Antrag: Das Niedersachsenpferd aufs Rad setzen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Niedersachsen hat das Potenzial zum Top-Fahrradland. Dieses Potenzial wird von der Landesregierung jedoch bisher nicht annähernd ausgeschöpft. Von einer gleichrangigen Planung, Erstellung  und Bauunterhaltung sind Fahrradwege im Verhältnis zum Autostraßenbau weit entfernt. So werden z.B. bisher nur 9,2 Mio € von derzeit eingeplanten mehr als 110 Mio € für Bau und Erhalt des Landes- und Gemeindestraßennetzes in 2010 von der Landesregierung für Radwege vorgesehen.

Die Tatsachen, dass gesundheitsschädliche Verkehrsemissionen wie Feinstaub, CO2 und Lärm am effektivsten durch Verkehrsverlagerung auf Fuß- und Radverkehr, sowie den Öffentlichen Personen Nahverkehr reduziert werden können und die gesundheitsfördernde Wirkung des Radfahrens, werden zu wenig berücksichtigt. Auch verbauen bürokratische Hindernisse bei der Klärung der Verkehrssicherungspflicht auf Radwegen den Weg für eine zügige Ausweisung von Fahrradrouten. Einer landesweiten einheitlichen Regelung, die nicht einseitig zulasten der Kommunen geht, verwehrt sich die Landesregierung bisher.

Bei dem im Jahr 2003 geplanten Niedersachsen-Netz klaffen noch große Umsetzungslücken und auch die Radwege an Landesstraßen befinden sich weitgehend in schlechter Qualität. Allein das fortgeschriebene Neubauprogramm von Radwegen und der Wettbewerb "Fahrradfreundliche Kommune" werden den wachsenden Problemen im Bestand und den neuen Anforderungen aus der Bevölkerung und der Tourismuswirtschaft zum Radverkehr nicht gerecht.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  • eine Radverkehrs-Strategie für Niedersachsen im Sinne der oben getroffenen Feststellungen und auf Basis einer Defizitanalyse zu entwickeln und daraus ein Handlungsprogramm für die Verdoppelung des Radverkehrs in den kommenden 10 Jahren mit dessen positiven ökologischen und gesundheitlichen Auswirkungen zu entwickeln,
  • Investitionen in Radverkehrsinfrastruktur mit diesem Ziel im doppelten Umfang (18,4 Mio €/a) als bisher geplant zu tätigen, Lückenschlüsse und Sanierungsmaßnahmen an Radwegen an Landesstraßen voran zu treiben und die Verknüpfung des Radverkehrs und des ÖPNV zu intensivieren (Kostenlose Fahrradmitnahme im ÖV, sowie sichere, witterungsgeschützte Fahrradabstellanlagen an ÖV Haltepunkten),
  • die Entwicklung kommunaler Radverkehrs-Strategien mit diesem Ziel zu fördern, sowie den Ausbau der N-Netz-Routen mit den Kommunen und Verbänden zu koordinieren und verstärkt finanziell aus EFRE und Tourismustiteln zu fördern. Dabei landesweit einheitliche und nicht einseitig zulasten der Kommunen gehende Regelungen bei Gestattungsverträgen für Radfernwege und Radwanderwege bei Nutzung von Wegen anderer Baulastträger aufzustellen,
  • ”¢Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â  zur Emissionssenkung und zur Verbesserung der Verkehrssicherheit für Fußgänger und Radfahrer an allen innerörtlichen Gefahrenpunkten (auch an Hauptverkehrsstraßen) und generell in Wohngebieten Tempo 30 für den Straßenverkehr vorzugeben,
  • ein Netzwerk zur Förderung des Radverkehrs zwischen Wirtschaft, Tourismus und öffentlichen Dienstleistungen zu knüpfen, durch einen regelmäßig stattfindenden Niedersächsischen Runden Tisch Radverkehr mit Beteiligung der Interessenverbände, der Polizei und der kommunalen Behörden,
  • die Stelle eines hauptamtlichen Fahrradverkehrsbeauftragten auf Landesebene zu schaffen (Umbesetzung aus dem Straßenbaubereich), und Fortbildungsmaßnahmen für die MitarbeiterInnen des niedersächsischen öffentlichen Dienstes zu entwickeln und einzurichten,
  • ein Verkehrssicherheits-Audit mit den Radverkehrs-Interessenverbänden für Infrastruktur-Neubauten einzuführen und Standardmaßnahmen zur sichereren Benutzung von "linken" Radwegen, wenn sie unverzichtbar sind, durch Erlass zu definieren. Auch bei legaler Nutzung dieser Radwege kommt es zu unverhältnismäßig zahlreichen Unfällen, die diese den Radverkehr deutlich erleichternde Regelung unattraktiv machen. Diese häufigste Art von Radfahrunfällen kann vermieden werden durch ein Bündel von sichernden Standardmaßnahmen. 

