Antrag: Aufnahme syrischer Flüchtlinge – Niedersachsen lässt Syrerinnen und Syrer nicht im Stich!

Fraktion SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

 

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Hunderttausende Menschen fliehen vor dem Bürgerkrieg aus Syrien. Die aktuellen Zahlen sind dramatisch: über 70.000 Tote, mehr als zwei Millionen Binnenvertriebene, über 1,2 Millionen Flüchtlinge aus Syrien in den Nachbarstaaten Türkei, Jordanien, Libanon und Irak. Die Anrainerstaaten stoßen angesichts des anhaltenden Zuzugs von Flüchtlingen an ihre Kapazitätsgrenzen.

Viele Flüchtlinge versuchen darüber hinaus zu ihren Angehörigen in die Europäische Union und nach Niedersachsen weiterzuwandern, um dort Schutz zu suchen. Angehörige berichten, dass viele Syrerinnen und Syrer auf der Suche nach Schutz in Europa ihr Leben riskieren. Es scheitert an den Einreisebedingungen und der restriktiven Haltung der Bundesregierung, Visa zu erteilen.

Die Bundesregierung reagierte erst am 20. März 2013 in Berlin unter dem Druck von Flüchtlingsorganisationen, Kirchen, zahlreichen Initiativen aus der Zivilgesellschaft und der Opposition im Bundestag und kündigte an, ein Kontingent von 5000 Flüchtlingen in Deutschland aufzunehmen. Damit wird Deutschland angesichts der katastrophalen humanitären Situation in Syrien, die auf Jahre fortbestehen wird, seiner Verantwortung für die aufzunehmenden Flüchtlinge in keiner Weise gerecht.

Der Landtag begrüßt deshalb, dass Innenminister Boris Pistorius den Abschiebungsstopp nach Syrien verlängert hat und darüber hinaus auf der Innenministerkonferenz im Mai nicht nur für eine dauerhafte Perspektive für die im Rahmen des Aufnahmekontingents nach Deutschland einreisenden syrischen Staatsangehörigen wirbt, sondern auch die Bereitschaft erklärt hat, sich darüber hinaus dafür einzusetzen, dass es in Deutschland lebenden syrischen Staatsangehörigen oder deutschen Staatsangehörigen mit syrischem Migrationhintergrund die Möglichkeit gegeben wird, ihren noch im Krisengebiet lebenden Verwandten zu einem Einreisevisum zu verhelfen, damit diese Schutz in Deutschland erhalten können.

Der Landtag unterstützt deshalb die Landesregierung in ihrem Bemühen, die Bundesregierung dazu zu bewegen, sich sowohl auf der Bundesebene als auch auf der europäischen Ebene dafür einzusetzen, dass:

  • weit mehr syrische Flüchtlinge im Rahmen einer echten und auf Dauer angelegten Resettlement-Aktion aufgenommen werden und damit der Status nach der Genfer Flüchtlingskonvention sichergestellt wird, da von einer Rückkehr nicht auszugehen ist;
  • die Visa-Erteilung zur Einreise von syrischen Staatsangehörigen, die von ihren Angehörigen nach Deutschland eingeladen werden, erleichtert wird;
  • die Verantwortung der Flüchtlingsaufnahme nicht alleine den Grenzstaaten der EU aufgebürdet wird, und dass Schutzsuchende nicht in das Land ihrer Einreise in die EU abgeschoben werden; (Dublin II)

Der Landtag begrüßt, dass die Landesregierung

  • mit der erneuten Verlängerung eines formalen Abschiebestopps nach Syrien veranlasst, dass syrische Personen einen sicheren Aufenthaltsstatus hieraus erhalten können;
  • keine wirtschaftlichen oder politischen Delegationen - wie in der Vergangenheit unter der schwarz-gelben Landesregierung geschehen - in die Republik Syrien begleitet, organisiert oder unterstützt;

Begründung

Die Republik Syrien ist ein Land, dem das Deutsche Auswärtige Amt schwerste Menschenrechtsverletzungen attestiert. Mehrere Geheimdienste bespitzeln die Bevölkerung. Folter wird als gängiges Mittel gegen Gegnerinnen und Gegner des herrschenden Assad-Regimes eingesetzt. Die Menschenrechtslage in Syrien ist dramatisch. Nach Informationen von Amnesty International starben mehrere Menschen in syrischer Haft – viele von ihnen wurden vor ihrem Tod offenbar misshandelt und gefoltert. Insgesamt starben nach UN-Schätzungen seit Beginn der Aufstände gegen die autoritäre Regierung von Präsident Baschar el Assad mehr als 70.000 Menschen.

