Antrag: Atomausstieg fortsetzen ? Wettbewerb am Energiemarkt durchsetzen ? Energiesparen jetzt!

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Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Hannover, den 18.01.06
Der Landtag wolle beschließen:
Entschließung
1. Der Landtag stellt fest:
Der zu Beginn des 21. Jahrhunderts in Deutschland beschlossene Ausstieg aus der Atomenergienutzung war eine wichtige Weichenstellung, um die Energieversorgung in unserem Land auf eine zukunftssichere Grundlage zu stellen. Atomenergie ist eine sehr riskante, hoch subventionierte und Verschwendung begünstigende Großtechnologie. Jahrzehnte alte Reaktoren sind zudem nicht mehr auf dem Stand der Technik, und gegen terroristische Bedrohungen ist keine sichere Vorsorge möglich. Die Atomenergienutzung verhindert den notwendigen Umbau hin zu einer stärker dezentralisierten Energieversorgung mit intelligenter Nutzung knapper Ressourcen.
Der Landtag erteilt deshalb allen Überlegungen zur Verlängerung der Laufzeiten deutscher Atomkraftwerke eine eindeutige Absage.
2. Der Landtag stellt fest:
Der mangelnde Wettbewerb ist ein wesentlicher Grund für die hohen Energiepreise in Deutschland. Der Strommarkt wird von vier großen Anbietern kontrolliert. Insbesondere ihre Kontrolle über die Übertragungsnetze führt zu einer weit reichenden Marktverzerrung. Die durch das neue Energiewirtschaftsgesetz vorgeschriebene Entflechtung der innerbetrieblichen Netzbereiche von den Bereichen Erzeugung und Verteilung wird jedoch für eine tatsächliche Liberalisierung des Stromsektors nicht ausreichen. Auch im Gasbereich müssen konsequente Schritte zur Stärkung des Wettbewerbs eingeleitet werden.
Der Landtag fordert die Landesregierung daher auf,
eine Bundesratsinitiative zu ergreifen mit dem Ziel einer eigentumsrechtlichen Trennung von Übertragungsnetzen und übrigen Wertschöpfungsstufen im Stromsektor.
3. Der Landtag stellt fest:
Niedersachsen muss das Energiesparland Nr. 1 werden und bis zum Jahr 2020 25 Prozent Energie einsparen. Das größte Potenzial einer klimafreundlichen und sicheren Energieversorgung liegt in der effizienten Bereitstellung und und sparsamen Nutzung von Energie und in der Nutzung regenerativer Energiequellen. Langfristig kann der Energieverbrauch ohne Wohlstandsverluste mehr als halbiert werden. Das Klimaschutzziel einer deutlichen CO2-Reduktion ist auch ohne die Nutzung von Atomenergie zu erreichen.
Der niedersächsische Landtag fordert die Landesregierung deshalb auf,
 einen langjährigen Wettbewerb "Die energiesparendste niedersächsische Kommune" auszurichten und zu fördern mit dem Ziel, Energieeinsparung in den Kommunen durch den verstärkten Ausbau von Kraft-Wärme-Kopplung, durch Reduzierung von Energieverbrauch in öffentlichen Liegenschaften, durch intensive Beratung und weitere Maßnahmen zu befördern,
 durch den Aufbau einer Beratungsförderung "Bioenergiedörfer" dafür Sorge zu tragen, dass das Beispiel "Bioenergiedorf Jühnde" in Niedersachsen zahlreiche Nachahmer findet,
 die "Landesinitiative Energieeinsparung" wieder aufzunehmen und weiter zu entwickeln, um die Chancen der Bundesprogramme zur CO2-Gebäudesanierung und zur Wohnraummodernisierung optimal zu nutzen und entsprechend zusätzliche Anreize zu diesen vom Bund bereitgestellten Mitteln zu schaffen,
 im Rahmen der "Landesinitiative Energieeinsparung" die unabhängige, neutrale und kontinuierliche Energieberatung, beispielsweise durch die Verbraucherzentrale Niederachsen, zu fördern.

