Anne Kura: Rede zur Regierungserklärung „Zukunft der Volkswagen AG und des Automobilstandortes Niedersachsen“

Rede Anne Kura© Plenar TV

Erwiderung auf die Regierungserklärung durch den Ministerpräsidenten „Zukunft der Volkswagen AG und des Automobilstandortes Niedersachsen“

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg*innen,

über Generationen war für viele Menschen in unserem Land das erste eigene Auto ein VW: Käfer, Golf oder Polo. Volkswagen hat wie keine andere deutsche Automarke moderne Technik für alle Bevölkerungsschichten bezahlbar gemacht.

Die Marke Volkswagen steht für Zuverlässigkeit und Fortschritt für die breite Bevölkerung. Das ist die DNA des Unternehmens.

Dafür steht VW. Nicht für das Festhalten an alter Technik.

Vom wirtschaftlichen Erfolg von VW profitieren in der Bundesrepublik und besonders in Niedersachsen viele: die über 120.000 Beschäftigten, die Zulieferer, die Regionen, in denen die Wertschöpfung entsteht, die Eigentümer – und nicht zuletzt wir alle.

Wir wollen, dass das so bleibt.

VW hat schon viele Krisen und Umbrüche erfolgreich bewältigt. Erfolgreich, weil der Konzern immer mit Mut, Tatkraft und Innovation, aber auch mit Zusammenhalt geantwortet hat. Diesen Geist brauchen wir auch, um den aktuellen Strukturwandel zu meistern. Auch dank der Innovationskraft einer der forschungsstärksten Regionen Europas musste in Deutschland noch nie ein Werk geschlossen werden. Stattdessen haben die gefundenen Lösungen das Unternehmen langfristig stärker gemacht.

Mit dieser VW-DNA kann auch die gegenwärtige Krise gemeistert werden.

Für uns ist klar: die Standorte im Land müssen erhalten bleiben. Wir stehen hier an der Seite der Beschäftigten –in Wolfsburg, Hannover, Braunschweig, Salzgitter, Emden und Osnabrück.

Richtig ist: Das Unternehmen und vor allem die Kernmarke ist in einer Krise: Eine Krise, die nicht nur VW betrifft. Das hat der Ministerpräsident erläutert. Die Absatzflaute in Folge der schwächelnden Konjunktur und dem abrupten Ende der Umweltprämie setzen besonders VW als Volumenhersteller stark zu. Doch es gibt auch hausgemachte Ursachen, die man benennen muss, um Fehler nicht zu wiederholen.

Anrede,

Krisen kann man nur mit einer ehrlichen Bestandsanalyse erfolgreich meistern.

Dass die Krise VW besonders hart trifft, liegt auch an schweren Fehlern der Unternehmensführung in der Vergangenheit. Fehler, die gegen die DNA des Unternehmens liefen. Und die VW bis heute belasten.

Als Erstes das Verschlafen der E-Mobilität. Insbesondere unter Piech und Winterkorn wurde der Antrieb der Zukunft verschlafen.

Das war das Gegenteil von Fortschritt.

VW hat zu spät, zu zaghaft und zu begrenzt auf E-Autos gesetzt. Das rächt sich heute doppelt:

Verbrenner haben es im Exportmarkt – insbesondere in China – immer schwerer. Und weil VW im Zukunftsmarkt Elektro noch keine entsprechende Marktposition erringen konnte, kompensieren die Zuwächse bei Elektro die Rückgänge insgesamt bislang nicht.

Als Zweites: der Dieselbetrug. Das war das Gegenteil von Zuverlässigkeit.

Der Dieselbetrug hat den Konzern mittlerweile mehr als 30 Milliarden Euro gekostet. Würde dieses Geld für Investitionen zur Verfügung stehen, könnte der notwendige Strukturwandel offensiv aus einer Position der Stärke gelingen und müsste nicht unter so hohem Kostendruck erfolgen.

