Antrag: Bezahlbares Wohnen – Herausforderungen für den Städte- und Wohnungsbau in Niedersachsen gestalten

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Regionale Disparitäten und der demografische Wandel stellen die sehr unterschiedlichen regionalen Wohnungsmärkte in Niedersachsen vor große Herausforderungen und machen eine einheitliche Steuerung unmöglich. Die Konsequenz kann nur eine flexible Förderkulisse sein, die individuell an die jeweiligen Bedürfnisse der regionalen Wohnungsmärkte angepasst werden kann.

Die Wohnungsmärkte brauchen eine differenzierte Betrachtung und individuelle Handlungsstrategien, die sich aus einem Gesamtkonzept ableiten lassen. Hierzu hat das Land Niedersachsen durch die Wohnungsmarktbeobachtung der NBank ein qualifiziertes Instrument. Förderung durch das Land Niedersachsen setzt in Zukunft lokale Wohnraumversorgungskonzepte voraus.

In Niedersachsen werden die Disparitäten zwischen ländlichem Raum und städtischen Ballungsräumen stärker: Während in den Städten der Wohnraum knapper und somit auch teurer wird, stehen auf dem Land Objekte leer. Es gibt eine Vielzahl von Kommunen, deren Bevölkerungszahlen rückläufig und die besonders von der Alterung der Bevölkerung betroffen sind.

Es ist somit ein großes Problem sowohl für die Kommunen als auch für das Land Niedersachsen, wenn Wohnraum in immer mehr Städten knapp und für untere und mittlere Einkommensgruppen unbezahlbar wird. Die soziale Spaltung der Städte droht, wenn Familien, Studentinnen und Studenten, Rentnerinnen und Rentner und Flüchtlinge in den Innenstädten keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden und aus ihren Wohnungen verdrängt werden. Wohnraum für diese besonderen Gruppen muss dabei also im besonderen Fokus der Landespolitik stehen. Insbesondere altersgerechte, barrierefreie und energetische Modernisierung sollte weiter vorangetrieben werden.

Ausgeglichene Wohnungsmärkte in Niedersachsen brauchen gemeinwohlorientierte Wohnungsbauunternehmen und Genossenschaften, die im Zusammenspiel mit gewerblicher Wohnungswirtschaft und Kleinvermietern für eine Versorgung der Bevölkerung sorgen. Von 2002 bis 2012 sind die Belegrechte in Niedersachsen von 114.957 auf 84.755 Bindungen gesunken. Besonders in Ballungszentren wird die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum für finanziell Schwächere, ältere alleinstehende Menschen und Familien zunehmend unzureichend gewährleistet. Erste Ansätze von Gentrifizierung sind erkennbar. Spekulationen mit Wohnraum, Investoren mit kurzfristiger Profitorientierung und gezielte Verwahrlosung von Beständen verschärfen die Situation. Wohnarmut und prekäre Wohnverhältnisse werden in Zukunft eine Problemlage bilden, auf die Wohnraum- und Städtebauförderung reagieren muss.

