Antrag: Das Petitionswesen in Niedersachsen - angekommen im 21. Jahrhundert

Fraktion der SPD                                                                                          

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen


Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Seit 1949 gewährt das Grundgesetz in Artikel 17 jedem das Recht, Bitten und Beschwerden einzureichen. Alle Menschen können sich in eigener Sache oder im allgemeinen Interesse an den Petitionsausschuss wenden. Das Petitionsrecht ist mehr als ein Bürgerrecht. Es ist ein Menschenrecht.

Eingaben aus der Bevölkerung schaffen eine lebendige und direkte Verbindung zwischen Volk und Parlament. Da auch Gesetze Mängel aufweisen können oder einen bestimmten Sonderfall nicht berücksichtigen, ist das Petitionsrecht ein äußerst wichtiges Kontrollinstrument.

Um dieser Bedeutung gerecht zu werden, wird das geltende Niedersächsische Petitionsrecht reformiert.

Die Wirksamkeit des Petitionsrechts, insbesondere zugunsten der Petentinnen und Petenten sowie des Petitionsausschusses, wird verbessert, um mehr demokratische Teilhabe zu ermöglichen und das Petitionswesen zeitgemäß anzupassen und damit auch die Demokratie zu stärken.

Das Petitionswesen verfügt für die Mitwirkung und Mitgestaltung der Bürgerinnen und Bürger in öffentlichen Angelegenheiten und bei Gesetzgebungsverfahren über erhebliches Potenzial.

Daher wird es in Niedersachsen künftig möglich sein, eine öffentliche Petition einzureichen und mitzuzeichnen, so wie es im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages bereits seit 2005 zunächst als Modellversuch und zwischenzeitlich als dauerhafte Einrichtung erfolgreich praktiziert wird.

Petitionen sind ein Gradmesser für gesellschaftliche Probleme. Mit Blick hierauf würdigt der Landtag die gestiegene Bedeutung des Petitionsrechts mit einer Modernisierung, u. a. durch Nutzung moderner Informations- und Kommunikationsmittel und, indem der direkte Kontakt zum Petenten eröffnet wird.

Die Neugestaltung des Petitionsrechts ist im überparteilichen Interesse.

Vor diesem Hintergrund beschließt der Landtag:

  1. Das Angebot des Landtages für Online-Petitionen wird nach dem Vorbild des Deutschen Bundestages ausgebaut und verbessert, um Transparenz und Bürgerbeteiligung zu stärken und insbesondere öffentliche Petitionen von allgemeinem Interesse auch im Internet zur Information, Diskussion und Mitzeichnung zugänglich zu machen.
  2. Öffentliche Petitionen mit Themen von allgemeinem Interesse bieten die Möglichkeit zur Diskussion und Mitzeichnung. Ab einem Quorum von 5000 Unterschriftengibt es eine öffentliche Anhörung.
  3. Bürgerinnen und Bürger können künftig ihr Begehren auch mündlich vorbringen und  ergänzen.
  4. Die aktive und niederschwellige Information über das Petitionsrecht in der Öffentlichkeit, wie auf Messen und Ausstellungen, Tag der Niedersachsen u.ä. Auftritten des Landtages.
  5. Die Einführung eines Kinderpetitionsportales, das Kindern und Jugendlichen, in verständlicher Sprache den Zugang zu ihrem Petitionsrecht ermöglicht.
  6. Der Petitionsausschuss ist künftig grundsätzlich für alle Petitionen zuständig, die an den Niedersächsischen Landtag gerichtet werden. Im Einzelfall kann der Petitionsausschuss, durch Mehrheitsbeschluss eine Petition zur Mitberatung oder auch zur abschließenden Beratung an den Fachausschuss überweisen. Auf Verlangen von mindestens einem Fünftel der Mitglieder des Ausschusses gewährt die Landesregierung den Berichterstatterinnen und Berichterstattern der Eingabe Akteneinsicht.
  7. Das Berichterstatterwesen wird dahingehend abgeändert, dass je Petition zwei Berichterstatter eingesetzt werden, ein Berichterstatter aus den Regierungsfraktionen und ein Berichterstatter aus den Oppositionsfraktionen. Bei übereinstimmender Bewertung der Petition erfolgt in der Regel keine Vorstellung im Petitionsausschuss. Eine inhaltliche Behandlung im Ausschuss findet auf Wunsch der nicht-berichterstattenden Fraktionen statt.
  8. Die Einführung einer zusätzlichen elektronischen Akte bei der Landtagsverwaltung stellt sicher, dass die „nicht-berichterstattenden Fraktionen“ Zugriff auf alle Petitionen haben.
  9. Die Zulassung von Ortsterminen des Ausschusses mit Petenten und beteiligten Behörden in jeder Phase des Verfahrens, wenn beide Berichterstatter mit dem Vorsitzenden des Ausschusses dies übereinstimmend entscheiden. Gibt es keine Übereinstimmung über die Zulassung des Ortstermins, entscheidet der Ausschuss.
  10. Die Erstellung von Jahresberichten über die Arbeit des Petitionsausschusses, die u. a. Auskunft geben über die Art der Erledigung, über die Verteilung der Sachgebiete und über die Verteilung auf die Berichterstatter.
  11. Die Einführung einer Monatsliste der eingehenden Petitionen bei der Landtagsverwaltung, die den Fraktionen zur Kenntnis übermittelt wird.
  12. Diese Neugestaltung des Petitionsrechts ist nach Ablauf von zwei Jahren zu evaluieren.

