Antrag: Die Energiewende nicht ausbremsen – Strompreisanstieg wirksam dämpfen

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Hannover, den 11.06.2013

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

  1. Das mit Wirkung zum 1. April 2000 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung in Kraft gesetzte Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) ist ein einzigartiges und weltweit viel kopiertes Erfolgsmodell für den Ausbau Erneuerbarer Energien, den Klimaschutz und die Schaffung von Wertschöpfung und Arbeitsplätzen in zukunftsweisenden Branchen. Ungeachtet der Notwendigkeit, dieses Gesetz immer wieder den aktuellen Entwicklungen anzupassen, muss es als verlässliche Grundlage des Übergangs vom fossilen in das regenerative Zeitalter erhalten bleiben.
  2. Elektrischer Strom gehört zur elementaren Grundversorgung und muss für alle bezahlbar bleiben. Daher ist es erforderlich, den mit dem Ausbau der Erneuerbarer Energien vo-rübergehend einhergehenden Anstieg der Strompreise zu dämpfen und die Belastungen für private Haushalte sozial zu gestalten.
  3. Maßnahmen, wie von den Bundesministern Altmaier und Rösler am 14.02.2013 im sogenannten Paket zur Strompreissicherung vorgelegt, drohen den Ausbau der Erneuerbarer Energien abzuwürgen, das Vertrauen in die Verlässlichkeit staatlicher Zusagen zu erschüttern und den Ruf Deutschlands als sicheren Investitionsstandort dauerhaft zu beeinträchtigen. Die Vorschläge hintergehen die Ziele der Energiewende und sind gleichzeitig ungeeignet, den Strompreis für Privatkunden hinreichend zu begrenzen.

Der Landtag fordert daher die Landesregierung auf:

  1. Einen Vorschlag für eine EEG-Novelle zu entwickeln im Sinne der Empfehlungen der Erklä-rung der Regierungschefs der norddeutschen Länder zum Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Weiterentwicklung des EEG vom 4.3.2013.
  2. Dafür einzutreten, dass die in Verantwortung der schwarz-gelben Bundesregierung ausufernden Befreiungen der Wirtschaft von der EEG-Umlage deutlich eingeschränkt werden auf energieintensive Betriebe, die im internationalen Wettbewerb stehen, und Schienenbahnen.
  3. Sich nachdrücklich für eine dauerhafte Verknappung der CO2-Zertifikate zu engagieren und zu prüfen, ob eine Preisuntergrenze für die Zertifikate eingeführt werden kann.
  4. Ihren Vorschlag, zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger die Stromsteuer im Umfang der Einspeisung Erneuerbarer Energie in das Stromnetz zurückzunehmen, konsequentweiter zu verfolgen.
  5. Kostenlose Beratungsangebote zur Energieeinsparung für einkommensschwache Haushalte angemessen zu unterstützen.
  6. Zu prüfen,
  • wie Kooperationen von Stadtwerken, Sozialbehörden und Wohnungsgesellschaften zur Verhinderung von Stromsperren bei einkommensschwachen Haushalten unter-stützt werden können.
  • inwieweit Modellprojekte sinnvoll unterstützt werden können, die bei der Tarifgestal-tung soziale Komponenten mit Einsparanreizen verbinden.

Begründung

Angesichts der weiter weltweit steigenden Nachfrage nach Energie und den gleichzeitig knapper werdenden fossilen Ressourcen ist von weiter steigenden Energiepreisen auszugehen. Zudem haben sich alle im Bundestag vertretenden Parteien auf die Energiewende, also den Ausstieg aus der Atomwirtschaft und der fossilen Energieproduktion, und den umfassenden Ausbau der Erneuerbaren Energie verständigt. Dieser gewaltige Strukturwandel der Energiewirtschaft wird zwischenzeitlich zu weiteren, vorübergehenden Preisanstiegen im Energiesektor führen.

Die Preisanstiege im Energiesektor stellen für einkommensschwache Haushalte eine erhebliche Herausforderung dar, zumal dann, wenn die staatlichen Transfer- und Unterstützungsleistungen nicht im gleichen Umfang steigen.

Da ein Teil der Preissteigerungen im Strombereich auf die derzeitige Ausgestaltung des EEG und der dazugehörigen Umlage zurückzuführen sind, stehen mit den Strompreisen zugleich die Instrumente der Energiewende – wie das EEG – zur Diskussion. Eine sozialverträgliche Gestaltung ist deswegen eine der zusätzlichen politischen Herausforderungen der Energiewende.

Die unausgegorenen Ankündigungen des Bundesumwelt- und Bundeswirtschaftsministers haben zu einer massiven Verunsicherung in einem für Niedersachsen besonders wichtigen Wirtschaftszweig geführt. Damit werden zahlreiche Arbeitsplätze gefährdet. Die Vorschläge sind zudem unvereinbar mit den klimapolitischen Erfordernissen und den bisherigen ener-giepolitischen Zielen der Bundesregierung.

