Antrag: Diskriminierung Homosexueller auch in Niedersachsen beenden!

Der Landtag stellt fest:

  1.  Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 19. Juli 2012 festgestellt, dass die beamtenrechtliche Benachteiligung eingetragener Lebenspartnerschaften seit dem 01.08.2001 gegen das Grundgesetz verstößt. Deshalb ist erforderlich, dass eine finanzielle Gleichstellung von Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften rückwirkend bis zum Zeitpunkt der Einführung der Lebenspartnerschaft erfolgt und den betroffenen Lebenspartnerschaften ab dem Zeitpunkt der Eingehung der Partnerschaft die finanzielle Gleichstellung verschafft.
  2. Die Bundesratsinitiative aus Berlin, die dort von SPD/CDU-Koalition getragen wird, fordert Maßnahmen zur Rehabilitierung strafrechtlich verfolgter Homosexueller. Betroffene gibt es auch in Niedersachsen. Da es sich bei der strafrechtlichen Verfolgung einvernehmlicher sexueller Handlungen um juristisches Unrecht handelt, muss die Landesregierung diese Initiative unterstützen, um dieses Unrecht zumindest so weit wie möglich auszugleichen.
  3. Es gibt keinen sachlichen Grund, warum homosexuelle Paare nicht auch Volladoptionen vornehmen können sollten. Die Erfahrungen mit der Stiefkindadoption bestätigen, dass Kindern keinerlei Nachteile erwachsen, wenn sie in homosexuellen Partnerschaften aufwachsen. Denn homosexuelle Partnerschaften müssen heute genauso selbstverständlich als Lebensmodell akzeptiert werden wie heterosexuelle Lebenspartnerschaften und Ehen.
  4. Für Benachteiligungen darf es keinen Raum mehr geben, auch nicht im Steuerrecht. Dementsprechend müssen auch im Widerspruchsverfahren von Partnerinnen und Partnern Eingetragener Lebensgemeinschaften bei den Finanzämtern allen Aussetzungsanträgen stattgegeben und eine Änderung der Einordnung der Steuerklassen von I / I in III / V vorgenommen werden. Gleiches gilt bei Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung von Nachforderungen aus Einkommensteuerbescheiden, durch die Eingetragene Lebenspartnerinnen und Lebenspartner, die bisher getrennt als Ledige zur Einkommensteuer veranlagt worden sind.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  1. Unverzüglich allen in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden LandesbeamtInnen, RichterInnen und StaatsanwältInnen finanziell mit in einer Ehe Lebenden gleichzustellen und diese Gleichstellung rückwirkend bis zum 01.08.2001 wirksam werden zu lassen,
  2. in steuerrechtlichen Widerspruchsverfahren und Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung, bei denen es jeweils um die beantragte Gleichstellung von Partnerinnen und Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe geht, den Widersprüchen und den Anträgen auf Aussetzung stattzugeben,
  3. sich der Bundesratsinitiative des Landes Berlin zur Rehabilitierung strafrechtlich verfolgter Homosexueller anzuschließen und
  4. sich auf Bundesebene für ein volles Adoptionsrecht homosexueller Paare sowie eine steuerliche Gleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft einzusetzen.

Begründung

Mehrere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts haben jüngst eine bundesweite Debatte über die Gleichstellung von Homosexuellen Lebensgemeinschaften mit der heterosexuellen Ehe ausgelöst. Gleichzeitig hat das Land Berlin unter seinem SPD/CDU geführten Senat mit seiner Bundesratsinitiative zur Rehabilitierung und Unterstützung der nach 1945 in beiden deutschen Staaten auf Grund einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilter Personen eine Debatte über juristisches Unrecht nicht nur in der DDR, sondern auch in der BRD angestoßen. Schließlich waren aus Reihen der Bundesregierung Forderungen nach einem vollen Adoptionsrecht für eingetragene Lebenspartnerschaften zu vernehmen.

Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Gleichstellung homosexueller Menschen im Beamten- und im Steuerrecht ist längst überfällig. Bereits vor dem Urteil gab es keinen sachlichen Grund für eine Benachteiligung eingetragener Lebenspartnerschaften gegenüber der heterosexuellen Ehe. In beiden Fällen bilden zwei Menschen eine Solidar- und Beistandsgemeinschaft, die vom Staat gleich behandelt werden muss. Zwar muss das Institut des Familienzuschlags, das neben Kindergeld und anderen Familienleistungen tritt, generell hinterfragt werden. Aber so lange es existiert, müssen homo- und heterosexuelle Paare gleichbehandelt werden. Gleiches gilt für das Einkommenssteuerrecht, insbesondere für das nach wie vor bestehende Ehegattensplitting.

Die juristische Verfolgung einvernehmlicher homosexueller Handlungen nach 1945 ist juristisches Unrecht. Zu keinem Zeitpunkt ging von einvernehmlichen homosexuellen Handlungen eine Gefahr für Dritte oder gar die gesamte Gesellschaft aus. Eine Bestrafung dieser Handlungen war zu keinem Zeitpunkt gerechtfertigt. Die Strafbarkeit ist nur mit überkommenen, irrationalen Wert- und Moralvorstellungen und üblen Vorurteilen zu erklären.

Bereits jetzt wachsen viele Kinder gesund und glücklich in homosexuellen Partnerschaften auf. Rechtlich möglich ist bislang allerdings nur die Stiefkindadoption, bei der ein Partner oder eine Partnerin das leibliche Kind des anderen adoptiert. Da neueste Studien belegen, dass Kinder in diesen Beziehungen in keiner Form Schaden nehmen, ist es nicht ersichtlich, warum ein glückliches Aufwachsen nicht auch bei Volladoptionen in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften möglich sein sollte.

Es bleibt festzuhalten, dass homosexuelle Partnerschaften heute genauso selbstverständlich als Lebensmodell akzeptiert werden wie heterosexuelle Beziehungen. Für Benachteiligungen darf es keinen Raum mehr geben.

 

Stefan Wenzel

Fraktionsvorsitzender

 

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