 

Begründung

Seit einiger Zeit ermöglicht der Landtag Online-Petitionen – allerdings in erheblich begrenzter Form. Die jetzt angebotene Form der Online-Petition bleibt aber weit hinter vergleichbaren Angeboten anderer Parlamente zurück, so u.a. der Bremischen Bürgerschaft oder dem Deutschen Bundestag.

Durch die Einführung öffentlicher Petitionen, also Eingaben von allgemeinem Interesse, die im Einvernehmen mit dem Petenten auf der Internetseite des Landtages veröffentlicht werden, entsteht die Möglichkeit einer breit angelegten Diskussion und Mitzeichnung nach klaren Verfahrensregelungen. Wird ein bestimmtes Quorum bei der Mitzeichnung erreicht, sind öffentliche Anhörungen durchzuführen.

Die Gewährung der mündlichen Vorsprache eines Petitionsanliegens ergänzt das bisherige Petitionsrecht. Die Möglichkeit für die Petenten, dem zuständigen Ausschuss ihr Anliegen mündlich zu erläutern, vermittelt sowohl dem Ausschuss zusätzliche Erkenntnisse und erhöht zugleich die Akzeptanz des Petitionsrechtes. Die Möglichkeit des mündlichen Vortrags trägt zudem zur Barrierefreiheit des Petitionsrechts bei. Das Schutzinteresse der Petenten ist gesichert, weil eine Vorsprache logischerweise nur mit ihrem Einverständnis erfolgen soll.

Eine Stärkung des Petitionsrechts muss auch gegenüber Bürgerinnen und Bürgern erklärt, vermittelt und beworben werden. Erklärende Schriften und eine offensive Bewerbung des Petitionswesens sind daher zwingend notwendig.

Das Petitionsrecht ist ein sogenanntes Jedermannsrecht. Es knüpft also nicht an Geschäftsfähigkeit oder ähnliche Voraussetzungen an. Somit können sich auch Kinder an den Petitionsausschuss wenden. Hierfür ist ein Internetportal notwendig, das in kindgerechter Weise die Formalien und Anforderungen an eine Petition erläutert. Die Einführung eines Kinderpetitionsportals erweitert aufgrund der besonderen Sichtweise und Alltagserfahrungen der Kinder das moderne Petitionswesen.

Durch die ausschließliche Zuständigkeit des Petitionsausschusses wird die Problematik der Zuordnung, die häufig Verzögerungen mit sich bringt, behoben. Bei Petitionen mit allgemeiner Bedeutung obliegt es dem Petitionsausschuss, die Fachausschüsse um Mitberatung zu bitten. Bei erforderlichen vertieften Fachkenntnissen kann der Petitionsausschuss die Zuständigkeit an den Fachausschuss übertragen.

Die Änderung des Berichterstatterwesens führt zur Verbesserung und Beschleunigung der Ausschussberatungen. Bei einem Konsens seitens der zwei Berichterstatter ist eine Vorstellung der Petition im Petitionsausschuss entbehrlich. Diese Zeitersparnis ermöglicht eine ausführliche Beratung der umfangreichen Petitionen.

Die Rechte der „nicht-berichterstattenden Fraktionen“ bleiben dadurch gewahrt, dass auch bei übereinstimmenden Voten auf Wunsch einer Fraktion eine Beratung im Petitionsausschuss stattfindet.

Das Ermöglichen von Ortsterminen durch die Berichterstatter im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden ohne ausdrückliche Entscheidung des Ausschusses beschleunigt nicht nur den Verfahrensablauf, sondern bietet allen Beteiligten zusätzliche Möglichkeiten. Vieles lässt sich vor Ort oder im Rahmen eines direkten Gespräches einfacher klären. Für den Fall, dass nur ein Berichterstatter dem Ortstermin zustimmt, besteht die Möglichkeit, den Antrag im Ausschuss zu stellen.

Durch die zusätzliche Einführung eine E-Akte wird ermöglicht, dass die in dem Verfahren nicht beteiligten Fraktionen sich jederzeit Informationen beschaffen können. Die Einführung der E-Akte ist zwingend mit dem neuen Berichterstatterwesen verbunden.

Jahresberichte gewährleisten die Transparenz der geleisteten Arbeit gegenüber der Öffentlichkeit. Sie sollen neben der Anzahl der erledigten Petitionen mit der Art der Erledigung auch die regionale und fachliche Verteilung der Petitionen sowie die Verteilung der Petitionen an die Berichterstatter beinhalten. Weitere Vorgaben sind gemeinsam zu erarbeiten.

Darüber hinaus soll die Landtagsverwaltung eine monatliche Liste über neu eingegangene Petitionen sowie das Anliegen und die Anschrift des Petenten führen und den Fraktionen übersenden. Damit ist gewährleistet, dass die Fraktionen rechtzeitig Kenntnis über eingereichte Petitionen erhalten und nicht wie aktuell erst Monate später und nach der Stellungnahme des Fachministeriums.

Die vorgeschlagenen Änderungen sind sachgerecht. Sie haben im Bund wie in Bundesländern zu deutlich verbesserten Verfahrensabläufen geführt. Nach Ablauf von zwei Jahren ist eine Evaluierung vorzunehmen, um ihre Auswirkungen auf das Petitionsverfahren in Niedersachsen zu prüfen.

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