Begründung

Durchschnittlich sind 67 % aller Wege, die ein Mensch in Deutschland zurück legt, kürzer als 5 km, 53 % sind kürzer als 3 km. Sogar bei den Pkw-Fahrten sind 48 % kürzer als 5 km und 32 % kürzer als 3 km. Das Potenzial für das Fahrrad als optimales Kurzstreckenverkehrsmittel ist also riesig.

Dieses Potenzial kann genutzt werden, um den Anteil am Gesamtverkehr erheblich zu steigern. Die dazu erforderliche konsequente Förderung des Fahrrads ist ein dringend benötigter Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels, zur Gesundheitsförderung, zur Senkung der Abhängigkeit von fossilen Energiequellen und zur Erhöhung der Verkehrssicherheit.

Niedersachsen braucht eine Radverkehrs-Strategie, die den Radverkehr als System aus Infrastruktur, Öffentlichkeitsarbeit und Service begreift und die Umsetzung der Ziele und Inhalte des Nationalen Radverkehrsplans verfolgt. Der Radverkehr braucht innovative Lösungen. Wirtschaft, Tourismus und öffentliche Dienstleistungen müssen vernetzt werden, um diese zu entwickeln.

Der Tourismus in Niedersachsen hat sich auf das Fahrrad eingestellt. Das Potenzial für weitere Arbeitsplätze ist vorhanden. Dafür muss aber eine Infrastruktur geschaffen werden, die das Radfahren attraktiv macht.

Niedersachsens Bürgerinnen und Bürger sowie Rad-Touristen aus anderen Regionen brauchen ein deutliches öffentlichkeitswirksames Signal, dass der Umstieg auf das Rad gewünscht und gefördert wird – für den Schutz des Klimas und der Gesundheit. Tempo 30 an Gefahrenpunkten und in Wohngebieten ist dabei ein wichtiger Beitrag für bessere Luft und mehr Verkehrssicherheit in Städten und Gemeinden, der die Attraktivität des Fahrradfahrens zusätzlich erhöht.

Basis einer Radverkehrs-Strategie muss eine Defizitanalyse zu den Schwachstellen der Radwegeförderung und zu planungsrechtlichen, verkehrsrechtlichen und organisatorischen Mängeln werden. Aus den Fehlern und Versäumnissen der Vergangenheit können Maßnahmen für die zukünftige Gestaltung und Förderung des niedersächsischen Radverkehrs entwickelt werden.

Diese Strategie muss einerseits strukturell Infrastruktur, Öffentlichkeitsarbeit und Service sowie andererseits institutionell Wirtschaft, Tourismus, Krankenkassen und öffentliche Dienstleistungen systematisch zusammen führen, damit die Ziele und Inhalte des Nationalen Radverkehrsplans nachhaltig umgesetzt werden können. Die dazu erforderlichen Maßnahmen müssen in einem Handlungsprogramm zusammen gefasst werden. Eine Umsetzung auf kommunaler Ebene wird durch die Förderung kommunaler Radverkehrsstrategien vorangetrieben.

Sinnvolle und effektive Maßnahmen können aber nur durch kompetente MitarbeiterInnen erarbeitet werden. Regelmäßige Fortbildungen und die Einrichtung einer Professur für Fuß-, Radverkehr und Verkehrssicherheit bilden hierfür die Grundlage.

Konkreter Handlungsbedarf besteht hinsichtlich der Verkehrssicherungspflicht auf so genannten tatsächlich öffentlichen Wegen (land- und forstwirtschaftliche Wege oder wasserwirtschaftliche Betriebswege). Die Frage, ob und in welchem Maße die Ausschilderung einer Radroute mit einer Radverkehrswegweisung oder –kartierung eine erhöhte Verkehrssicherungspflicht bedingt, die von den Kommunen oder einem anderen Betreiber der Route zu übernehmen ist, ist zwischen den Beteiligten strittig. Dieser Umstand führt in jedem Einzelfall zu zeitaufwändigen Verhandlungen, die durch eine einheitliche Regelung der Landesregierung vermieden werden könnten. Eine Regelung, die die Lasten einseitig den Kommunen zuschlägt anstatt einen ausgewogenen Interessenausgleich herbei zu führen, würde allerdings der Verantwortung des Landes für die Förderung des Radverkehrs  und –tourismus nicht gerecht werden.

Fraktionsvorsitzender

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