:Antrag: Atomare Endlagerkonzepte in der Krise: Desaströse Entwicklung bei „Versuchs“-Endlager für Atommüll in Asse II stoppen! Internationales Endlagerhearing einberufen!

 

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt mit großer Besorgnis fest, dass für die im "Versuchs"- Endlager für Atommüll Asse II bei Wolfenbüttel gelagerten radioaktiven Abfälle derzeit ein dauerhaft sicherer Abschluss von der Biosphäre als nicht gewährleistet angesehen werden muss.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass zur Sicherheit und zur Stilllegung von Asse II ein atomrechtliches Planfeststellungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt wird. In diesem Planfeststellungsverfahren müssen alle Optionen zum Schutz der Biosphäre umfassend geprüft werden. Die laufenden Arbeiten zur Verfüllung der Stollen mit Magnesiumfluorid sind sofort zu stoppen.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, in Hannover ein großes internationales Endlagerhearing durchzuführen, um mit internationalen Experten die neuesten Forschungsergebnisse und Sicherheitsanforderungen für atomare Endlager zu bewerten und zu beraten.

     

Begründung

Im ehemaligen Salzbergwerk Asse II bei Wolfenbüttel wurden im Auftrag des Bundes zwischen 1967 und 1978 etwa 125.000 Fässer mit schwachradioaktivem und 1300 Fässer mit mittelradioaktivem Abfall durch die GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit (ehemals: Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung) eingelagert. Das radioaktive Inventar des so genannten Versuchsendlagers Asse ist größer als das des Endlagers Morsleben. Bis 2013 ist die endgültige Stilllegung anvisiert.

Asse II ist ein ehemaliges Salzgewinnungsbergwerk, das aus heutiger Sicht als Endlager für radioaktive Stoffe völlig ungeeignet ist. Hauptprobleme sind der hohe Durchbauungsgrad, erhebliche Salzlösungszutritte unbekannter Herkunft und das Vorkommen leichtlöslicher Kalisalze im Kernbereich des Grubengebäudes. Im schlimmsten Fall kann es zum unkontrollierten Absaufen des Endlagers kommen.

Aktuell ist die Sicherheit von Asse II nicht mehr gewährleistet. Seit mindestens 20 Jahren sickert eine Salzlösung in das Endlager. Die Herkunft und der exakte Verbleib der Flüssigkeit sind bislang ungeklärt. Die eindringende Salzlösung kann die eingelagerten Fässer angreifen und Radionuklide herauslösen. Da die Asse von verschiedenen grundwasserleitenden Gesteinsformationen umgeben ist, kann der Kontakt der Salzlösung zum Grundwasser nicht ausgeschlossen werden. Auf diesem Weg kann Radioaktivität ins Grundwasser gelangen.

Das zuständige Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit (GSF) hat mit der Einbringung gesättigter wässriger Magnesiumchloridlösung in den tieferen Bereichen der Asse begonnen. Bislang liegen jedoch keine Genehmigungen für solche Maßnahmen vor – weder nach Bergrecht noch nach Atomrecht. Es ist daher davon auszugehen, dass die derzeit laufenden Maßnahmen rechtlich nicht zulässig sind.

Die Lauge soll nach Auffassung der GSF die Standfestigkeit des Grubengebäudes stabilisieren. Danach soll das Forschungsendlager umgehend geschlossen werden. Der Zustand der Müllfässer derzeit nicht überwacht, noch ist zukünftig ein entsprechendes Monitoring geplant. Einen adäquaten Sicherheitsnachweis für die Wirksamkeit dieses Vorgehens hat das GSF bislang nicht erbringen können.

Experten zweifeln an, dass die geplanten Maßnahmen das Problem wirksam beheben können. Einige gehen sogar davon aus, dass das von der GSF anvisierte Vorgehen das Gefahrenpotential noch erhöht. Das Eintreten von Flüssigkeiten in das Endlager ist generell brisant, egal ob Salzlösung oder Magnesiumchloridlauge. Beides kann die Korrosion der Fässer erheblich beschleunigen. Offenbar wurde bislang auch viel Wert auf eine möglichst "billige" Lösung gelegt. Diese Lösung könnte sich aber langfristig als extrem teuer erweisen.

