Antrag: Chancen des Fahrradtourismus in Niedersachsen besser nutzen ? Verbund zwischen öffentlichen Verkehrsmitteln & Fahrrad stärken

...

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Hannover, den 10.02.04

Der Landtag wolle beschließen:
Entschließung
Der Landtag stellt fest:
Der Fahrradtourismus hat in Niedersachsen erfreuliche Zuwachszahlen zu verzeichnen. Landesweit, regional und lokal für den Tourismus bedeutsame Routen und Netze wurden planerisch festgelegt und teilweise ausgebaut. Hervorzuheben ist hier die gute Kooperation zwischen Land, Kommunen und Tourismusorganisationen. Niedersachsen hat die Chance, in den nächsten Jahren eine Infrastruktur für den Fahrradtourismus nahezu lückenlos und auf hohem Standard anbieten zu können. Diese Infrastruktur bildet die Grundlage für ein weiteres Wachstum dieses Segments des naturnahen und gesundheitsfördernden Tourismus und zur wirtschaftlichen Stärkung des ländlichen Raumes.
Der Landtag stellt weiter fest:
Fahrradtourismus braucht die Anbindung an den Bahnfernverkehr und kundenfreundliche Serviceleistungen bei der Fahrradmitnahme in Regionalverkehr und ÖPNV. Nicht nur in den klassischen Tourismusregionen Niedersachsens wie Küste, Harz und Heide, sondern auch dort, wo Tourismus gerade durch den Zuwachs bei den Radtouristen einen Aufschwung erfährt, wie etwa im Weser-Ems Raum oder entlang der Fernradwege an Weser, Leine und Elbe müssen die Angebote an Mitnahmemöglichkeiten für Fahrräder in Bussen und Bahnen dringend verbessert werden. Fahrradtouristen sind mehr als andere auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen. Start- und Zielort eines klassischen Fahrradurlaubs müssen für unsere Besucher und ihre Fahrräder per Bus und Bahn erreichbar sein.
Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
im Interesse der Förderung des Fahrradtourismus in Niedersachsen alle Möglichkeiten zu nutzen, um einheitliche kundenfreundliche Standards bei der Fahrradbeförderung umzusetzen.
Dazu gehören insbesondere,
- bei künftigen Bestellungen von Bahnverkehren durch die Landesnahverkehrsgesellschaft die Ausstattung aller Züge mit Mehrzweckabteilen mit höhengleichem Einstieg als Standard zu vereinbaren;
- mit den Bahnverkehrsleistungsanbietern die kostenlose Mitnahme von Fahrrädern (mindestens) außerhalb der Berufsverkehrszeiten zu vereinbaren;
- bei den Trägern des öffentlichen Nahverkehrs und den Verkehrsverbünden ebenfalls auf die kostenlose Mitnahme von Fahrrädern in Bussen und Bahnen hinzuwirken, um ein einheitliches Angebot in Niedersachsen zu erreichen;
- gemeinsam mit der "TourismusMarketing Niedersachsen" (TMN), Tourismusverbänden, Kommunen und Bahnen saisonale Angebote für "Fahrradzüge" in die Haupttourismusregionen zu entwickeln und umzusetzen;
- Initiativen zu ergreifen, um die geplanten und z. T. bereits umgesetzten Mountainbike Wegenetze im Harz für das junge Publikum der Mountainbiker durch attraktive Möglichkeiten der Anreise mit der Bahn zu erschließen;
- die Entwicklung eines einheitlichen Werbekonzeptes für den Fahrradtourismus in Niedersachsen zu initiieren und zu fördern.

Darüber hinaus fordert der Landtag die Bahn AG auf, die Möglichkeiten der Fahrradmitnahme im Fernverkehr entscheidend zu verbessern, den Abwärtstrend bei der Fahrradbeförderung nicht nur zu stoppen, sondern umzukehren und so ihrer Verantwortung als umweltfreundlicher Verkehrsdienstleister nachzukommen.

