Antrag: Corona-App – Mit Begleitgesetz echte Freiwilligkeit und die Rechte von Arbeitnehmer*innen und Verbraucher*innen schützen

Die Aufzeichnung von Kontaktdaten von Nutzerinnen und Nutzer („Tracing“) kann ein wichtiger Baustein zur Eindämmung des Coronavirus sein. Nach monatelangem Hin und Her steht nun eine datenschutzkonforme App-Lösung zur Verfügung. Nun bedarf es eines Begleitgesetzes, das Vertrauen und Rechtssicherheit in Bezug auf Freiwilligkeit herstellt, damit nicht Unternehmen für Arbeitnehmer*innen oder Verbraucher*innen doch einen Zwang durch die Hintertür einführen. Dafür soll sich die Landesregierung im Bundesrat stark machen.

 

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Die „Tracing-App“ („Corona-Warn-App“) zur Nachverfolgung von Infektionsrisiken ist ein sinnvoller Baustein zur Eindämmung und Bekämpfung der Covid-19-Pandemie. Es ist zu begrüßen, dass die App nach monatelangen Ankündigungen von Seiten der Bundesregierung nun endlich vorgelegt wurde. Die Applikation kann nur bei einer möglichst großen Verbreitung und damit Anwendung in der Bevölkerung ihre Wirkung effektiv entfalten. Um die dafür nötige breite Akzeptanz zu sichern, sind höchste Datenschutz- und IT-Sicherheitsstandards, die Freiwilligkeit der Nutzung und die Möglichkeit der Nutzung auf möglichst vielen Endgeräten grundsätzlich wichtige Voraussetzungen.

Der Landtag begrüßt, dass in den Bereichen Datenschutz, dezentraler Datenspeicherung und IT-Sicherheit eine bürgerrechtskonforme technische Lösung gefunden wurde, nachdem die Bundesregierung zunächst einen anderen Ansatz mit zentraler Speicherung der Daten favorisiert hatte.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  1. die Freiwilligkeit der Nutzung der App sicherzustellen. Die Nutzung der Corona-Warn-App muss freiwillig sein und darf nicht unterlaufen werden können, wenn etwa sozialer oder wirtschaftlicher Druck oder auch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber eine Nutzung erzwingen wollen.
  2. sich kurzfristig mit einer Bundesratsinitiative dafür einzusetzen, dass in einem Begleitgesetz nicht nur die Freiheit von staatlichem Zwang, sondern auch die Freiheit von faktischem Zwang zur Nutzung und Offenbarung von Daten aus der App-Nutzung gesichert wird. Das erhöht die Akzeptanz, sichert die Freiwilligkeit und schützt insbesondere Arbeitnehmer*innen und Verbraucher*innen vor Zwang,
  3. zum Schutz für Verbraucherinnen und Verbraucher und Beschäftigte durch die dringend gebrauchte gesetzliche Regelung sicherzustellen, dass niemand zur Offenlegung seiner Daten gezwungen werden kann.
  4. mit einem Begleitgesetz alle privaten und beruflichen Bereiche so zu regeln, dass niemand benachteiligt werden darf, weil er keine Tracing-App auf einem Mobilgerät installiert hat bzw. nutzt. Verstöße gegen diese Benachteiligungsverbote sollen mit einem Unterlassungs- sowie einem Schadensersatzanspruch sanktioniert werden. Zudem sollen die Vertragsparteien auf diese Ansprüche nicht verzichten bzw. sie nicht ausschließen können. Außerdem muss klargestellt werden, dass die Nutzung oder die Offenbarung von Daten aus der Nutzung der App-Anwendung nicht dem Direktionsrecht des Arbeitgebers und dem Weisungsrecht des Dienstherrn unterliegen.
  5. eine eigenständige Regelung zu treffen, mit der für den Zeitraum zwischen Warnung durch die App und Testung bzw. infektionsrechtlicher Entscheidung des Gesundheitsamtes gesetzlich festgelegt wird, dass durch die Nutzung der App keine finanziellen Einbußen befürchtet werden müssen. Gewährleistet werden muss auch ein vollständiger Ausgleich eines dadurch ggf. entstandenen Verdienstausfalls, auch für Erwerbstätige, die ihre selbständige Tätigkeit ohne angestellte Mitarbeiter ausüben („Solo-Selbständige“).
  6. dafür Sorge zu tragen, dass die App so weiterentwickelt wird, dass sie auch auf älteren Endgeräten funktioniert. Nutzer*innen einer zu alten Version eines Smartphones - häufig Seniorinnen und Senioren oder Menschen, die sich ein neueres Handy nicht leisten können und ggf. zu einer Risikogruppe gehören, werden vom Schutz durch die App faktisch ausgenommen. Sie können nicht von der App profitieren.
  7. dafür Sorge zu tragen, dass Die Corona Warn-App schnell auch in weiteren Sprachen zur Verfügung steht.

Begründung

Die Corona-Krise stellt unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen. Außergewöhnliche Krisen erfordern außergewöhnliche Schritte. Aber: Gerade in diesen Krisen bewährt sich der Rechtsstaat. Demokratische Abstimmungsprozesse sind eine Stärke, keine Schwäche. Das hat die Diskussion um die Corona-App gezeigt.