Das Regime geht mit äußerster Brutalität gegen friedliche Demonstrierende, Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten sowie Künstlerinnen und Künstler vor. Schon 2009 informierte das Bundesinnenministerium die Länder in einem Schreiben zum Rückübernahmeabkommen über Inhaftierungen von aus Deutschland Abgeschobenen und anschließende Prozesse vor Militärgerichten jenseits anerkannter juristischer Standards. Das Auswärtige Amt beklagte, dass das Regime keine Auskünfte über den Verbleib der Gefangenen gegeben habe. Auch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen haben immer wieder über Verstöße gegen Menschenrechte in der Republik Syrien berichtet. Am 31.12.2010 waren für Niedersachsen 1382 syrische Staatsangehörige erfasst, deren Aufenthalt geduldet war. Die Zahl der Personen, die angeben, staatenlos und aus Syrien kommend eingereist zu sein, wird nicht statistisch erfasst und ist deshalb nicht bekannt. Noch im Februar 2011 wurden unter der schwarz-gelben Landesregierung der 16-jährige Anuar und sein 63-jähriger Vater Bedir Naso in die Republik Syrien abgeschoben. Sie wurden unmittelbar nach ihrer Ankunft inhaftiert. Bedir Naso saß 13 Tage lang in syrischer Haft.

Um den Betroffenen einen verlässlichen Rechtsrahmen zu gewähren und solche Abschiebungen zu vermeiden, haben die Länder die Möglichkeit, einen förmlichen Abschiebungsstopp nach § 60a AufenthG zu erlassen, der für sechs Monate gilt. Für einen längeren Zeitraum sind gemäß § 23 Abs. 1 AufenthG Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen. Der Bundesminister des Innern Dr. Hans-Peter Friedrich hat im März 2013 das Einvernehmen zur Verlängerung des Abschiebungsstopps nach Syrien um weitere sechs Monate erteilt. Die zuständigen Landesinnenministerien sollten daher wie Niedersachsen die bestehenden Abschiebestopperlasse nach Syrien nunmehr zügig verlängern, damit geduldete Flüchtlinge aus Syrien nun auch einen gesetzlichen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Die Situation bereits in Niedersachsen aufgenommener und hier seit langer Zeit geduldet lebender Syrerinnen und Syrer würde sich dadurch deutlich verbessern.

Gleichzeitig muss Deutschland der humanitären Verpflichtung nachkommen, gezielt Flüchtlinge aufzunehmen. Auf Druck von verschiedenen Organisationen hat die Bundesregierung im März 2013 angekündigt, 5000 Menschen diesen Schutz zu gewähren. Angesichts der Eskalation der Gewalt in Syrien und der ständig steigenden Zahl der Flüchtlinge in den Nachbarstaaten ist diese Zahl in keiner Weise ausreichend. Der Landtag begrüßt daher, dass Niedersachsen auf der Innenministerkonferenz im Mai 2013 entsprechend für die Erhöhung des Kontingentes werben wird und darüber hinaus angekündigt hat, dass die Einreise von syrischen Staatsangehörigen, die von ihren hier lebenden Angehörigen nach Deutschland eingeladen werden, erheblich erleichtert wird.

Die strengen Vorgaben der Bundesregierung für den Familiennachzug verhindern dies derzeit in aller Regel. Regelmäßig werden auch Visa mit dem Hinweis auf fehlende Rückkehrbereitschaft oder mangelnde Verwurzelung im Heimatland verweigert, selbst wenn die Finanzierung des Aufenthalts in Deutschland durch Verwandte gesichert ist.

Darüber hinaus halten wir es - anders als die frühere schwarz-gelbe Landesregierung - in der derzeitigen Situation für dringend geboten, von politischen und wirtschaftlichen Delegationen in die Republik Syrien abzusehen. Anhand der Reise einer Wirtschaftsdelegation im Februar 2011, die durch NGlobal organisiert wurde und in Begleitung des damaligen Staatssekretärs vom niedersächsischen Wirtschaftsministerium stattfand, hat sich gezeigt, dass menschenrechtliche Aspekte bei Planung und Durchführung von Delegationen unter der schwarz-gelben Landesregierung keine Rolle gespielt haben.

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