Begründung

Der Fahrradtourismus in Niedersachsen nutzt die hervorragenden naturräumlichen Voraussetzungen und die touristischen Möglichkeiten bisher nur unzureichend.
Ein wesentliches Problem dabei stellt die An- und Abreise des klassischen Fahrradtouristen dar: Er ist auf die Beförderung mit der Bahn angewiesen.
Nicht alle Züge im Regionalverkehr in Niedersachsen, auch dort nicht wo moderne Doppelstockwagen eingesetzt werden, sind mit Mehrzweckabteilen ausgestattet, in denen Fahrräder befördert werden können. Die Beförderung von Rädern im Eingangsbereich der Waggons ist und bleibt eine Notlösung, ist vielleicht noch im Nahverkehr akzeptabel, kann dann praktiziert werden, wenn die Fahrgäste nicht (sprichwörtlich) im Regen stehen gelassen werden sollen, ist aber keine Lösung für einen touristischen Anspruch auf Service bei der Beförderung. Auch der Tourist, der bei seinem Aufenthalt etwa in der Weser-Ems Region das vielfältige Angebot an Tagesausflügen mit dem Rad nutzen möchte, soll die Chance haben, per Bahn anzureisen, soll aufs Auto verzichten können. Deshalb fordern wir kundenfreundliche Möglichkeiten zur Fahrradbeförderung auf allen Strecken des Regionalverkehrs in Niedersachsen und entsprechende Verträge mit den Dienstleistern.
Vorbildhaft sind die Möglichkeiten der kostenlosen Fahrradmitnahme in Bayern.
In Bayern wurde in Zusammenarbeit mit den Landkreisen und Tourismusverbänden in den wichtigen Tourismusregionen eine nahezu flächendeckende kostenfreie Fahrradmitnahme mit den Bahndienstleistern auf den Strecken der DB in RB und RE und mit der Vogtlandbahn vereinbart. Umgesetzt sind diese Lösungen in den Regionen: Süd- und Ostbayern, Südbayern, Unter- Oberfranken und der Pfalz.
Wir fordern flächendeckend für Niedersachsen die kostenlose Fahrradmitnahme auf allen RE und RB Strecken, bei allen Bahnverkehren, die vom Land bestellt werden. Ziel soll sein, dass die großen Radtourismuslinien längs der Flüsse Weser, Leine, Ems und Elbe und die für den Fahrradtourismus wichtigen Regionen Harz, Heide, Emsland, Ostfriesland kundenfreundlich mit der Bahn erreichbar sein müssen.
Bei der Fahrradbeförderung durch die Verkehrsverbünde stellt sich landesweit ein sehr unterschiedliches Bild dar. In Teilen des Küstenbereichs werden Busse z. B. auf der Strecke Leer-Norddeich in den Sommermonaten mit Fahrradanhängern ausgerüstet, die Räder kostenlos befördert. Die kostenlose und uneingeschränkte Fahrradmitnahme wird jedoch längst nicht entlang der gesamten Küste angeboten, obwohl sie gerade hier als Serviceleistung für die Gäste besonders wichtig wäre. Im Ballungsraum Hannover werden Räder außerhalb der Berufsverkehrszeiten kostenlos befördert, jedoch kostenpflichtig während der Spitzenzeiten. Dieses Steuerungsinstrument ist aus Kapazitätsgründen notwendig und sinnvoll. Für den Raum Hannover wäre aus Gründen der Tourismusförderung jedoch zu prüfen, ob zumindest während der Monate Juli und August bzw. der Zeit der Sommerferien die uneingeschränkte kostenlose Beförderung der Fahrräder möglich ist. Die Landesregierung in Baden-Württemberg hat in Verhandlungen mit den Verkehrsverbünden des Landes die uneingeschränkte und kostenlose Fahrradmitnahme erreicht. Diese Ziel sollte auch in Niedersachsen angestrebt werden, erste Schritte sind einzuleiten.
In Bayern verkehren von Mai bis September bzw. Oktober Fahrradzüge auf den Strecken Ulm-Passau und Hanau-Regensburg an Wochenenden und Feiertagen, jeweils morgens hin und am Nachmittag zurück. Sie bieten Platz für jeweils 72 Fahrräder.
Für Niedersachsen wären Angebote denkbar, wie:
- Der RE Hannover-Norddeich fährt von Mai bis September an Wochenenden und Feiertagen morgens und nachmittags als "Fahrradzug" mit zwei Mehrzweckabteilen. (Fahrzeit: knapp 4 St.) Der Zug bedient weite Teile der Weser-Ems-Region, der Küste und Inseln. Das wäre ein Angebot nicht nur für Touristen (bei Bettenwechsel am Wochenende), sondern auch für Naherholungssuchende aus dem Raum Bremen und Oldenburg.
- Zu prüfen wären auch Fahrradzug-Angebote auf Streckenführungen wie Ruhrgebiet-Küste, Hannover-Heidebahn-Hamburg, Hannover-Weserbergland-Göttingen-Han.Münden.
Solche Angebote werden erst dann wirklich effektiv, wenn der Anschluss an die Nahverkehre gesichert ist, der Gast samt Fahrrad problemlos z. B. den Anschluss mit dem Bus etwa von Norddeich nach Greetsiel erreichen kann.
Zu prüfen wäre, ob Angebote von Fahrradzügen (evt. im Paket mit preisgünstigen Übernachtungsmöglichkeiten) von Hannover, Hamburg und Bremen mit dem Ziel z.B. Bad Harzburg wirtschaftlich tragfähige und tourismusfördernde Angebote sind.
Notwendig sind auch hier saisonale Angebote der Bahn, denn die Zielgruppe sind Menschen, die spontan entscheiden, ob sie am Wochenende den Zug "Mountainbiker" für den persönlichen Sportevent im Harz nutzen oder sich für Disco- oder Eventangebote vor Ort entscheiden.
Zu prüfen wäre, mit welchem Aufwand bestehende Verbindungen für den Zweck Mountainbiketransport ausgerüstet werden können bzw. Streckenführungen sinnvoll geändert werden müssten.

Stellv. Fraktionsvorsitzender

Zurück zum Pressearchiv