Antrag: (Atommülllager Asse) Einsetzung eines 21. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Gemäß Artikel 27 der Niedersächsischen Verfassung wird der 21. Parlamentarische Untersuchungsausschuss eingesetzt.

I. Der Untersuchungsausschuss hat die Aufgabe aufzuklären,

inwieweit es insgesamt beim Betrieb des so genannten Forschungsbergwerks Asse II seit Beginn der Einlagerung mittel- und schwachradioaktiver Abfälle bis in die Gegenwart innerhalb und außerhalb des Grubengebäudes zu Unfällen, Havarien und Vorkommnissen gekommen ist, bei denen Radioaktivität innerhalb und außerhalb des Grubengebäudes freigesetzt worden ist, bzw. die Freisetzung nicht ausgeschlossen werden kann und welche Maßnahmen von Seiten der Betreiber und der zuständigen staatlichen Stellen getroffen worden sind, um die Auswirkungen solcher Vorkommnisse so zu begrenzen, dass die Gesundheit der Menschen und die Umwelt nicht gefährdet wird.

Auf welchen fachlichen und rechtlichen Grundlagen Einlagerungen und Forschungsaktivitäten in Asse II erfolgt sind und wie sie von Genehmigungs- und Fachaufsichtsbehörden begleitet und deren genehmigungskonforme Umsetzung kontrolliert worden sind.

In welcher Weise und auf welcher Informationsgrundlage Abwägungen und Entscheidungen getroffen worden sind, die zur Genehmigung von bergrechtlichen Betriebsplänen (Haupt-, Rahmen- und Sonderbetriebspläne) und Genehmigungen nach Atomrecht geführt haben, auf deren Grundlage während und nach Beendigung der Einlagerung und der Forschungsaktivitäten in Asse II Maßnahmen zur Stabilisierung des Grubengebäudes im Vorgriff auf die Festlegungen des noch nicht vorliegenden bergrechtlichen Abschlussbetriebsplans durchgeführt worden sind, die nicht reversibel sind. Dabei ist in besonderer Weise zu untersuchen, in welcher Weise die Genehmigungsbehörden den ordnungsgemäßen Umgang mit radioaktiven Stoffen in Asse II überwacht haben und in welcher Weise die Fachaufsichtsbehörden des Landes ihre Aufsicht über die zuständigen staatlichen Genehmigungsbehörden organisiert und wahrgenommen haben und wer die politische Verantwortung für einen rechtlich und fachlich nicht verantwortbaren Umgang mit radioaktiven Stoffen in Asse II trägt. Es ist auch zu berücksichtigen, inwieweit andere fachlich zuständige staatliche, europäische und internationale Stellen in diese Entscheidungen eingebunden waren, bzw. hätten eingebunden werden müssen und in welcher Weise deren fachlichen oder sonstigen Stellungnahmen berücksichtigt worden sind. Von besonderer Bedeutung ist, ob das vom Betreiber verfolgte Konzept der Verfüllung und Flutung des Bergwerks zu dem Ergebnis führen würde, dass die Gesundheit der Menschen und eine intakte Umwelt weit über ein überschaubares Zeitfenster hinaus sichergestellt werden können.