I. Der Niedersächsische Landtag begrüßt:

  1. die Fortführung der Kompensationsmittel des Bundes für die soziale Wohnraumförderung in Höhe von jährlich 518 Millionen Euro bis zum Jahr 2019. Diese Mittel versetzen das Land Niedersachsen in die Lage, den vorhandenen Wohnraumförderfonds mit fast 40 Millionen Euro im Jahr auszustatten.
  2. die Initiative der Landesregierung zur Bereitstellung von insgesamt 65 Millionen Euro für nachhaltige Stadtentwicklung von sozial benachteiligten Quartieren. EFRE-Mittel der ab 2014 beginnenden EU-Förderperiode in Höhe von 32 Millionen Euro werden durch das Land komplementärfinanziert. Auf der Basis von integrierten Stadtentwicklungskonzepten sollen die energetische Gebäudesanierung zur CO2-Minderung und Senkung des Energiebedarfs sowie die Schaffung von barrierefreiem Wohnraum im Bestand gefördert werden.
  3. die Vorschläge der Konzertierten Aktion „Bauen und Wohnen“ vom 25. Oktober 2013 zur Neuausrichtung der Wohnraumförderung und Programmaufstellung ab 2014 in Niedersachsen. Die Anhebung der Förderbeträge im Mietwohnungsbau soll für eine Kompensierung der gestiegenen Baukosten sorgen. Durch die Anhebung der Bewilligungsmiete im mittleren Preissegment und flexiblere Regelungen der „Mittelbaren Belegung“ werden positive Effekte für die Wohnungsmärkte erwartet. Die Aufnahme der Förderung von Ersatzbauten unterstützt wichtige Umbrüche in den Beständen. Die bewährte und konstruktive Zusammenarbeit mit den Akteuren der Wohnungswirtschaft in Niedersachsen soll auch in den nächsten Jahren für die konzeptionelle Unterstützung bei der Aufstellung der Wohnraumförderprogramme genutzt werden.
  4. die Erhöhung der Bundesmittel zur Städtebauförderung auf jährlich 700 Millionen Euro. Die schwerwiegenden Kürzungen der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung werden somit rückgängig gemacht. Besonders das sehr wirksame Programm „Soziale Stadt“ wird wieder aktiviert.
  5. das Vorhaben der Bundesregierung zur Einführung einer sogenannten „Mietpreisbremse“. Auf angespannten Wohnungsmärkten darf die Wiedervermietungsmiete höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, wenn die Bundesländer diese Regelung einführen. Nach einer Analyse der Ausgangssituation wird die Einführung für Niedersachsen geprüft.
  6. die geplante Einführung des Bestellerprinzips bei Maklerleistungen und die Abschaffung der einseitigen Belastung von Mieterinnen und Mietern. Die Courtage muss zukünftig der zahlen, der den Auftrag zur Wohnungsvermittlung erteilt hat.

II. Der Niedersächsische Landtag fordert die Landesregierung auf:

  1. die Wohnraumförderung in Zukunft vorrangig auf bezahlbaren Wohnraum sowie die altersgerechte, barrierefreie und energetische Modernisierung des Bestandes zu konzentrieren. In Gebieten mit hoher Wohnungsnachfrage ist der Neubau von preisgünstigen Mietwohnungen zu fördern. So soll der drastische Rückgang von Belegrechten in Niedersachsen gestoppt werden. Zusätzlich soll der Ankauf von Belegungsbindungen im Bestand zur Stabilisierung genutzt werden. Die Förderung von Eigentum soll auf den Bestand – Erwerb von eigengenutzten Eigenheimen, Modernisierung, Aus- und Umbau – beschränkt werden. Gemeinschaftliche Wohnformen sollen fester Bestandteil der Niedersächsischen Wohnraumförderung bleiben. Zusätzlich sollen in den Förderkatalog Gruppenbauvorhaben aufgenommen werden. Die Förderung neu gegründeter Wohnungsbaugenossenschaften soll erleichtert werden.
  2. die Programme zur Wohnraumförderung in Niedersachsen in Zukunft noch stärker auf die unterschiedlichen regionalen Teil-Wohnungsmärkte in Niedersachsen abzustimmen. Zusammen mit den vier Landesbeauftragten für Regionalentwicklung sollen differenzierte Angebote für die divergierenden Wohnungsmärkte gemacht werden, die die demografische Entwicklung und die Veränderung in der Anzahl der Haushalte berücksichtigen. In Verbindung mit lokalen Wohnraumversorgungskonzepten und integrierten Stadtentwicklungskonzepten soll die Nutzung des Bestandes gestärkt und der weiteren Zersiedelung entgegenwirkt werden. Die Förderung von Neubau soll deshalb auf die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in angespannten Wohnungsmärkten, Ersatzneubauten und Modellprojekten mit Impulscharakter fokussiert werden.
  3. mit einem Projekt „Programm für Wohnungseigentümergemeinschaften“ die Förderung von WEGs bei der Sanierung des Bestandes zu ermöglichen und diese zu unterstützen. Dabei ist die Nutzung von Landesbürgschaften zu prüfen. Das Projekt wird befristet und im Anschluss evaluiert.
  4. ein Programm für „studentisches Wohnen“ zu entwickeln. Erste finanzielle Ressourcen in Höhe von 1,5 Millionen Euro hat der Niedersächsische Landtag bereits mit dem Haushalt 2014 zur Verfügung gestellt.
  5. sich über den Bundesrat weiter für die Stärkung von Mieterrechten und ein soziales Mietrecht zu engagieren.
  6. über den revolvierenden Wohnraumförderfonds für eine dauerhafte Verstetigung der Fördermittel zu sorgen, um somit der verlässlichen Versorgung von benachteiligten Bevölkerungsgruppen mit Wohnraum nachkommen zu können.
  7. die erhöhten Bundesmittel zur Städtebauförderung vollständig mit dem notwendigen Landesanteil komplementär zu finanzieren, im Programmteil Soziale Stadt auch nichtinvestive Maßnahmen zu fördern und bei der jährlichen Neuausschreibung der einzelnen Städtebauförderprogamme den Schwerpunkt „Inklusion im Städtebau“ und „Zuwanderung in die Städte“ zu berücksichtigen. Außerdem soll eine bessere Synchronisierung von Mitteln der Städtebau- und Wohnraumförderung erfolgen.
  8. für den kommunalen Anteil bei der Städtebauförderung eine Ergänzungsförderung des Bundes und des Landes Niedersachsen für Kommunen in Haushaltsnotlagen zu prüfen.
  9. eine Reform der Grundsteuer durch eine Initiative der Bundesländer zügig zum Abschluss zu bringen. Dabei soll die Grundsteuer als verlässliche kommunale Einnahmequelle rechtssicher erhalten und zukünftig anhand von aktuellen Verkehrswerten berechnet werden.
  10. über die Bauministerkonferenz eine fachpolitische Debatte zur Reaktivierung der „Gemeinnützigen Wohnungswirtschaft“ anzuregen und dazu gegebenenfalls eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen.

