsberatung in keiner Weise gerecht. Für viele Geflüchtete ist die Beratung in den Kommunen ein Ort, an dem nach belastenden Fluchterfahrungen Vertrauen und Verlässlichkeit wachsen können. Die Flüchtlingssozialberatung der Länder stellt eine wichtige Ergänzung der Migrationserstberatung des Bundes dar.

Fatal sind die Kürzungspläne auch und gerade in Bezug auf die Situation in Afghanistan und die zu erwartende Aufnahme von Ortskräften und Menschenrechtler*innen. Diese Menschen sollen schnell und gut integriert werden. Es zeigt sich bereits heute, dass viele in Niedersachsen lebende Afghan*innen als Langzeitgeduldete einen erhöhten Beratungsbedarf haben.

Niedersachsen war 1990 eines der ersten Bundesländer, die die Beratung für Schutzsuchende eingeführt haben. Die Migrationserstberatung des Bundes – eingeführt in 2005 – baute auf den Erfahrungen aus Niedersachsen auf.

Gerade jetzt in der noch andauernden Pandemie sind Geflüchtete, wie alle in prekären Verhältnissen Lebenden, gut zu versorgen statt zusätzlich zu belasten. Sonst wird die Pandemie nicht nur zur gesundheitlichen, sondern auch zur Integrationskatastrophe. Es ist unbedingt erforderlich, dass psychische Krankheiten und Traumata frühzeitig erkannt und behandelt werden. Das liegt im Interesse der gesamten Gesellschaft, nicht nur der Betroffenen.

Auch Teilhabe und der gesellschaftliche Zusammenhalt sind aktuell überragend wichtige Werte. Finanzielle Kürzungen sind an dieser Stelle gesellschaftlich nicht zu vermitteln. Aus dem Haushaltstitel für Chancengleichheit in Bildung und Arbeit von Zugewanderten sind in der Vergangenheit sehr erfolgreiche Ansätze zur Verbesserung der Chancengerechtigkeit und Teilhabe, insbesondere für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, entstanden. Auch hier besteht der Bedarf fort. Kürzungen würden soziale Folgekosten verursachen und das soziale Gefälle verstärken.

Im Haushalt 2022/2023 muss die gesellschaftlich notwendige soziale Arbeit als Beitrag zu einer integrativen und konfliktfreien Gesellschaft berücksichtigt werden.

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