Grundsätzlicher Einspeisevorrang für Strom aus Wind, Sonne und Biomasse sowie langfristig kalkulierbare Vergütungssätze sind der Motor für den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Die Koppelung der EEG-Umlage an die Preisbildung der Leipziger Strombörse verursacht jedoch ungleiche Belastungen. Der Strompreis sinkt, die Umlage steigt. Unternehmen, die Strom direkt von der Börse beziehen, profitieren. Privatkunden und mittelständische Unternehmen zahlen den Anstieg der EEG-Umlage.

Eine zentrale Ursache des Anstiegs der EEG-Umlage von 3,6 Cent im vergangenen auf 5,3 Cent im laufenden Jahr ist die Befreiung einer sprunghaft ansteigenden Zahl von Unternehmen und Branchen von dieser Umlage. Allein von 2012 auf 2013 ist die Zahl der befreiten Unternehmen laut Veröffentlichung des Bundesamtes für Wirtschafts- und Ausfuhrkontrolle von 734 auf 1.691 gestiegen. Die auf diese Weise privilegierten Unternehmen verbrauchen 18% des Stroms, zahlen aber nur 0,3% der EEG-Kosten. Gut die Hälfte des Industriestroms ist inzwischen von der EEG-Umlage weitgehend befreit. Die Rechnung zahlen die privaten Verbraucher und die mittelständischen Unternehmen. Aufgrund der im Jahr 2012 gewährten Befreiungen müssen sie einen um 1,4 Cent pro kWh höheren Strompreis bezahlen. Statt Unternehmen wie Wiesenhof oder McDonalds zu begünstigen, müssen die Befreiungen eng auf jene Unternehmen begrenzt werden, die bei einem höheren Strompreis international nicht mehr wettbewerbsfähig wären, sowie auf die Schienenbahnen.

Auch der Preisverfall der CO2-Zertifikate wirkt preistreibend auf die EEG-Umlage. Der aktuelle Preis für CO2-Verschmutzungszertifikate liegt bei unter 4 Euro pro Tonne und damit bei rund einem Drittel des von der Bundesregierung für 2013 angenommenen Preises. Es ist daher aus Gründen des Klimaschutzes sowie der Begrenzung der EEG-Umlage erforderlich, die CO2-Zertifikate dauerhaft zu verknappen und zu verteuern. Bei der Festlegung der Zertifikatmengen müssen die CO2-Einsparungen berücksichtigt werden, die durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien erzielt werden.

Ein weiterer wichtiger Baustein zur Begrenzung des Strompreises ist der vom Niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil und vom Niedersächsischen Umweltminister Stefan Wenzel vorangetriebene Vorschlag, die Stromsteuer entsprechend des Anteils der Erneuerbaren Ener-gien am Strommix zu senken. Die Stromsteuer verteuert Atomstrom, Strom aus fossilen Energieträgern und aus Erneuerbaren Energien in gleicher Weise und hat derzeit den Charakter einer reinen Verbrauchssteuer, weitgehend ohne Lenkungswirkung. Die Stromsteuer beträgt aktuell 2,05 Cent je kWh und könnte mit diesem Vorschlag zur Entlastung der Verbraucherinnen und Verbraucher entsprechend des Anteils der Erneuerbaren Energien um 25% sinken. Das Entlastungsvolumen allein dieser Maßnahme entspräche dem Volumen der Vorschläge der Bundesminister Altmaier und Rösler.

Mit Umsetzung dieser Vorschläge ist eine Entlastung der privaten Verbraucher und der mittelständischen Wirtschaft um rund 2 Cent je kWh möglich. Dies ist eine deutlich höhere Entlastungswirkung als mit den unausgegorenen und ideologisch motivierten Vorschlägen des Bundesumwelt- und des Bundeswirtschaftsministers je zu erzielen ist und dies ohne den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland abzuwürgen.

Ferner können soziale Belastungseffekte durch steigende Preise individuell durch Einsparmaß-nahmen kompensiert werden, die zugleich ein Beitrag zur Energiewende leisten.  Häufig fehlt aber den Betroffenen dazu das Know-How. Externe Beratungsangebote für ausgewählte Zielgruppen können dabei helfen. Beispielhaft sei hier das Projekt www.stromspar-check.de der Caritas genannt, das auch von Energieagenturen anderer Länder unterstützt wird.

Eine bessere Kooperation zwischen Sozialbehörden und Versorgern kann dazu beitragen, in Notfällen Stromsperren zu vermeiden. Auch das Angebot spezieller Versorgungstarife für ausgewählte Zielgruppen kann eine Hilfe sein. Zu prüfen ist insbesondere, wie die Einführung solcher Tarife unterstützt werden kann.

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