II. Unter der in Abschnitt I genannten Fragestellung ist insbesondere aufzuklären,

  1. welche Kenntnis die niedersächsischen Genehmigungs-  und Aufsichtsbehörden zu welchem Zeitpunkt von den in Asse II angefallenen kontaminierten Salzlauge hatten, in welcher Weise sie an Entscheidungen über den Umgang mit der kontaminierten Lauge beteiligt waren und auf Grundlage weIcher Informationen und rechtlicher Grundlagen Entscheidungen und Genehmigungen über den Umgang mit diesen kontaminierten Salzlaugen getroffen worden sind;
  2. ob und in welchem Umfang und mit welchem fachlichem Beistand die möglichen Ursachen der Kontamination der Salzlauge hätten geklärt werden können und welche Alternativen zur Verbringung in einen eigens dafür aufgefahrenen Hohlraum unterhalb der 950 Meter Sohle im Tiefenaufschluss geprüft und bewertet worden sind;
  3. welches radioaktive Inventar tatsächlich eingelagert wurde, welche kontaminierten und nicht kontaminierten Stoffe und Materialien einschließlich Arbeitsgeräte nach der Beendigung der Einlagerung von leicht- und mittelaktivem Atommüll 1978 in Asse II eingelagert worden sind und auf welcher Genehmigungsgrundlage diese Einlagerungen erfolgt sind;
  4. welche und in welchem Umfang Forschungsarbeiten/Forschungsprojekte nach 1978 und im Zeitraum nach der Beendigung der Forschung im Jahr 1992 auf welcher Genehmigungsgrundlage  durchgeführt worden sind, wie diese von den jeweiligen Genehmigungsbehörden begleitet und überwacht wurden. Wie und wo welche Stoffe zu Forschungszwecken in Asse II eingebracht wurden und wie kontaminierte und nicht kontaminierte Stoffe und Materialien, die bei diesen Projekten angefallen sind, ordnungsgemäß entsorgt wurden;
  5. welche Rückschlüsse aus dem Betrieb, aus den Erfahrungen und den Forschungen in Asse II gezogen wurden, welche wissenschaftlichen Ergebnisse in die nationale und internationale Endlagerforschung eingeflossen sind und wie die technischen Standards zur Einrichtung und zur Sicherheit von Endlagern dadurch beeinflusst wurden;
  6. welche Unfälle, Störfälle mit Freisetzung radioaktiven Materials und sonstige Ereignisse, insbesondere soweit sie nach heute geltendem Atomrecht meldepflichtig gewesen wären, sich in Asse II während des Betriebs seit 1965 ereignet haben, wie diese zu bewerten sind, welche Schritte die zuständige Fachaufsichtsbehörde des Landes jeweils nach solchen Ereignissen unternommen hat, um sicherzustellen, dass sich diese Vorgänge nicht wiederholen und in welcher Weise diese Ereignisse und ihre möglichen Folgen bei der geplanten Stilllegung, dem bergrechtlichen Abschlussbetriebsplan berücksichtigt werden;
  7. ob bei den bereits durchgeführten und noch vorgesehenen Maßnahmen zur Sicherung der Standfestigkeit des Grubengebäudes radioaktive Kontaminationen und ihre möglichen Folgen in der Zukunft bei den Entscheidungen der zuständigen Behörden berücksichtigt worden sind;
  8. ob die MitarbeiterInnen des Betreibers, Anwohner und Besucher der Asse II auf Grund der Arbeiten unter "offener Radioaktivität" bei der Einlagerung der Abfälle im Zeitraum 1965 bis 1978 und durch Störfälle und Forschungsaktivitäten auch im Zeitraum danach einer gesundheitsgefährlichen radioaktiven Strahlung ausgesetzt waren oder es noch sind.

III. Der Untersuchungsausschuss besteht aus 11 Mitgliedern, die von den Fraktionen nach folgendem Verteilerschlüssel benannt werden:

  • CDU-Fraktion 5 Mitglieder,
  • SPD-Fraktion 3 Mitglieder,
  • FDP-Fraktion 1 Mitglied,
  • Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 1 Mitglied
  • Fraktion Die Linke 1 Mitglied.

Ferner ist die gleiche Zahl von Stellvertreterinnen oder Stellvertretern zu benennen. Der Ausschuss wählt seine Vorsitzende oder seinen Vorsitzenden und deren oder dessen Stellvertreterin oder Stellvertreter.

IV. Die Landesregierung wird ersucht zu veranlassen, dass alle von dem Untersuchungsausschuss und seinen etwaigen Unterausschüssen zu vernehmenden Landesbediensteten im Rahmen der Gesetze von der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit entbunden werden. Dies gilt auch für ehemalige Landesbedienstete, soweit sie über ihre Tätigkeit im Landesdienst vernommen werden sollen. Die Landesregierung hat erforderlichenfalls Akteneinsicht zu gewähren.

V.  Für den Untersuchungsausschuss gilt die diesem Beschluss als Anlage beigefügt Geschäftsordnung.

 

Ursula Helmhold

stellv. Fraktionsvorsitzende

Anlage

Geschäftsordnung

für den

21. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss

des Niedersächsischen Landtages

§ 1

(1) Der Untersuchungsausschuss ist verhandlungs- und beschlussfähig, wenn die Mehrheit seiner stimmberechtigten Mitglieder nach ordnungsgemäßer Einladung anwesend ist.

(2) Ist der Untersuchungsausschuss nicht verhandlungs- und beschlussfähig, so unterbricht die Vorsitzende oder der Vorsitzende zunächst die Sitzung auf bestimmte Zeit. Ist nach dieser Zeit die Verhandlungs- und Beschlussfähigkeit noch nicht eingetreten, so vertagt sie oder er die Sitzung. In der nächstfolgenden Sitzung ist der Untersuchungsausschuss verhandlungs- und beschlussfähig, auch wenn nicht die Mehrheit seiner stimmberechtigten Mitglieder anwesend ist.

(3) Beschlüsse werden, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist, mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder gefasst.

