Antrag: Das Parlament ist das Herz der politischen Willensbildung in Niedersachsen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Seit geraumer Zeit gibt es Unmut bezüglich der Außendarstellung des Niedersächsischen Land­tags. Die öffentliche Debatte über den Umgang miteinander im Parlament beleuchtet jedoch ledig­lich einen Ausschnitt eines Gesamtkomplexes, der auch etwas zu tun hat mit der öffentlichen Wahrnehmung der Bedeutung unserer Verfassungsorgane.

Bundestagspräsident Norbert Lammert stellte im vergangenen Oktober in seiner Rede zur konstituierenden Sitzung des Bundestages zu Recht fest: " Die demokratische Reife eines politischen Systems ist nicht an der Existenz der Regierung zu erkennen, sondern am Parlament und vor allem am Vorhandensein einer Opposition und ihrer politische Wirkungsmöglichkeiten. Regiert wird immer und überall. Die Opposition macht den Unterschied, und ihre Bedeutung steht und fällt mit dem Gewicht des Parlaments als Vertretung des ganzen Volkes."

Zur Bedeutung des Parlament erklärte Norbert Lammert: "Der Bundestag muss und darf sich nicht hinter anderen Verfassungsorganen verstecken. Er ist nicht Hilfsorgan, sondern Herz der politischen Willensbildung in unserem Land. Nicht die Regierung hält sich ein Parlament, sondern das Parlament bestimmt und kontrolliert die Regierung."

Der Landtag bekennt sich zu einem parlamentarischen Selbstverständnis in diesem Sinne. Dabei ist dem Landtag bewusst, dass zum Parlamentarismus eine lebendige und streitige Debatte gehört, die jedoch die Würde und den Respekt vor dem Argument der Andersdenkenden voraussetzt.

Der Niedersächsische Landtag will die verfassungsmäßig bedeutsame Rolle der Opposition stärken.

Der Landtag erkennt die Notwendigkeit von mehr Transparenz, Öffentlichkeit und Bürgernähe im Zusammenhang seiner Arbeit an. Vor dem Hintergrund der Entwicklung der neuen  Medien ist dabei besonderer Wert auf neue Formen der Einbeziehung und Teilnahme der Bevölkerungzu legen.

Der Landtag wünscht eine offene Auseinandersetzung mit der Frage, wie es gelingen kann, die Parlamente wieder stärker zum zentralen politischen Forum der Diskussion über die entscheidenden Fragen der Zeit zu machen. Ein wichtiger Grund dafür, dass die Parlamente in dieser Funktion schon seit längerem nur unzureichend wahrgenommen werden, liegt in den veränderten Anforderungen und Erwartungen des aktuellen und schnelllebigen Medienbetriebs.

Der Landtag möge beschließen:

I. Änderung der Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtags

  1.  § 47 Abs. 5 erhält folgende Fassung:

"(5) Die Fragestellerin oder der Fragesteller und andere Mitglieder des Landtages können bis zu zwei Zusatzfragen stellen. Zusatzfragen dürfen durch Bemerkungen von nicht mehr als einer Minute Dauer eingeleitet werden. Zusatzfragen und einleitende Bemerkungen dürfen nicht verlesen werden. Sie müssen zur Sache gehören und dürfen die ursprüngliche Frage nicht auf andere Gegenstände ausdehnen; § 45 Abs. 2 gilt entsprechend, jedoch dürfen einleitende Bemerkungen Werturteile enthalten. Zusatzfragen und einleitende Bemerkungen dürfen den ordnungsgemäßen Ablauf der Fragestunde nicht gefährden."

  1. § 48 Abs. 3 erhält folgende Fassung:

"(3) Jedes Mitglied des Landtages kann bis zu zwei Zusatzfragen stellen. Zusatzfragen dürfen durch Bemerkungen von nicht mehr als einer Minute Dauer eingeleitet werden. Zusatzfragen und einleitende Bemerkungen dürfen nicht verlesen werden. Sie müssen zur Sache gehören und dürfen die ursprüngliche Frage nicht auf andere Gegenstände ausdehnen; § 45 Abs. 2 gilt entsprechend, jedoch dürfen einleitende Bemerkungen Werturteile enthalten."

  1.  §77 a wird wie folgt geändert:

Absatz 2 erhält folgende Fassung: "Absatz 1 gilt nicht für die Fragestunde (§47) und die Dringlichen Anfragen (§48)

  1.  § 93 wird wie folgt geändert
  1. Absatz 1, Satz 1 erhält folgende Fassung: "(1) Die Sitzungen der Ausschüsse sind grundsätzlich öffentlich."
  2. Absatz 2 wird gestrichen
  3. Die bisherigen Absätze 3-6 werden Absätze 2-5.

II. Der Landtag erinnert die Landesregierung an ihre verfassungsmäßige Verpflichtung, Anfragen von Mitgliedern des Landtags "nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig" zu beantworten. Insbesondere sollen Fragen von Abgeordneten nicht mit Verweis auf die Vorbemerkungen für erledigt erklärt werden können, sondern jeweils einzeln beantwortet werden müssen. Der Landtag gibt darüber hinaus seiner Überzeugung Ausdruck, dass sich die Mitglieder der Landesregierung bei der Beantwortung von Anfragen Kommentierungen über die Qualität der Fragen oder der Fragesteller zu enthalten haben.

III. Der Landtag wird schnellstmöglich seine Sitzungen in einem Audiostream und beginnend mit der Zeit des Umbaus des Plenarsaals auch als Videostream übertragen.

IV. Der Landtag wird, nach dem Vorbild des bayerischen Landtags im Jahre 2005, eine Fachtagung ausrichten, die sich mit der Frage beschäftigt, wie ein lebendiges Parlament unter den Bedingungen einer modernen Mediengesellschaft zum zentralen politischen Forum der Diskussion über die wichtigen Fragen der Zeit werden kann.

V. Der Landtag wird schnellstmöglich öffentliche und elektronische Petitionen nach dem Vorbild des Deutschen Bundestages und der bremischen Bürgerschaft einführen.

Begründung

Angesichts der öffentlichen Diskussion der vergangenen Monate über das Ansehen des Parlaments sollte der Niedersächsische Landtag sich über sein Selbstverständnis als "Herz der Demokratie" (N. Lammert) verständigen.

Dazu gehört neben einem "parlamentarischen Selbstverständnis" der Abgeordneten – vertreten durch das Präsidium- gegenüber der Regierung auch eine Verständigung darüber, dass das Vorhandensein der Opposition das Wesen der Demokratie ausmacht. Die parlamentarischen Rechte der Opposition sollen daher mit diesem Antrag bewusst gestärkt werden.

Das Instrument der Kurzintervention hat bereits zur Lebendigkeit der Debatte im Landtag beigetragen. Es soll nun auch bei der Aktuellen Stunde und der Behandlung der strittigen Eingaben angewendet werden. Beide Beratungsgegenstände sind hervorgehobene Anlässe: Einerseits wegen der Aktualität (Aktuelle Stunde), andererseits wegen der besonderen Rolle der Behandlung strittiger Eingaben, die sich sehr häufig auf Einzelschicksale beziehen.

Zur weiteren Transparenz des Landtages sollen die Übertragungen von Audio- und Videostream (Internetradio/Internetfernsehen) beitragen, wie auch die Öffentlichkeit der Ausschusssitzungen.

Parlamentarische Geschäftsführerin

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