Antrag: Appell an den Bundespräsidenten, die gegen ihn gerichteten Vorwürfe endlich auszuräumen

Der Landtag möge beschließen:

Der Landtag appelliert an den früheren Ministerpräsidenten und heutigen Bundespräsidenten Christian Wulff, von der Möglichkeit des Art. 40 III NV Gebrauch zu machen und den niedersächsischen Staatsgerichtshof um eine Überprüfung zahlreicher gegen ihn gerichteter Vorwürfe über Rechts- und Verfassungsverstöße zu ersuchen.

Begründung:

Der heutige Bundespräsident und frühere Niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff sieht sich gegenwärtig einer Reihe von Vorwürfen ausgesetzt. So hat er nach Auffassung zahlreicher Beobachterinnen und Beobachter gegen Art. 24 I NV verstoßen, als er dem Landtag auf eine Anfrage hin die massive Beteiligung des Landes an der Durchführung des Nord-Süd-Dialogs verschwieg. Expertinnen und Experten sehen außerdem seine von der Firma Zentis bezahlte Reise zum Münchener Filmball, wenige Wochen nachdem er vor der Firma einen Vortrag hielt, als einen Verstoß gegen das niedersächsische Ministergesetz an. Trotz gegenteiliger Behauptungen der niedersächsischen Landesregierung ist der Rechtsverstoß bislang nicht ausgeräumt.

Im Zusammenhang mit der Verneinung jeglicher geschäftlicher Beziehung zwischen Herrn Wulff und Herrn Geerkens und dem angeblich von Frau Geerkens bereit gestellten Kredit  in Höhe von 500.000 € hat die Landesregierung die Antwort auf wichtige Fragen verweigert. Eigenen Angaben von Herrn Geerkens zufolge hat er den anonymen Scheck persönlich an Herrn Wulff überreicht. Die Herkunft des Geldes ist bislang nicht geklärt. Zudem ist offen, ob das Geld in Deutschland oder in der Schweiz versteuert wurde. Herr Geerkens bezeichnete sich anlässlich der Teilnahme an drei Reisen mit Wirtschaftsdelegationen des Ministerpräsidenten als "Private Investor" und "Familienunternehmer". Zudem war Herr Geerkens Vermieter einer Kanzlei, der Herr Wulff als Außensozius noch angehörte.

Kürzlich stellte sogar der stellvertretende Ministerpräsident Jörg Bode fest: "Die Aussage, die damals im Landtag getätigt wurde, war schlicht falsch. Da gibt es kein Vertun!" (6.2.2012) Auch bei der Inanspruchnahme eines Ferienhauses des Managers Wolf-Dieter Baumgartl in Norditalien durch Christian Wulff und seine Ehefrau Bettina muss ein Amtsbezug vermutet werden. Wolf-Dieter Baumgartl war damals Aufsichtsratsvorsitzender des Versicherungskonzerns Talanx. Den Bezug zum Amt sehen viele insbesondere dadurch als erfüllt an, dass Wulff sich für bestimmte Interessen der Versicherungswirtschaft eingesetzt hat.

In einem anderen Fall, bei der Annahme des Flugupgrades von Air-Berlin, hatte der Ministerpräsident im Winter 2010 selbst einen Verstoß gegen das Ministergesetz eingeräumt, obwohl damals noch nicht einmal der Verdacht einer Gegenleistung durch den Ministerpräsidenten im Raum stand.

Schließlich tauchten im Zusammenhang mit zwei Urlauben von Christian Wulff auf Sylt auf Einladung des Filmunternehmers David Groenewold weitere Vorwürfe auf. So werten viele Beobachterinnen und Beobachter diese Urlaube ebenfalls als Verstoß gegen das niedersächsische Ministergesetz, da der Unternehmer Groenewold von einer Landesbürgschaft des Landes Niedersachsen profitiert hat.

Die Niedersächsische Verfassung schreibt vor, dass die Landesregierung nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig auf Fragen von Abgeordneten zu antworten hat. Nach Auffassung von Juristen liegt ein Amtsbezug und damit ein Verstoß gegen das Ministergesetz bereits dann vor, wenn das Amt des Ministerpräsidenten zumindest mitursächlich für eine Vorteilsgewährung war. Darüber hinaus ist einem Ministerpräsidenten als Amtsträger auch nach dem Strafgesetzbuch eine Vorteilsannahme untersagt.

Die schwebenden und über lange Zeit nicht ausgeräumten Vorwürfe schwächen und beschädigen das Amt des Bundespräsidenten. Sie beschädigen das Rechtsempfinden der Bürgerinnen und Bürger und damit auch unseren demokratischen Rechtsstaat in bislang nicht bekannter Art und Weise. Herr Wulff hätte selbst die Möglichkeit, diese Vorwürfe wirksam mit einem Prüfungsersuchen beim niedersächsischen Staatsgerichtshof auszuräumen. Da er selbst weiterhin jeden Rechtsverstoß bestreitet, müsste er diesem gerichtlichen Verfahren mit großer Gelassenheit entgegensehen können.

Fraktionsvorsitzender

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