Und wenn statt auf die Entwicklung von Betrugssoftware, auf die Entwicklung eines einheitlichen Betriebssystems für E-Autos gesetzt worden wäre, dann wäre VW heute Vorreiter und nicht in der Situation, vermehrt auf die Kompetenz anderer setzen zu müssen. Vom Imageschaden ganz zu schweigen.

Und drittens hat die Modell-Strategie, immer stärker auf eine Oberklassemodelle zu setzen, die Bezahlbarkeit für Viele erschwert. Das stand im Widerspruch zur Identität als Volks-Wagen.

Dass der Vorstand dies auch beim E-Auto getan hat, widersprach nicht nur der DNA des Unternehmens – sondern auch dem Bedarf auf dem europäischen Markt. Es fehlen E-Autos unter 20.000, unter 25.000 Euro. In diese Lücke drängen jetzt andere.

Aber diese Fehler sind mittlerweile erkannt und sie werden korrigiert. Übrigens auch dank der Vertreter des Landes im Aufsichtsrat in den letzten Jahren: Stephan Weil, Bernd Althusmann, Olaf Lies und Julia Hamburg.

Das Thema ist zu wichtig für kleinkarierte politische Profilierung auf dem Rücken des Unternehmens, der Beschäftigten bei VW und der gesamten Branche. Das ist gewiss kein Zeichen von Größe. Morgen steht über einem Antrag der CDU „Es braucht das Aus vom Verbrenner-Aus“. Sie hätten ihn auch gleich „Hü und Hott“ nennen können. Das ist das Gegenteil von Zuverlässigkeit.  

Anrede,

Heute ist die Hälfte der Konzern-Modelle E-Autos. Und: VW arbeitet intensiv daran, so schnell wie möglich ein günstiges Erfolgsmodell auf die Straße zu bringen.

Jetzt während der Aufholjagd den Rückwärtsgang einzulegen, wie die CDU fordert, wäre fatal. Dann droht der Totalschaden.

Es ist schon traurig, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, dass Ihre einzige Antwort auf die Krise des wichtigsten Unternehmens im LandRealitätsverweigerung ist.

Das zu lange Festhalten am Verbrenner ist die Ursache vieler Probleme bei VW – und die CDU schlägt genau DAS als Lösung vor. Löschen Sie auch Feuer mit Benzin?

Wer zukünftig noch Autos in China verkaufen will, der muss konkurrenzfähige E-Autos bauen. Auch in den USA ist der Verbrenner ein Auslaufmodell. Ab 2035 dürfen in einem Drittel der Bundesstaaten keine reinen Verbrenner mehr verkauft werden. Die Märkte für diese Autos werden immer begrenzter. Wo soll VW dann noch Autos verkaufen? In Russland?

Keine Grenzen kennt die Realitätsverweigerung des CDU-Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten beim Klimaschutz. Die Folgen der Klimakrise kommen uns schon heute teuer zu stehen. Das Hochwasser Anfang des Jahres in Niedersachsen ist im Vergleich zu dem, was wir gerade in Polen, Österreich, Rumänien und Tschechien beobachten mussten, ja noch glimpflich abgelaufen.

Wir schützen mit klimaneutralen Antrieben nicht das Klima, wir schützen uns – und die und was wir lieben. Der Verbrenner ist nicht die Zukunft, er verbrennt sie nur.

Anrede,

es ist auch deshalb richtig, dass VW an seiner Elektrostrategie festhält. Der größte Fehler, den VW jetzt machen kann, wäre auf die CDU zu hören. Es ist dieses Hin und Her, was die Unternehmen beklagen, weil sie verlässliche Rahmenbedingungen brauchen.

Um Unternehmen im Strukturwandel zu unterstützen, müssen politische Entscheidungen verlässlich sein und der Staat aktiv in die Zukunft investieren: Das gilt besonders für die Förderung der E-Mobilität, für die sich übrigens auch der Kollege Althusmann immer stark gemacht hat, und die Dank Ihres Pyrrhussiegs in Karlsruhe plötzlich nicht mehr finanziert werden konnte.

