Antrag: Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Hannover, den 31.10.2012

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ist ein Sondergesetz und schon aus grundsätzlichen, menschenrechtlichen Erwägungen heraus abzulehnen, weil es Asylsuchende von der Sozialhilfe und der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausschließt und diese in nicht hinzunehmender Weise diskriminiert sowie von gesellschaftlicher Teilhabe ausschließt. Auch das Bundesverfassungsgericht hat durch sein Urteil vom 18. Juli 2012 für Recht erkannt, dass wesentliche Regelungen des AsylbLG nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, unverzüglich für den Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes eine Neuregelung zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums zu treffen.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, die auf die Abschaffung des AsylbLG gerichtete Bundesratsinitiative der Länder Rheinland-Pfalz, Brandenburg und Schleswig-Holstein zu unterstützen. Der Kreis der Leistungsberechtigten nach SGB II (für erwerbsfähige Personen) und SGB XII (für nicht erwerbsfähige Personen) ist um die bisher nach dem Asylbewerberleistungsgesetz leistungsberechtigten Personen zu ergänzen. Soweit dies zu einer finanziellen Mehrbelastung der Kommunen führt - Bildungs- und Teilhabepaket -, hat der Bund dies auszugleichen.

Begründung

Das AsylbLG trat mit Wirkung vom 1. November 1993 als sogenannter „Asylkompromiss“ in Kraft und wurde seitdem mehrmals geändert. Es definiert erstmals Personengruppen von Ausländern, die im Falle der Hilfebedürftigkeit keine Leistungen der Sozialhilfe (bzw. der Grundsicherung für Arbeitsuchende) zur Sicherung des Lebensunterhalts erhalten, sondern nur die erheblich geringeren Leistungen nach dem AsylbLG. Damit sollten die öffentlichen Haushalte entlastet und ein angeblich bestehender Anreiz zum Zuzug in die Sozialleistungssysteme, der nie nachgewiesen wurde, eingeschränkt werden. Insgesamt handelt es sich bei den Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz um Personen, die zwar alle kein Daueraufenthaltsrecht, ansonsten aber einen sehr unterschiedlichen Aufenthaltsstatus haben und deren Aufenthalt in Deutschland auf unterschiedlichen Lebenssituationen beruht und bei denen die Dauer des Aufenthaltes nicht grundsätzlich als kurzfristig bezeichnet werden kann.

Die Leistungen nach dem AsylbLG werden regelmäßig in Form von Gutscheinen oder Sachleistungen ausgegeben. Das erfordert zum Einen erhöhten bürokratischen Aufwand mit den damit verbundenen Kosten und diskriminiert zum Anderen die EmpfängerInnen, die bei der Einlösung der Gutscheine stigmatisiert werden und finanzielle Einbußen haben. Niedersachsen zeigt sich diesbezüglich besonders restriktiv und hält entgegen der Praxis in anderen Bundesländern weiterhin uneingeschränkt am Gutscheinsystem fest.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 18. Juli 2012 festgestellt, dass für den betroffenen Personenkreis nicht von einem nur kurzen Aufenthalt und einem niedrigeren Bedarf auszugehen ist. Das jederzeit zu sichernde menschenwürdige Existenzminimum sei durch das AsylblG nicht gewährleistet. Es sei auch nicht zulässig, Leistungen an Asylsuchende und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen zu vermeiden. Die vom Bundesverfassungsgericht für eine verfassungsgemäße Leistungsgewährung vorgegebene Höhe der Leistungssätze orientiert sich an den bestehenden Regelungen nach dem Sozialgesetzbuch. Es liegt also nahe, die Personengruppen des AsylbLG in die allgemeinen Sozialleistungssysteme einzubeziehen und die dort geltenden Maßstäbe anzulegen. Konsequenterweise stünde dann der Bund bis auf die Kosten der Unterkunft sowie die Kosten für die Mehrbedarfe in der Kostenverantwortung und auch die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket wären zu gewähren. Das entspräche der allgemeinen Kostenverteilungsregelung für die aus dem Sozialstaatsprinzip resultierende Sicherstellungsverpflichtung des Existenzminimums.

 

Stefan Wenzel

Fraktionsvorsitzender

Zurück zum Pressearchiv