Antrag: Chancen durch Liberalisierung der Handwerksordnung für Niedersachsen

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Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Hannover, den 18.06.2003

Der Landtag wolle beschließen:
Entschließung
Der Landtag beobachtet die Umsatzeinbrüche im Handwerk sowie die zurückgehenden Zahlen bei Ausbildungsplätzen und Meisterprüfung mit großer Sorge. Es muß alles dafür getan werden, mehr Gründungen bzw. Betriebsleitungsnachfolgen und damit mehr Arbeits- und Ausbildungsplätze zu ermöglichen. Insbesondere der Schwarzarbeitssektor muß verstärkt in legale Arbeit überführt werden.
Wie Erfahrungen anderer Länder belegen, ist ein Ansatzpunkt dafür die Liberalisierung der Handwerksordnung. Der niedersächsische Landtag fordert die Landesregierung auf, die Gesetzesinitiative der Bundesregierung zur Liberalisierung der Handwerksordnung konstruktiv zu begleiten und die im Bundesrat zustimmungspflichtigen Teilbereiche mit Niedersachsens Stimmen zu unterstützen.

Begründung
Gegenwärtig wagt leider nur jeder zweite neue Handwerksmeister den Sprung in die Selbständigkeit. Dennoch gibt es zugleich immer häufiger Betriebsschließungen wegen fehlender Betriebsnachfolger im Handwerk und einen stetigen Anstieg der Schwarzarbeit insbesondere im handwerklichen Bereich..
Auch einige andere statistische Zahlen belegen den Handlungsbedarf jenseits der konjunkturellen und fiskalischen Rahmenbedingungen am Standort Deutschland: Seit 1994 stagniert die Zahl der Vollhandwerks-Betriebe bei rund 666.000, während es gleichzeitig in der Gesamtwirtschaft eine Steigerung um 6 % mehr Unternehmen gab. Im handwerksähnlichen Gewerbe ohne Meisterzwang ist seit 1994 sogar ein Zuwachs von 44 % zu verzeichnen.
Im gleichen Zeitraum 1994 bis 2002 sank die Zahl der Arbeitnehmer im Handwerk auf 5,4 Mio., also um fast 20 %, während in der Gesamtwirtschaft nur ein Rückgang von 2 % zu verzeichnen war. Das Bundeswirtschaftsministerium nennt inzwischen sogar nur noch eine Zahl von 4,8 Mio. Handwerksbeschäftigten. –
Die Gesetzesinitiative der Bundesregierung zur Reform der Handwerksordnung ist eine große Veränderung aber kein kompletter Systemwechsel. Die Möglichkeit, sich auch ohne Meisterbrief im Handwerk selbständig zu machen, ist neben vielen anderen Reformerfordernissen ein nötiger Baustein, um für mehr Beschäftigung zu sorgen. Das Beispiel Niederlande zeigt, das diese Öffnung zu mehr Selbständigkeit und mehr Existenzgründungen führen kann und manche Sorge um die Betriebsnachfolge wird dadurch behoben werden.
Besonders gefahrenträchtige Tätigkeiten weiter unter den Vorbehalt des Meisterbriefes zu stellen, ist notwendiger Verbraucherschutz. Nicht gefahrengeneigte Betriebe können künftig mit Gesellenbrief begründet werden; der Meisterbrief bleibt als Qualitätssiegel erhalten. Die VerbraucherInnen können dann entscheiden, ob sie bei einem Meister- oder einem Gesellenbetrieb kaufen möchten. Ein Markt dafür ist vorhanden, insbesondere wenn durch Preiswettbewerb damit ein neuer Anreiz geschaffen wird Schwarzarbeit durch legale Beschäftigung zu ersetzten.
Auch aus Gleichberechtigungsgründen ist dieser Reformschritt in Deutschland erforderlich. Handwerker aus anderen EU-Ländern ohne Meistertitel dürfen längst in Deutschland einen Betrieb gründen, wenn sie über entsprechende mehrjährige Berufserfahrung verfügen – im Gegensatz zu deutschen Gesellen. Die derzeitige Situation stellt also einen Fall von Inländerdiskreminierung dar.
Bei dieser Reform können alle, die stets betonen, wie wichtig ihnen der Bürokratieabbau ist, zeigen, wie ernst es ihnen damit ist.

Fraktionsvorsitzende

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