Begründung

Die Wohnungsmärkte in Niedersachsen entwickeln sich seit Jahren sehr unterschiedlich. Die GEWOS-Studie zur Entwicklung der Wohnungsmärkte in Niedersachsen bis zum Jahr 2025 macht die Problemlagen deutlich: Dem rechnerischen Angebotsüberhang von 129.250 Wohneinheiten unter anderem im Harz, Salzgitter oder Helmstedt steht ein Gesamtbedarf von 270.000 neuen Wohnungen in Oldenburg, Lüneburg, Braunschweig oder Hannover gegenüber. Obwohl Niedersachsen bis 2025 424.000 Einwohner verliert, müssen nach den Berechnungen von GEWOS jährlich 16.750 neue Wohnungen entstehen.

Eine vergleichbare Analyse der Wohnungsmärkte in Niedersachsen legt auch die NBank mit der Wohnungsmarktbeobachtung 2012/2013 vor. Der quantitative Wohnungsneubaubedarf bis zum Jahr 2030 wird bei 324.000 Objekten gesehen. Mit 181.000 Einheiten liegt der Schwerpunkt des zukünftigen Neubedarfes auf Mietwohnungen. Bei Ein- und Zweifamilienhäusern rechnet die NBank mit einem Bedarf von 149.000 Einheiten. Die Umsetzung dieser Baubedarfe würde Investitionen in Höhe von jährlich 4 Millionen Euro nach sich ziehen.

Der demographische Wandel macht sich in den Veränderungen der Nachfrage deutlich. Bis 2030 wird ein Zuwachs von kleinen Haushalten mit ein und zwei Personen in Höhe von 249.000 einem Rückgang bei größeren Haushalten in Höhe von 176.000 gegenüberstehen. Barrierefreier Wohnraum wird zunehmend erforderlich. Die Zahl der Ein- und Zwei-Personenhaushalte mit mindestens einer Person im Alter von 75 Jahren wird um 200.000 auf 700.000 Haushalte steigen.

Der Sozialwohnungsbestand in Niedersachsen nimmt deutlich ab, es fehlen Wohnungen für mittlere und niedrige Einkommen. Wohnarmut und prekäre Wohnverhältnisse werden eine Problemlage für die Zukunft werden, auf die Wohnraumförderung eine Antwort finden muss. Die Konsequenz muss eine deutliche Verstärkung der Förderung für bezahlbaren Wohnraum sein.

Die Themen Inklusion und Barrierefreiheit sind große Herausforderungen für den Wohnungs- und Städtebau. Hier liegt ein Schlüssel für mehr Teilhabe und erforderliche Veränderung, um Menschen ein Altwerden in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Neue Wohnformen, wie gemeinschaftliches Wohnen und Gruppenbauvorhaben, spiegeln gesellschaftliche Entwicklungen wieder, die sich auch in der Förderung wiederfinden sollen.

Investitionen in Wohnraum sind auf Jahrzehnte ausgerichtet. Ausgeglichene Wohnungsmärkte brauchen starke gemeinwohlorientierte Akteure und dürfen sich nicht der kurzfristigen Renditeerwartung der Kapitalmärkte unterwerfen. Deshalb müssen Fehlentwicklungen mit negativen Auswirkungen auf Mieterinnen und Mieter entgegengewirkt werden.