§ 2

(1) Der Untersuchungsausschuss kann für einzelne Aufgaben Unterausschüsse einsetzen, die aus drei oder fünf stimmberechtigten Mitgliedern des Untersuchungsausschusses bestehen. Er bestimmt zugleich die Vorsitzende oder den Vorsitzenden und die Berichterstatterin oder den Berichterstatter.

(2) Der Beschluss über die Einsetzung, den Aufgabenbereich und die Größe von Unterausschüssen bedarf der Mehrheit der Stimmen der stimmberechtigten Mitglieder des Untersuchungsausschusses.

(3) Für Unterausschüsse gelten die §§ 1, 3 bis 9 entsprechend. Die Entscheidung über die Heranziehung von Sachverständigen bleibt dem Untersuchungsausschuss vorbehalten.

§ 3

(1) Im Untersuchungsausschuss ist eine Stellvertretung durch andere als die hierfür benannten Abgeordneten unzulässig.

(2) Die stellvertretenden Mitglieder dürfen bei jeder Sitzung des Untersuchungsausschusses als Zuhörerinnen oder Zuhörer anwesend sein.

(3) Andere Abgeordnete dürfen bei nichtöffentlichen Sitzungen des Untersuchungsausschusses als Zuhörerinnen oder Zuhörer anwesend sein, solange nicht ein Fünftel der stimmberechtigten Mitglieder widerspricht.

§ 4

Mitglieder und Beauftragte der Landesregierung sowie Beauftragte der Fraktionen dürfen an den nichtöffentlichen Sitzungen des Untersuchungsausschusses als Zuhörerinnen oder Zuhörer teilnehmen, solange nicht ein Fünftel der stimmberechtigten Mitglieder widerspricht. Die Vorsitzende oder der Vorsitzende kann den in der Sitzung anwesenden Mitgliedern oder Beauftragten der Landesregierung das Wort erteilen.

§ 5

(1) Über die Erhebung von Beweisen beschließt der Untersuchungsausschuss in nichtöffentlicher Sitzung.

(2) Jedes Mitglied des Untersuchungsausschusses kann in nichtöffentlicher Sitzung          die Erhebung von Beweisen beantragen.

(3) Zulässigen Beweisanträgen muss entsprochen werden, wenn sie von einem Fünftel der stimmberechtigten Mitglieder unterstützt werden; dies gilt auch für zulässige Anträge, die auf die Durchsetzung bereits beschlossener Beweiserhebungen gerichtet sind.

§ 6

(1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die Beweise in öffentlicher Verhandlung. Jeder Termin zur öffentlichen Verhandlung ist durch Anschlag im Landtagsgebäude bekannt zu geben.

(2) Die Öffentlichkeit kann auf Antrag von den Beweiserhebungen des Untersuchungsausschusses ausgeschlossen werden. Der Beschluss wird in nichtöffentlicher Sitzung gefasst. Er bedarf der Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen der stimmberechtigten Mitglieder.

(3) Der Inhalt von Personalakten sowie Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse dürfen nur in nichtöffentlicher Sitzung erörtert werden. Weitergehende Bestimmungen, die sich aus der sinngemäßen Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess oder der Geschäftsordnung für den Niedersächsischen Landtag ergeben und die Geheimhaltung oder die vertrauliche Behandlung von Unterlagen betreffen, bleiben unberührt.

§ 7

Auskunftspersonen werden unter kurzer Angabe des Gegenstandes, über den sie aussagen sollen, auf einen Tag zur Verhandlung geladen. Sie erhalten Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen.

§ 8

Beweiserhebungen sind wörtlich zu protokollieren. Über die Art der Protokollierung der Beratungen entscheidet der Untersuchungsausschuss.

§ 9

Die dem Untersuchungsausschuss zugeleiteten Urkunden, Akten oder sonstigen Unterlagen sind auf Anforderung jedem Mitglied und jedem stellvertretenden Mitglied zugänglich zu machen.

§ 10

Nach Abschluss der Untersuchung ist dem Landtag ein schriftlicher Bericht vorzulegen. Der Untersuchungsausschuss beauftragt eines oder mehrere seiner Mitglieder, den schriftlichen Bericht im Plenum des Landtages zu erläutern. Minderheiten können Minderheitsberichte erstatten; diese sind zusammen mit dem Ausschussbericht zu veröffentlichen.

§ 11

Geschäftsstelle des Untersuchungsausschusses und der Unterausschüsse ist der Präsident des Niedersächsischen Landtages - Landtagsverwaltung -.

§ 12

Im Übrigen gelten für den Untersuchungsausschuss und die Unterausschüsse die Bestimmungen der Geschäftsordnung für den Niedersächsischen Landtag sinngemäß.

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