Begründung
Steigende Energiepreise und Konflikte um fossile Energieträger auf Grund weltweit erhöhter Nachfrage einerseits und extreme Wetterereignisse als Teil des Klimawandels andererseits, zeigen nachdrücklich die Notwendigkeit auf, durch Energieeinsparung, erhöhte Energieeffizienz und durch den forcierten Einsatz regenerativer Energien eine nachhaltige Energiewirtschaft zu erreichen. Eine solche Umstrukturierung der Energiewirtschaft reduziert die Abhängigkeit von Energieimporten, erhöht die innerstaatliche Wertschöpfung und vermindert durch ihre Dezentralität die Anfälligkeit unserer Energieversorgung und Leitungsverluste.
Atomtechnik ist Steinzeittechnologie
Trotz vieler Jahrzehnte Forschung und Entwicklung gibt es bis heute keine Lösung für die Sicherheitsprobleme von Atomkraftwerken. Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass das Risiko eines schweren Unfalls mit massiver Freisetzung von Radioaktivität bei keinem, auch keinem deutschen, Atomreaktor ausgeschlossen werden kann. Am unsichersten und störanfälligsten sind die ältesten Anlagen, die in dieser Legislaturperiode vom Netz gehen werden. Aber auch das niedersächsische AKW Esenshamm mit einer dünnwandigen Reaktorkuppel ist in besonderer Weise verwundbar gegenüber Terrorangriffen. Insbesondere diese terroristische Bedrohung hat aus dem Restrisiko ein Risiko werden lassen, dass dauerhaft nicht akzeptiert werden kann.
In diesem Jahr jährt sich der Reaktorunfall von Tschernobyl zum zwanzigsten Mal. Das, was angeblich nie passieren durfte und nie passieren konnte, ist traurige Realität geworden. Weite Landstriche sind für Menschen unbewohnbar geworden und das wahre Ausmaß dieser Katastrophe – in menschlicher und ökonomischer Hinsicht - wird von offiziellen Stellen bis heute kleingeredet und kleingerechnet.
Wie die sichere Lagerung von Atommüll aussehen soll, steht bis heute in den Sternen. Die Atomgemeinde versucht seit Jahrzehnten eine nicht rückholbare Versenkung im Gorlebener Salzstock durchzusetzen, der in erster Linie anhand politischer Kriterien als Standort ausgewählt wurde.
Die Produktion von Strom aus Uran ist immer mit hohen staatlichen Subventionen verbunden gewesen. Bis zum heutigen Tag übernimmt der Staat den allergrößten Teil der Haftpflichtversicherung und stellt die Entsorgungsrückstellungen steuerfrei.
Atomkraftwerke können nur Strom produzieren. Die Wärme gelangt ungenutzt in Flüsse und Atmosphäre. Deshalb haben moderne Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen heute eine bis zu dreifach höhere Energieeffizienz.. Das Interesse der Atomkonzerne an einem Weiterbetrieb alter abgeschriebener Anlagen gehorcht einseitigen betriebswirtschaftlichen Interessen, weil er ihnen enorme Zusatzgewinne beschert. Zudem wird immer wieder unterschlagen, das auch Uran ein endlicher Rohstoff ist.
Proliferation von Atom - Know How und Material gefährdet Weltfrieden
Die Begrenzung der Nutzung von Atomenergie auf die so genannte friedliche Nutzung hat sich als Illusion erwiesen. Fakt ist, dass immer mehr Schwellenländer zum Bau von Atomwaffen und Trägersystemen in der Lage sind. Das bedroht den weltweiten Frieden in bisher nicht bekannten Dimensionen. Schuld ist nicht zuletzt die Weiterleitung von Know How und Material aus der so genannten friedlichen Nutzung der Atomenergie. Gerade die Situation im Iran zeigt, dass der Atomwaffensperrvertrag ein zahnloser Tiger geworden ist.
Wettbewerb am Energiemarkt durchsetzen
Im deutschen Elektrizitätsnetz kontrollieren die vier großen Energieunternehmen rund 90 Prozent der Kraftwerke und über 70 % des Absatzes an die Endverbraucher. Auch die großen Übertragungsnetze befinden sich in ihrem Eigentum und sichern ihnen eine außergewöhnlich hohe Rendite.