Datenschützer*innen und Digitalpolitiker*innen haben frühzeitig auf die Möglichkeit datenschutzkonformer und zielführender Alternativen hingewiesen. Die Bundesregierung ist in zentralen Fragen umgeschwenkt und so kann die nun vorgeschlagene App-Lösung ein wichtiger Baustein bei der weiteren Eindämmung der Pandemie werden. Mit ihr könnten grundsätzlich Lücken in der Kontaktverfolgung geschlossen, die Benachrichtigung von Kontaktpersonen beschleunigt und das bestehende System effektiviert werden. Sie ist aber gewiss kein Allheilmittel, auch weil nie alle Bürgerinnen und Bürger auf diesem Wege erreichbar sein werden.

Bei dem nun verfolgten Ansatz samt dezentraler Lösung verbleiben alle Kontaktdaten auf den Smartphones der Nutzerinnen und Nutzer. Hierfür haben viele Bürgerrechtler*innen und zahlreiche NGOs geworben, darunter der Chaos Computer Club (CCC). Wir begrüßen, dass die Bundesregierung von der von ihr ursprünglich verfolgten, risikoreicheren, zentralen Lösung abgekehrt ist. Auch, dass man sich entschlossen hat, auf einen Open-Source-Ansatz und die Veröffentlichung des Quellcodes der App umzuschwenken, ist zu begrüßen.

Es blieb jedoch viel zu lang unklar, ob die Nutzung der App – zumindest für bestimmte Personengruppen wie Angehörige von Berufen der kritischen Infrastrukturen – doch verpflichtend eingeführt werden könnte. Entsprechend äußersten sich wiederholt Vertreter der Bundesregierung. Durch immer neue, unausgegorene Pläne wie die einer zusätzlichen Quarantäne-Kontrolle-App hat sie eine weitere Verunsicherung in der Bevölkerung auslöst.

In Umfragen ist daher die Bereitschaft zur Nutzung einer solchen App nicht mehr ausreichend hoch. Gleichzeitig machen sich die Gewerkschaften und Verbraucherverbände Sorgen um Zwänge von Arbeitgebern und Dienstleistern für eine zwangsweise Nutzung der Corona-App.

Vor diesem Hintergrund ist eine gesetzliche Regelung zur Corona-App notwendig. Nur sie kann Vertrauen schaffen, klare rechtliche Verantwortlichkeiten, enge Zweckbindungen, Löschfristen und zeitliche Befristungen definieren, die Diskriminierung von App-NutzerInnen und Nicht-NutzerInnen ausschließen. Gerade in arbeitsrechtlichen Verhältnissen droht ansonsten eine große Rechtsunsicherheit. Genauso muss der Zugriff von Sicherheitsbehörden auf die Daten klar ausgeschlossen werden.

Die Nutzung von privaten wie öffentlichen Einrichtungen, der Besuch eines Shopping-Centers, Dienstleistungen, bereits das Betreten von Geschäfts-, Betriebs- und Veranstaltungsräumen, generell der Abschluss von Verträgen, Arbeits- und Dienstverhältnissen und vieles andere mehr könnten anderenfalls von der Nutzung der App abhängig gemacht werden. Dies liefe vielfach letztlich mangels Alternative und angesichts des Interesses an der Lockerung von Infektionsschutzmaßnahmen auf einen faktischen Nutzungszwang hinaus

Ein solches Begleitgesetz fordern neben GRÜNEN und FDP im Bundestag auch zahlreiche Verbände, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen sowie der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz. Zudem gibt es mittlerweile einen Gesetzesvorschlag der grünen Justizministerinnen und -minister der Länder.

Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte hat in einem Schreiben an BMG, Kanzleramt und Bundestags-Fraktionen explizit darauf verwiesen, dass sich mehrere Menschen bereits mit Hinweisen auf entsprechende Pläne ihrer Arbeitgeber bei ihm gemeldet hätten. Ein solches Vorgehen stellt ein aus seiner Sicht „unzulässiges Verhalten“ dar, das er für den Fall der Vorlage eines Begleitgesetzes empfiehlt, zu untersagen.

Die stets betonte Freiwilligkeit steht längst offen in Frage. Die Bundesregierung wäre nach all dem Hin und Her der letzten Monate und angesichts der Tatsache, dass sich schon jetzt eine große Unsicherheit bezüglich der Nutzung der App abzeichnet gut beraten, durch ein Begleitgesetz offene Fragen zu beantworten und die Rechtssicherheit für alle Beteiligten herzustellen.

Der Landtag soll die Bundesregierung über den Bundesrat daher auffordern ein entsprechendes Begleitgesetz zum Schutz von Arbeitnehmer*innen und Verbraucher*innen vor Diskriminierung und für eine höhere Akzeptanz der Corona-App zu unterstützen.

Nur wenn die App auch auf älteren Endgeräten funktioniert kann sie die bestmögliche Warnwirkung entfalten. Die Landesregierung soll sich daher für eine Nachbesserung in diesem Bereich einsetzen.

 

 

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