Wer glaubt, Merz und Lindner wären die Zukunft der deutschen Wirtschaft, der glaubt auch an das Comeback der Dampflok inklusive Heizer. Was wir stattdessen brauchen, ist eine Reform der Schuldenbremse.

VW ist ein Eckpfeiler des Industriestandorts Deutschland. Und damit das so bleibt, braucht das Unternehmen verlässliche Rahmenbedingungen und einen gemeinsamen Kurs von Vorstand und Beschäftigten. 

Ich kann den Unmut der Arbeitnehmer*innen über das provokante Vorgehen des Vorstands gut verstehen. Der notwendige Strukturwandel darf nicht einseitig auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden. Sie werden sich an den Standorten nicht gegeneinander ausspielen lassen. Erfolgreicher Strukturwandel geht nur mit der Belegschaft. Gerade die Mitbestimmung ist Teil der Erfolgsgeschichte Volkswagens. In der Krise gilt es sich auf seine Stärken zu besinnen – und Mitbestimmung ist eine Stärke von VW. Deshalb müssen alle Beteiligten an einen Tisch und eine Lösung finden.

Ich bin froh, dass das Land VW dabei unterstützen wird.

Wir erwarten, dass der Vorstand auf eine Strategie für eine nachhaltige Zukunft von VW setzt.

Wir erwarten, dass VW auch seine Innovationskraft nutzt, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu steigern – durch technische Fortschritte bei Batterien über Software bis hin zum autonomen Fahren.

Wir erwarten vom Bund verlässliche Rahmenbedingungen: Keine Strohfeuer, sondern eine berechenbare Stärkung des Marktes für Elektrofahrzeuge – auch für die privaten Haushalte und preiswerte Modelle: für Kauf und Leasing, hier lohnt sich die Diskussion über Modelle wie Social Leasing. Und eine Steuerreform, die das Fahren von E-Autos noch attraktiver macht.  

Wir erwarten, dass die Ladeinfrastruktur ausgebaut und bürokratische Hürden gesenkt werden. Dass es leichter möglich ist, unkompliziert an Mehrfamilienhäusern zum Haushaltsstrompreis zu laden.

Anrede,

der Standort Niedersachsen bietet für die Zukunft von Volkswagen und der E-Mobilität beste Voraussetzungen. Gerade weil wir die erneuerbaren Energien und die Wasserstoffwirtschaft wie kein anderes Bundesland vorantreiben, hat VW hier in seine neue Gigafactory in Salzgitter investiert.

Das sind Grundsteine für eine positive Entwicklung. Sie müssen jetzt aber energisch weiterverfolgt werden, um sowohl die Stückkosten als auch die Preise zu senken.

Damit VW auch im Zeitalter der E-Mobilität für Fortschritt und Zuverlässigkeit steht – bezahlbar und nachhaltig.

Anrede,

in Krisen entscheidet sich die Zukunft. Wir wollen die erfolgreiche Industriegeschichte Niedersachsens mit Volkswagen fortschreiben.

Vor 50 Jahren entwickelte VW den Golf als Antwort auf eine der schwersten Absatzkrisen der Unternehmensgeschichte. Er wurde zum meistverkauften Auto aller Zeiten.

Weil er Fortschritt, Zuverlässigkeit und Bezahlbarkeit vereinte: Genau hier gibt es beim E-Auto noch eine Lücke.

Der VW-Markenvorstand Schäfer hat den „Volks-Stromer“ angekündigt. Richtig so.

Es braucht E-Volkswagen, der diesen Namen verdient: Einen Er-folgs-Stromer.

Das ist der Weg aus der Krise.

Und er ergänzt die VW-DNA von Fortschritt, Zuverlässigkeit und Bezahlbarkeit um Nachhaltigkeit.  

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