Das neue Energiewirtschaftsgesetz schreibt zwar eine möglichst weitgehende buchhalterische, informationelle, operationelle und gesellschaftsrechtliche Entflechtung vor, die von den Unternehmen bis zum 1. Juli 2007 umgesetzt werden muss. Dennoch bleibt durch die gemeinsame Holding die Interessenverflechtung zwischen Netz und Stromerzeugung bestehen und ermöglicht einen Konkurrenzvorteil für das Schwesterunternehmen bei der Durchleitung von Strom. Der weitergehende Schritt, nämlich die eigentumsrechtliche Trennung, konnte bei der Novellierung nicht durchgesetzt werden. In zahlreichen EU-Staaten wie z.B. in Dänemark und den Niederlanden gibt es jedoch bereits eine eigentumsrechtliche Entflechtung bzw. weitgehende Vorbereitungen dazu. Nur durch eine solche eigentumsrechtliche Trennung der Netze von den Energieerzeugungsunternehmen ist eine tatsächliche Neutralität in der Durchleitung von Strom verschiedener Anbieter zu erzielen. Nur ein solcher Schritt garantiert letztlich Wettbewerb und marktgerechte Preise ohne Monopolgewinne und diskriminierungsfreien Zugang zu den Netzen durch klein- und mittelständische Anbieter.
Potenziale für Energiesparen nutzen
Die Industrienationen mit einem Viertel der Weltbevölkerung verbrauchen ca ¾ der gesamten Energie weltweit und tragen daher in besonderer Weise zum Klimawandel bei. Energieeinsparung in erheblichem Umfang ist gerade in den Industrienationen erforderlich, um die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu reduzieren und den Klimawandel abzumildern. Wenn das ehrgeizige Ziel erreicht werden soll, den Primärenergieeinsatz in der Bundesrepublik langfristig um mindestens 50% zu reduzieren, müssen bis 2020 etwa 25 % eingespart werden. Erhebliche Energieeinsparpotenziale können insbesondere durch die energetische Sanierung im Altbaubestand und den verstärkten Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung erschlossen werden. Zudem ist durch die Weiterentwicklung im Technologiebereich ein hohes Energieeffizienzpotenzial im Strom- und Wärmebereich zu erschließen.
Wettbewerb Energiesparkommune
das Beispiel des Wettbewerbs "Fahrradfreundlichste Stadt" zeigt, dass Wettbewerbe erhebliche Innovationspotenziale erschließen können, die Niedersachsen nutzen muss, um im Bereich Energiesparen Vorreiter zu werden. Die Regeln für den Wettstreit um die "Energiesparendste niedersächsische Kommune" sollen, analog z.B. der Solarbundesliga, von einem unabhängigen Gremium formuliert werden.
Bioenergie: Ein Dorf auf dem Weg in die Zukunft
Der zentrale Ansatz des Bioenergiedorfs Jühnde ist es, beispielhaft in einem Dorf die gesamte Wärme- und Stromversorgung auf den erneuerbaren Energieträger Biomasse umzustellen. Strom und Wärme werden über ein Blockheizkraftwerk sowie über ein Heizwerk auf der Basis von Holzhackschnitzeln erzeugt. Um das erarbeitete Wissen auf möglichst viele andere Dörfer übertragen zu können, ist eine Beratungsförderung erforderlich.
Altbausanierung
Das von der Bundesregierung beschlossene CO2-Gebäudesanierungsprogramm mit einem Umfang von 1,5 Milliarden Euro pro Jahr wird zu einer besseren Energieeffizienz von Gebäuden beitragen. Nicht nur sozialpolitisch ist die Senkung von Heizkosten von Bedeutung. Die angebotenen Mittel müssen auch möglichst schnell für Wertschöpfung und Beschäftigung in Niedersachsen eingesetzt werden.
Verbraucherrechte stärken
Das Bedürfnis nach unabhängiger und neutraler Energieberatung hat zugenommen. Dabei sind einmalige, zeitlich begrenzte Aktionen zweifellos wichtig, ersetzen aber keineswegs die erforderliche kontinuierliche Beratung vor Ort mit öffentlichkeitswirksamer Präsenz. Die Verbraucherzentralen sind ein bekannter und akzeptierter Partner in diesem Bereich.
Fraktionsvorsitzender

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