Antrag: Corona-Ausbrüche bei Erntehelfer*innen - Arbeitsmigrant*innen schützen und testen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest, dass unter Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten immer wieder Corona-Ausbrüche zu verzeichnen sind. Anfang Mai wurden bei Erntehelfer*innen im Landkreis Diepholz auf einem Spargelhof 87 Infizierte festgestellt, über 1000 Arbeiterinnen und Arbeiter kamen daraufhin in Arbeitsquarantäne.

Eine Gesundheitsgefährdung der oft prekär Untergebrachten wird durch unzureichende Schutzmaßnahmen zum Beispiel bei der Unterbringung in Kauf genommen.

Für die Menschen in Arbeitsquarantäne bedeutet dies, dass sie zum Beispiel nicht mehr selbst einkaufen gehen können, sondern auf die Versorgung und die Verpflegung durch die Betriebe bzw. die Betreiber*innen der Sammelunterkünfte angewiesen sind. Es ist damit zu rechnen, dass in den neu entstandenen „Hofläden“ die Waren nicht immer zum Selbstkostenpreis abgegeben werden. Die Arbeitsmigrantinnen und-migranten tragen also neben der Freiheitseinschränkung auch die finanzielle Last der Arbeitsquarantäne.

Seit Beginn der Corona-Pandemie verweigert die Landesregierung einen konsequenten Gesundheitsschutz bei Arbeitsmigrantinnen und –migranten. Anstatt dafür zu sorgen, dass den schwer arbeitenden Menschen verpflichtend Einzelzimmer zur Verfügung gestellt werden, drückt die Landesregierung hier beim Infektionsschutz weiter beide Augen zu.

Die Wertschöpfung zu der die Saisonarbeitskräfte beitragen ist im Milliardenbereich anzusiedeln. Allein bei der Spargelernte tragen die Spargelstechenden dazu bei, dass jährlich Millionenumsätze erwirtschaftet werden. So wurden 2019 bundesweit über 130.000 Tonnen Spargel im Wert von ca. 845 Millionen Euro geerntet. Auch im Corona-Jahr 2020 wurden allein in Niedersachsen 26.600 Tonnen Spargel geerntet, was ca. 200 Millionen Euro entspricht, denn der Kilopreis ist im Jahr 2020 gestiegen. Auch bei der Erdbeerernte oder beim Setzen von Gemüsepflanzen im Frühjahr sind osteuropäische Arbeitskräfte die tragende Säule der anschließenden Wertschöpfung. Dennoch wird für ihren Gesundheitsschutz zu wenig investiert. So waren 2019 rund 15 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse im Agrarsektor kurzfristige Beschäftigungen ohne Mitgliedschaft in der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Überproportional betroffen waren dabei Tätigkeiten als Erntehilfen. Auf Drängen der Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner wurde Ende April im Bundestag der Regierungsvorschlag beschlossen, dass in diesem Jahr coronabedingt ausländische Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft sogar 102 statt 70 Tage sozialversicherungsfrei arbeiten „dürfen“.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  • umgehend eine Testung an jedem Arbeitstag für Saisonarbeitskräfte, solange diese nicht in Einzelzimmern untergebracht sind, vorzuschreiben. Die Kosten sind von den Arbeitgebern zu tragen
  • sicherzustellen, dass kostenlosen täglichen Bürgertestangebote tatsächlich von allen hier lebenden Menschen in allen Landkreisen wahrgenommen werden können, inklusive der Saisonarbeitskräfte ohne Sozialversicherung
  • eine Unterbringung von Saisonarbeitskräften und anderen Arbeitsmigrant*innen in Einzelzimmern anzuordnen. Ausnahmen sind gemeinsam untergebrachte Familienangehörige
  • Transportfahrten bei Saisonarbeitskräften nur für feste Bezugsgruppen, die zusammen arbeiten, zuzulassen
  • das Instrument der Arbeitsquarantäne nur für direkte Kontaktpersonen von Infizierten anzuwenden und zeitlich zu befristen. Arbeitsquarantäne darf nicht als Mittel der allgemeinen Infektions-Prophylaxe angeordnet werden
  • ab sofort zu erfassen, welcher Berufsgruppe eine infizierte Person angehört.

Begründung

Nur eine Einzelzimmer-Pflicht und feste Kleingruppenstrukturen bei der Arbeit und der Fahrt zu den Feldern können bei Saisonarbeitskräften größere Corona-Ausbrüche verhindern. Die Anordnung von Massenquarantäne von über 1.000 Menschen ist nicht akzeptabel. Solange dies nicht gewährleistet ist bedarf es täglicher Testungen.

Der Forderung aus Reihen der Wissenschaft, Infektionen berufsgruppenspezifisch zu erfassen, ist zu entsprechen.

Zurück zum Pressearchiv