Antrag: Bahninfrastruktur für die Zukunft sichern – Reaktivierung prüfen und vorantreiben

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Hannover, den 04.10.2011

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) und insbesondere der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) sind zentrale Bausteine für eine umwelt- und klimaschonende Mobilität. Ihnen kommt für die Lebensqualität in Stadt und Land, für den Klimaschutz und die Mobilität von Menschen eine entscheidende Bedeutung zu. Nur mit ihnen lassen sich die Anforderungen zur Bekämpfung von Feinstaub, CO2, NOx und Lärm erfüllen. Deshalb muss er weiter ausgebaut werden. Infrastruktur ist in Niedersachsen in manchen Bereichen noch vorhanden aber stillgelegt und ungenutzt. Eine kostengünstige zeitsparende Alternative zu aufwändigen Neuplanungen und -bauten und den in aller Regel von den KundInnen weniger angenommenen Busverkehren ist die Reaktivierung von alten Bahnstrecken und Haltepunkten.

In Niedersachsen gibt es inzwischen fast zwei Dutzend Initiativen zur Reaktivierung von Bahnstrecken und Haltepunkten. Die Projekte sind sehr unterschiedlich aufwändig und dementsprechend zum Teil kurzfristig zum Teil aber auch nur langfristig umsetzbar. Die Kosten gehen ebenfalls weit auseinander. Angesichts dieser Fülle und Vielfalt an Reaktivierungsmöglichkeiten und der auch demografisch wachsenden Nachfrage nach guten ÖV-Angeboten ist eine vergleichende Aufarbeitung und fachliche Prüfung der Konzepte dringend erforderlich, um auf dieser Grundlage die erfolgversprechenden Projekte in die Umsetzung zu bringen.

Die Landesregierung wird deshalb aufgefordert,

  1. ihre Reaktivierungsanstrengungen zu verstärken und das Potenzial stillliegender Trassen und Bahnhöfe in Niedersachsen für die Zukunft zu sichern und grundlegend auf ihr Reaktivierungspotential zu prüfen,
  2. die Entwidmung und den schleichenden Abbau von Bahninfrastruktur in Niedersachsen, die dadurch für immer verloren geht, endlich zu stoppen,
  3. auf Antrag betroffener Kommunen eine fundierte Nutzen-Kosten-Analyse durch die LNVG oder fachkundige Beauftragte für die Neu- oder Wiedereinrichtung zusätzlicher Haltepunkte sowie für die Wiederinbetriebnahme stillliegender Bahnstrecken zu veranlassen. Bei der Bewertung sollen auch ergänzende Finanzierungsmodelle und mögliche regionale Wirtschaftseffekte durch den wieder hergestellten Bahnanschluss soweit möglich berücksichtigt werden,
  4. die Ergebnisse dieser Analysen anschließend anhand transparenter Kriterien zu bewerten und
  5. die Projekte bei Eignung im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten umzusetzen.

Begründung

Der Landtag sieht angesichts des Klimawandels die Vernachlässigung der Schiene und die falsche Schwerpunktsetzung von Bund und Land in der Verkehrswegefinanzierung mit großer Sorge. Statt dringend benötigte Ausbaumaßnahmen für die Schiene zu finanzieren, werden die knappen öffentlichen Gelder zur Infrastrukturunterhaltung und zum Ausbau immer noch allzu häufig vorrangig in den Neubau von Autobahnen und anderen Straßen investiert.

Nur sehr wenige neue Schienenstrecken und Haltepunkte wurden in der jüngeren Vergangenheit in Niedersachsen hergestellt. Lücken im SPNV-Netz sind die bedauernswerte Folge. Es ist aber nicht länger hinnehmbar, dass beispielsweise Fährhäfen zu den ostfriesischen Inseln (ohne Autoverkehr) mit einem überregional ausstrahlendem Tourismusangebot oder eine Stadt wie Nordhorn mit über 50.000 EinwohnerInnen vom Schienenpersonenverkehr abgeschnitten sind, obwohl weite Teile der Infrastruktur sowie der politische Wille vor Ort seit Langem vorhanden sind.

Den Reaktivierungsbestrebungen laufen mancherorts Entwidmungen entgegen, denen dann der Abbau der Infrastruktur und die Flächennutzung für Neubaugebiete oder andere Zwecke folgen. Einmal entfernte Schienen müssen später bei neu erkanntem Bedarf aufwändig ersetzt werden - oder ihre Trassen sind wegen Überbauung sogar unwiederbringlich verloren. Deshalb ist die Sicherung vorhandener Trassen auch bei aktuell nicht erkennbaren kurzfristigen Reaktivierungschancen in jedem Falle eine Daueraufgabe der Landesregierung.

Da die Untersuchungen zu  57 Reaktivierungsprojekten und 24 stillliegenden Bahnhaltepunkten bereits mehr als 10 Jahr zurück liegen, ist eine neue grundlegende vergleichende Überprüfung der Verkehrspotenziale, der Betriebskosten und der möglichen Finanzierungsmodelle der regional betriebenen Bahn-Reaktivierungsprojekte und Haltepunkte dringend geboten, damit noch vor der 2014 anstehenden Revision der Regionalisierungsmittel auf Bundesebene in Niedersachsen Bahnpersonenverkehr auf allen dafür geeigneten Strecken und Haltemöglichkeiten angeboten wird. Wenn die Konzepte von vor Ort überzeugen, müssen ab einem zu erwartenden Zuspruch von ca. 500 Fahrgästen pro Tag umgehend von Landesregierung und LNVG die zur Reaktivierung nötigen Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Stefan Wenzel
Fraktionsvorsitzender

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