Das Endlager Asse wurde seinerzeit lediglich nach Strahlenschutzverordnung genehmigt, so dass – anders als heute gesetzlich gefordert – ein Nachweis der Langzeitsicherheit vor der Inbetriebnahme nicht erbracht werden musste. Erst jetzt, im Verfahren für die endgültige Sicherung und Stilllegung, soll der Nachweis der Langzeitsicherheit geführt werden. Das Genehmigungsverfahren soll dabei nicht nach Atomrecht, sondern nach Bergrecht durchgeführt werden. Dabei bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens, die auch durch ein Gutachten des GBD untermauert werden. Bergrecht hebelt insbesondere die Beteiligung der Öffentlichkeit aus und reduziert sie weitgehend auf niedrigschwellige "freiwillige" Maßnahmen. Das widerspricht heutigen Maßstäben von Partizipation und Öffentlichkeit. Eine juristische Überprüfung der getroffenen Entscheidungen wird im Bergrecht zusätzlich erschwert.

Eine Stilllegung nach Atomrecht würde ein Planfeststellungsverfahren erfordern. Dabei müssten alle Möglichkeiten zur Sicherung und Stabilisierung von Asse II geprüft und gutachterlich untersucht werden. Nach derzeitigen Erkenntnissen zeichnet sich ab, dass eine umfassende und langfristige Sicherheit für die Biosphäre nur durch Rückholung der Abfälle gewährleistet werden kann. In Anbetracht der Zeiträume für die absolute Sicherheit zu gewährleisten ist, kann eine Schließung im Hauruckverfahren ohne substantielle Öffentlichkeitsbeteiligung keinesfalls toleriert werden.

Die Situation im Lager Asse II und Morsleben dokumentiert, dass die Sicherheitskriterien der Vergangenheit nicht einmal für eine einzige Generation Sicherheit zu gewährleisten vermochten. Ganz zu schweigen von einem Abschluss des radioaktiven Mülls für die eigentlich notwendige 1 Million Jahre. Die Standorte für geplante Endlagerstandorte in Gorleben und Schacht Konrad sind seinerzeit nach ähnlich hemdsärmeligen Verfahren ausgewählt worden. Dabei haben oft die gleichen "Experten" am Tisch gesessen, die für die krassen Fehleinschätzungen bei Asse II Verantwortung tragen. Eine bundesweit vergleichende Suche nach dem besten aller verfügbaren Standorte für ein Endlager, wie vom Arbeitskreis Endlager (AK End) vorgeschlagen, hat bislang nicht stattgefunden. Klagen gegen Schacht Konrad wurden kürzlich vom höchsten deutschen Verwaltungsgericht zurückgewiesen. Allerdings ist mit weiteren gerichtlichen Auseinandersetzungen vor dem Bundesverfassungsgericht bzw. dem EUGH zu rechnen. Teilweise liegen bereits Klagen vor.

Internationale Sicherheitsanforderungen der IAEA oder der OECD erlauben heute kein Verfahren, in denen nicht von Anfang an Transparenz und Bürgerbeteiligung Priorität haben. In Schweden hat man bspw. Verfahren mit einem hohen Maß an Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen. Das ist bei deutschen Endlagerprojekten bisher sträflich vernachlässigt worden. 15 Jahre nach der letzten Anhörung zur Endlagersuche und angesichts der Erfahrungen mit Asse II ist es daher an der Zeit, sich neuen Erkenntnissen und Anforderungen öffentlich zu stellen. Die Entscheidung für ein Endlager für radioaktiven Müll, der 1 Million Jahre gefährlich bleibt, kann nur getroffen werden, wenn in einem nachvollziehbaren Verfahren der relativ beste Standort gesucht und gefunden wird. Nach dem Desaster bei Asse II kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

Stellv. Fraktionsvorsitzende

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