Antrag: Bevölkerungs- und Katastrophenschutz in Niedersachsen zukunftsfähig gestalten – Behörden und Hilfsorganisationen auf hybride Bedrohungslagen kontinuierlich vorbereiten

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Putins brutaler Interventionskrieg auf die Ukraine hat eine vollkommen neue Sicherheitslage in Europa, Deutschland und Niedersachsen zur Folge. Zusätzlich haben die Krisen- und Katastrophenlagen der vergangenen Jahre von der Corona-Pandemie über örtliche Hochwasser- und Starkregenereignisse bis hin zu den starken Migrationsbewegungen auch bei uns im Land gezeigt, wie vielfältig und anspruchsvoll die Einsatzszenarien im Katastrophenschutz sein können.

Dabei haben die niedersächsischen Katastrophenschutzbehörden im Zusammenwirken mit dem Ministerium für Inneres und Sport in den letzten Jahren gezeigt, wie leistungsfähig sie sind und wie sehr wir uns insbesondere in Ausnahmezuständen auf unseren Zivil- und Bevölkerungsschutz verlassen können. Um dies auch für die Zukunft zu gewährleisten, ist es erforderlich, die Erfahrungen der letzten Jahre zu nutzen und die bestehenden Strukturen kontinuierlich den sich verändernden Bedürfnissen anzupassen.

Zudem zeigt sich, dass der engagierte Einsatz der vielen tausend ehrenamtlichen Kräfte von Hilfsorganisationen und Feuerwehren zu einem gut aufgestellten Katastrophenschutz beiträgt und Maßnahmen zur Helfermotivation erforderlich sowie die auskömmliche Finanzierung unserer Hilfsorganisationen Grundvoraussetzung sind.

Dass sich das Land dieser besonderen Verantwortung bewusst ist, hat es u.a. mit dem Ad-hoc-Paket im Umfang von 40 Millionen Euro im letzten Frühjahr, als erstes Bundesland überhaupt, bewiesen. Diese Mittel wurden zusätzlich für kurzfristige und mittelfristige Maßnahmen bereitgestellt. Unser gemeinsames Ziel ist es, auch langfristig wichtige Investitionen im Katastrophenschutz auf den Weg zu bringen und die Strukturen und Institutionen des Katastrophenschutzes dauerhaft zu stärken.

Vor allem die Auswirkungen des fortschreitenden Klimawandels, der neben außergewöhnlich heftigen Regenfällen auch Dürreperioden mit sich bringt, werden künftig häufigere und vielfältigere Schadenslagen verursachen. Bei der Weiterentwicklung des Katastrophenschutzes müssen diese Gefahren berücksichtigt und Niedersachsen auch auf neue Szenarien angemessen vorbereitet werden. Dies setzt neben den erforderlichen organisatorischen und personellen Anpassungen der zuständigen Behörden auch die adäquate Ausstattung der im Katastrophenschutz tätigen Organisationen voraus. 

Um die Resilienz der Bevölkerung weiterhin zu fördern, sind auch Maßnahmen zur Stärkung des Gefahrenbewusstseins und der Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung notwendig.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. auf Grundlage der gegenwärtigen Erkenntnisse aus dem Umgang mit Pandemie, Klimawandel, Krieg und hybrider Bedrohungen organisatorische, strukturelle und rechtliche Optimierungspotenziale des Katastrophenschutzes in Niedersachsen, unter Einbeziehung des Landesbeirats Katastrophenschutz, zu prüfen und dem Landtag zu berichten,
  2. die Maßnahmen und Ziele des Ad-hoc-Pakets weiterhin umzusetzen und fortzuführen.
  3. darauf aufbauend eine Strategie vorzulegen, wie der Katastrophenschutz dauerhaft weiterentwickelt werden kann.
  4. die Zuschüsse für Investitionen an die im Katastrophenschutz mitwirkenden Hilfsorganisationen im Dialog mit diesen anzupassen. Neben Investitionen in Ausstattung und Material sollen auch Strategien für den vorbeugenden Schutz vor Katastrophen und Bränden gefördert werden,
  5. eine Resilienzstrategie zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Katastrophen zu erarbeiten und so zur Verbesserung der Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung beizutragen,
  6. zur systematischen Fortentwicklung und Unterstützung der ehrenamtlichen Strukturen sind weiterhin Maßnahmen in den Bereichen Anerkennung, Ausstattung und Ausbildung sowie Nachwuchsgewinnung innerhalb der Hilfsorganisationen zu entwickeln und zu fördern.
  7. für ein besseres risiko-, gefahren- und lagebezogenen Informations- und Koordinationsmanagements, auch als Schnittstelle zur GeKoB (Gemeinsames Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz), die Einrichtung eines Krisenreaktionszentrums mit einer Landesleitstelle umzusetzen,
  8. ein Krisenkommunikationskonzept für sichere, satellitengestützte Kommunikation für Krisenstäbe und Leitstellen zu erarbeiten,
  9. länderübergreifende Großübungen, auch unter Einbindung der Bundeswehr zu planen und durchzuführen,
  10. die Ausbildungskapazitäten und den Ausbildungsstandard an der NLBK in Celle, Scheuen und Loy zu prüfen und durch geeignete Maßnahmen zu erhöhen oder umzuschichten,
  11. zu prüfen wie die Attraktivität der Rettungsberufe gesteigert werden kann,
  12. sich weiterhin zu einem europäischen Katastrophenschutz zu bekennen und sich z.B. im Rahmen der Bereitstellung von Löschflugzeugen aktiv an der Schaffung zusätzlicher Kapazitätsreserven der EU (RescEU) zu beteiligen.

Darüber hinaus fordert der Landtag die Landesregierung auf, sich gegenüber dem Bund dafür einzusetzen, dass

  1. der Wiederaufbau des flächendeckenden Sirenen- und Alarmnetz in unserem Land gemeinsam und konsequent fortgesetzt wird,
  2. das „Stärkungspaket Bevölkerungsschutz“ in Höhe von 10 Milliarden Euro durch den Bund in der laufenden Wahlperiode tatsächlich umgesetzt wird,
  3. das in Aussicht gestellte Logistikzentrum des Bundes in Westerstede zügig eingerichtet und eines der geplanten „Labore 5000“ in Niedersachsen stationiert wird.

Begründung

Angesichts der vielfältigen Krisen und Herausforderungen in der jüngeren Vergangenheit, wie der Corona-Pandemie und der Starkregenereignisse im Jahr 2021 sowie dem Krieg in der Ukraine, muss auch im Bevölkerungsschutz von einer Zeitenwende gesprochen werden.

Hierbei verfügt Niedersachsen dank seiner vielen Ehrenamtlichen und engagierten Hilfsorganisationen über gute Ressourcen, um die zunehmenden Anforderungen auch in Zukunft begegnen zu können.

Die Katastrophenlagen der letzten Jahre haben dazu geführt, dass das Krisenmanagement in unserem Land einem weiteren kontinuierlichen Anpassungs- und Verbesserungsprozess unterworfen ist. Zudem unterstreicht der Krieg in der Ukraine in einer bisher kaum vorstellbaren Deutlichkeit und Schärfe die Notwendigkeit gut funktionierender Strukturen des Katastrophen- und Zivilschutzes.

Für eine krisenfeste Ausgestaltung des Katastrophenschutzes ist eine angemessene finanzielle Ausstattung aller beteiligten Behörden und Organisationen erforderlich.

Zurück zum Pressearchiv