Anja Piel: Rede zur Jugendhilfe (Antrag FDP)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

zunächst einmal möchte ich mich ganz herzlich bei der Kollegin Bruns bedanken, die dieses Thema hier auf die Tagesordnung gesetzt hat.

Es geht hier in erster Linie um die Schwierigkeiten sogenannten Careleaver. Das sind junge Menschen, die in der stationären Jugendhilfe aufwachsen und diese um den 18. Geburtstag herum verlassen. Das sind junge Menschen, die in den allermeisten Fällen anders als viele von uns mit viel weniger Hilfe gestartet sind:  kein oder kein guter Kontakt zu den Eltern, wenig Wertschätzung und Kontinuität und teilweise auch Gewalterfahrungen.

Mit 18 werden diese jungen Menschen nun in die Selbstständigkeit entlassen. Für die meisten von ihnen ein großer Schritt, den sie ohne familiäres Auffangnetz, dafür aber mit einem ordentlichen Paket auf den Schultern meistern müssen.

Und als ob das nicht schon schwierig genug ist, starten diese jungen Menschen komplett ohne finanzielle Absicherung in die Selbstständigkeit. Denn durch die Heranziehung in §94 SGB VIII haben sie faktisch keine Möglichkeit, Geld zu sparen.

Das ist nicht einfach nur eine falsche sozialpolitische Weichenstellung, die diesen Menschen noch weniger Teilhabe möglich macht. Es ist auch ein falscher Anreiz. Denn wer sucht sich schon eine Beschäftigung, wenn er drei Viertel seines Gehaltes abgeben muss?

Anrede,

ich hätte dem Antrag der FDP auch in der ursprünglichen Fassung zustimmen können, der eine ersatzlose Streichung der Kostenbeteiligung vorsah. Ich finde es auch willkürlich, über eine Beteiligung von 15, 30 oder 50% zu diskutieren. Oder über sinnvolle und nicht so sinnvolle Beschäftigung.

Fakt ist: dass Jugendliche für ihre eigenen Jugendhilfeleistungen herangezogen werden, ist eine aus der Zeit gefallene Absurdität der deutschen Sozialgesetzgebung.

Deshalb ist die Einigung, die wir nun mit allen Fraktionen im Sozialausschuss erreicht haben, ein wichtiger Schritt. Auch dafür ganz herzlichen Dank.

Die Landesregierung bekommt damit von uns den Auftrag, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die Heranziehung im SGB VIII neu geregelt wird – mit der klaren Zielrichtung die Jugendlichen zu entlasten.

Denn wenn diese jungen Menschen eines nicht gebrauchen können, dann sind es weitere Hindernisse auf ihrem Weg in ein normales Leben.

Vielen Dank.

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