Anja Piel: Rede zur CSU-Machtpolitik (Aktuelle Stunde GRÜNE)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

wir befinden uns offensichtlich im Wahlkampf. Am 14. Oktober wählt Bayern einen neuen Landtag und die CSU nimmt dafür nicht erst seit Ende letzter Woche die ganze Bundesrepublik in Haftung. Und die CSU rüttelt mit ihrem Verhalten an den Grundwerten Europas.

Mit seiner Ankündigung, im Alleingang geflüchtete Menschen an den Grenzen zurückzuweisen, hat Bundesinnenminister Seehofer nicht nur seinen begrenzten juristischen Sachverstand unter Beweis gestellt. Denn ein solches Vorgehen verstößt gegen eine Reihe völker- und europarechtlicher Abkommen, gegen die Dublin-Verordnung, gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und nicht zuletzt gegen das Grundgesetz mit seinem Grundrecht auf Asyl. Das haben außerhalb der CSU fast alle verstanden. Horst Seehofer hat mit seinem Vorgehen aber auch deutlich gemacht, dass er für ein paar Stimmen mehr in Bayern bereit ist, den europäischen Gedanken zu opfern und Deutschland in eine tiefe Regierungskrise zu stürzen.

München und Hannover sind zwar nicht durch eine Städtepartnerschaft verbunden, dennoch scheint es eine innige Verbindung zwischen der CSU in Bayern und Teilen der niedersächsischen CDU zu geben.

Derweil hier in Niedersachsen: Der stellvertretende Ministerpräsident Althusmann mischt sich ohne Not in die ohnehin unübersichtliche Debatte im Bund ein, indem er Horst Seehofer den Rücken stärkt.

Gleichzeitig legt die CDU-Fraktion ein Konzept für die Einrichtung von Anker-Zentren in Niedersachsen vor. Offensichtlich ohne jegliche Rücksprache mit dem Koalitionspartner. Herr Watermann hat ja den Unmut der SPD-Fraktion darüber per Pressemitteilung kundgetan.

Was halten Sie eigentlich von diesem Vorpreschen der CDU, Herr Pistorius? Und warum macht sich die Niedersachsen-CDU damit zu Horst Seehofers Erfüllungsgehilfen? Wir erinnern uns an das letzte Plenum: Gemeint sind mit diesen sogenannten Anker-Zentren faktisch Abschiebelager für geflüchtete Menschen. Diesen Plänen stellen wir uns entschlossen entgegen.

Anrede,

das alles wirft Fragen auf:

Wieviel CSU steckt eigentlich in der niedersächsischen CDU?

Wie steht der stellvertretende Ministerpräsident zum Grundgesetz, wie zu Europa?

Um welche Landtagswahl geht es hier eigentlich?

Und steht uns hier in Niedersachsen womöglich auch eine Regierungskrise ins Haus, wenn die CDU weiterhin versucht, den Koalitionspartner zu einem Richtungswechsel in der Migrationspolitik zu drängen?

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

wir haben in der letzten Legislaturperiode große Anstrengungen unternommen, um die Menschen, die vor allem 2015 und 2016 zu uns gekommen sind, unterzubringen, zu versorgen und die Grundlage für ihre Integration zu schaffen. Dazu hat maßgeblich auch das große ehrenamtliche Engagement der Menschen in Niedersachsen beigetragen. Niedersachsen hat angepackt und ich finde, wir können heute mit Fug und Recht sagen: Niedersachsen hat das gut gemacht!

Inzwischen sind die Geflüchteten im Land angekommen und zu Nachbarn geworden. Und die Niedersachsen sorgen sich nicht darum, dass Geflüchtete nach Deutschland einreisen könnten, die bereits in einem anderen EU-Staat einen Asylantrag gestellt haben. Sie sorgen sich eher um steigende Mieten, um fehlende Kitaplätze und um Altersarmut. Ich zumindest habe noch keine Demonstrationen mit Forderungen nach Ankerzentren erlebt. Und ich erhalte auch keine Emails von Menschen, die das von uns fordern.

Doch diese realen Sorgen stellt weder die CSU noch die Niedersachsen-CDU in den Mittelpunkt. Welche Wahl auch immer die CDU mit Populismus à la Bayern zu gewinnen glaubt - ihre politische Energie wäre besser investiert in Themen, die die Menschen in Niedersachsen wirklich beschäftigen.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

Sie wollen Stabilität hier in Hannover. Dafür sind Sie bei der Landtagswahl angetreten, dafür haben die Menschen Sie mit einem beachtlichen Ergebnis wiedergewählt. Diese Stabilität kriegen Sie nur mit einem klaren Bekenntnis zu einer menschen- und europarechtsbasierten Migrationspolitik.

Sie Herr Ministerpräsident, mit Ihrer SPD, sind die stärkste Kraft in Niedersachsen. Machen Sie das auch in der Politik deutlich und weisen Sie den CDU-Populismus in die Schranken.

Lassen Sie sich nicht den bayerischen Wahlkampf ins Land holen.

 

Zurück zum Pressearchiv