Anja Piel: Rede zur Regierungserklärung zur Zukunft der Windenergie

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr verehrter Herr Weil, sehr verehrter Herr Althusmann,

Zunächst einmal vielen Dank für die ausführliche und richtige Problembeschreibung - mein Problem ist allerdings, dass ich mich zunehmend darüber ärgere, dass in vielen Gesprächen der Eindruck entsteht, dass hier ein Problem vom Himmel gefallen ist und völlig unverhofft die Landesregierung in Hannover erreicht hat. Dabei wissen Sie, Herr Weil und Herr Althusmann, dass es sich ganz anders verhält und Ihre Kollegen in der Bundesregierung und insbesondere im CDU-geführten Wirtschaftsministerium die Energiewende sehenden Auges und ohne jede Rücksicht auf Arbeitsplatzverluste vor die Wand fahren. Das haben Sie schon bei der Photovoltaik getan, und jetzt geht es der Windenergie an den Kragen:

Ausschreibungspflicht, Ausbaukorridore, Netzausbaugebiete – jede dieser bundespolitischen Schikanen hat Arbeitsplätze in der Windenergie gekostet. Das sind die Gründe für den Niedergang der Windenergie. Aber da erzähle ich Ihnen nichts Neues. Und deswegen schaue ich nicht nur verärgert nach Berlin, wo die Verantwortlichen sitzen. Sondern ich schaue Sie an. Sie sind die politischen Vertreter für Niedersachsen und damit mitverantwortlich für diese Entwicklung. Wo waren Sie, als die schwarz-rote Bundesregierung, Ihre Parteikollegen, den Untergang der Windenergie durch diese Maßnahmen beschlossen haben? Warum führen Sie Ihre nicht die Krisengespräche in Berlin?

Lieber Stephan Weil,

gestatten Sie mir ein persönliches Wort: Vom Regierungschef des Windenergielandes Nummer eins hätte ich wenigstens erwartet, dass er eindeutig und unmissverständlich Ross und Reiter für diese dramatische Krise benennt. Und die Verantwortlichen haben Namen: Sie sitzen in Berlin, Sie gehören der Bundesregierung an. Das sind Ihre Kolleginnen und Kollegen, die seit Jahren von Energiewende und Klimaschutz reden, aber das Gegenteil tun. Die nun beschlossene 1000-Meter-Abstandsregelung ist nur der finale Sargnagel. In den letzten drei Jahren sind 35 000 Jobs in der Windbranche verloren gegangen. Das ist ein Fünftel aller Stellen dieser Branche! Wie kann es sein, dass Sie jetzt erst wütend sind, auf das, was sich da abspielt?

Und lassen Sie uns bitte nicht die Schuld bei Enercon suchen. Wir wissen nicht erst seit gestern, dass Enercon Lücken lässt. Es ist keine Neuigkeit, dass die Gewerkschaften bei Enercon nicht gerne gesehen sind, dass es Probleme mit der Arbeitnehmervertretung gibt. Auch wir fordern seit Jahren mehr Mitbestimmung! Aber das ist nicht der Grund, weswegen die Windenergiebranche von Ihnen versenkt wird. 

Im Kern geht es doch um die Energiewende! Die Windenergiebranche wird von Leuten zu Fall gebracht, die in der Vergangenheit noch nie ein Interesse an einer anderen Klimapolitik hatten. Die die Energiewende schon immer scheitern lassen wollten. Hier wird eine klimafreundliche Energieversorgung mit Ansage kaltgestellt und Sie entwickeln gemeinsam nicht die Kraft, in Berlin auf den Tisch zu hauen und Herrn Altmeier, die GroKo und die Kanzlerin zur Rede zu stellen.

Herr Weil, Herr Althusmann,

es geht hier nicht um Kräftemessen zwischen Koalitionspartnern. Dem Klima sind die strategischen Spiele in Berlin egal. Aber wo ist Ihr gemeinsamer Einsatz, für eine echte Klimapolitik und die Beschäftigten? Bei der Transformation im Bergbau sind Sie doch auch immer laut zu hören. Ja, die Zukunft der Kohlekumpel muss uns wichtig sein. Aber das ist nur eine Seite der Energiewende. Bei der anderen Seite sind Sie ziemlich leise. Ihre Aufgabe ist es doch, neue Jobs an dieser Stelle zu sichern. Und das Gegenteil passiert hier gerade. Das sind zukunftsfähige Arbeitsplätze, die hier die Bundesregierung versenkt. Sie, Herr Althusmann und Herr Weil, Sie müssen sich entscheiden, ob Sie tatenlos zusehen wollen, wie Ihre Bundesregierung die Klimawende scheitern lässt. Nicht weniger als die Zukunft und der Erfolg der Windenergie stehen hier auf der Kippe.

Und mehr noch: Dass jetzt so viele Arbeitsplätze abgebaut werden, ist ein herber Schlag für die Beschäftigten und ihre Familien, aber auch für die Region und die niedersächsische Wirtschaft. Das Land Niedersachsen, ehemals Vorreiter in erneuerbare Energien, kommt wirtschaftlich dadurch in eine Notlage. Der Erfolg der Windenergie ist maßgeblich für die Standortpolitik. Und wenn erst wichtige Teile der Produktionskette ins Ausland verlegt worden sind, dann ist es zu spät für Verhandlungen. Deswegen sind Sie jetzt in der Pflicht zu handeln. Wenn Sie es nicht schaffen, die Rahmenbedingungen zu ändern, dann sind Sie diejenigen, die für diese Krise mitverantwortlich sind.

Konkret muss es also jetzt um einen Rettungsplan für die Windenergie und die Arbeitsplätze gehen. Dies wäre auch ein Rettungsplan für Ostfriesland. Dafür muss die geplante 1000-Meter-Abstandregelung gestoppt werden - dafür braucht es jetzt ein klares Signal. Wir brauchen konkrete Ziele für die Nutzung der Windenergie und müssen diese im niedersächsischen Klimaschutzgesetz verankern. Garantierte Einspeisevergütung, Befreiung von Ausschreibungspflicht, da müssen wir jetzt ran!

Und vor allem darf die politisch verursachte Krise nicht noch mehr Arbeitsplätze kosten. Deswegen muss Kurzarbeitergeld gezahlt werden und betroffene Betriebe und deren Beschäftigte unterstützt werden. Unsere große Solidarität gilt den Beschäftigten und ihren Familien. Aber wir möchten auch, dass Sie in Arbeit kommen und die Bremse in Berlin lösen. Vielen Dank!

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