Die Kommunen in Niedersachsen müssen die Versorgung der Bevölkerung mit angemessenem Wohnraum und eine zielgerichtete Städtebauförderung als aktive Handlungsoptionen wahrnehmen können und in der Lage sein, die sich als Partner einzubringen. Oftmals gehen Probleme auf den Wohnungsmärkten auch mit finanziellen Notlagen von Kommunen einher, diese Restriktion wollen wir langfristig beheben.

Veränderungen auf den Wohnungsmärkten in Niedersachsen machen auch eine Überprüfung der rechtlichen Rahmenbedingungen erforderlich. Ein soziales Mietrecht ist wichtige Voraussetzung für klare Regeln auf den Märkten. Bei drastischen Fehlentwicklungen, wie zum Beispiel der gezielten Verwahrlosung von Beständen, dürfen auch ordnungsrechtliche Maßnahmen nicht ausgeschlossen werden.

Der Energiebedarf des Gebäudebestandes soll nach dem Energiekonzept der Bundesregierung bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent und bis 2050 auf 80 Prozent reduziert werden. Experten gehen davon aus, dass hierfür jährlich fünf Milliarden Euro nötig sein werden. Diese Kosten lassen sich in vielen Fällen nicht auf die Mieter umlegen, da der Markt dieses nicht hergibt. Die zweite Miete wird bei steigenden Energiepreisen zu einer immer stärker werdenden Belastung. Nur mit einer ausreichenden öffentlichen Förderung lassen sich die berechtigten politischen Ansprüche zu Energiewende und Klimaneutralität umsetzen.

In den letzten Jahren ist es nicht gelungen, eine Durchdringung der Förderung im Segment Wohnungseigentümergemeinschaften zu erreichen. Während viele Akteure ihre Bestände saniert und auf die Anforderungen der Zukunft ausgerichtet haben, bleibt der Bereich WEGs hinter den Möglichkeiten zurück. Mit einer gesonderten Landesförderung, die gezielt die Problemstellung der Eigentümergemeinschaften aufgreift, sollen Impulse gesetzt und zu Maßnahmen animiert werden.

Der Mangel an Plätzen für studentisches Wohnen belastet die Wohnungsmärkte in den Städten mit Universitäten und Hochschulen. Es fehlen mehrere Hundert Plätze in Wohnheimen. Ein eigenständiges Landesprogramm soll die Situation aufnehmen und Handlungsoptionen aufzeigen.

Niedersachsen erhält für die Wohnraumförderung jährlich aus dem Bundeshaushalt bis zum Jahr 2019 Kompensationsmittel in Höhe 39,9 Millionen Euro. Der revolvierende Wohnraumförderfonds soll die Möglichkeiten für eine Verstetigung der Mittel und dauerhafte politische Handlungsoptionen des Landes Niedersachsen schaffen. Die damalige CDU/FDP-Landesregierung hat die Rückflüsse aus der Wohnraumförderung verbrieft und für 1,1 Milliarden Euro veräußert. Diese Mittel fehlen nun dauerhaft für eine durchsetzungsfähige Förderung und nehmen grundlegende Steuerungsmöglichkeiten.

Der Ausbau der Städtebauförderung durch die neue Bundesregierung ist eine deutliche und dringend notwendige Korrektur. Die politisch motivierten Kürzungen beim Programm „Soziale Stadt“ werden revidiert. Die Wirksamkeit der Städtebauförderung im investiven und nicht-investiven Bereich ist groß und wird durch die vollständige Komplementärfinanzierung durch das Land unterstrichen.

Die volkswirtschaftlichen Effekte der öffentlichen Förderung sind enorm: Ein Euro Förderung zieht bis zu acht Euro an privaten Investitionen nach sich. Aufträge für lokales Handwerk und Bauindustrie sowie eine Wertschöpfung, die in den Städten und Gemeinden bleibt.

Niedersachsen braucht eine Gesamtstrategie für die Wohnungs- und Städtebauförderung, die auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der regionalen Wohnungsmärkte reagiert und gleichzeitig einen eindeutigen Schwerpunkt auf der Versorgung von benachteiligten Menschen mit angemessenen Wohnraum legt.

Zurück zum Pressearchiv