Anja Piel: Rede zur allgemeinpolitischen Debatte der Haushaltsberatungen 2019

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

es ist schön, heute mal den Anfang zu machen. Aber auch ein bisschen schade. Ich ahne ja schon, was von den regierungstragenden Fraktionen folgt. Wie oft wird Kollegin Modder dem „Herrn Ministerpräsidenten“ für diesen Haushalt danken? Wie oft wird Herr Kollege Toepffer die „gute Arbeit von Herrn Dr. Althusmann und seinem Finanzminister Hilbers“ hervorheben?

Und wie oft wird dabei das Wort „Königsrecht“ fallen? Es heißt ja so schön: „Der Haushalt ist das Königsrecht des Parlaments!“ Aber dieses Wort steht in keinem Zusammenhang mehr mit der Realität, die zu meinem Bedauern in dieses Haus eingezogen ist. Das Parlament wird hier doch ständig übergangen!

Und nun regen Sie sich nicht gleich auf, Frau Modder, Herr Toepffer! Schon klar, bei Ihnen kommen die Informationen ja rechtzeitig an. Es ist ja schließlich Ihr Job, in Ihren Fraktionen die nötigen Stimmen zusammen zu kratzen, wenn die Landesregierung mal wieder irgendwelche unausgegorenen Ideen durchs Parlament treibt. Die Unzufriedenheit ist in Ihren Reihen förmlich mit Händen zu greifen. Ich beneide Sie wahrlich nicht um Ihren Job.

Anrede,

zurück zum Königsrecht. Seit Neuestem weht in Niedersachsen ja wieder ein etwas muffiger royaler Wind. Wir hatten gehofft, dass der mit Wulff endgültig abgeflaut war.

Herr Weil, Sie standen lange im Ruf eines nüchternen Kämmerers und kühlen Sozialdemokraten. Und nun gefallen Sie sich auf einmal als Retter der plötzlich verarmten Welfen. Und kaufen ein Schloss. Ein Schloss, das Identität stiften soll. Ja, dient denn Landespolitik plötzlich der Selbstfindung?

Die Versuchung lockte Herrn Weil ja schon unter Rot-Grün. Aber damals hat die Landespolitik noch anders funktioniert. Da hatte dieser Ministerpräsident noch Kritiker an der Seite, die sich trauten, zu sagen: „Stephan, mach mal halblang.“

Halblang macht heute keiner mehr. Da wird die Verantwortung für ein Schloss übernommen, ohne die Kosten auch nur zu schätzen. Sie haben sich Tricks einfallen lassen, die so windig sind, dass sie die Marienburg locker von der Anhöhe wehen könnte. Sie wollten sich am Parlament vorbei selbst ein königliches Weihnachtsgeschenk machen. Aber wie es manchmal bei der vorweihnachtlichen Schnäppchenjagd passieren kann: der Deal fliegt ihnen jetzt um die Ohren.

Anrede,

mal ehrlich, das hätten Sie doch besser wissen müssen. Man kauft doch Immobilien dieser Größenordnung nicht einfach so. Man klärt doch vorher die Eigentumsverhältnisse. Man klärt, was man eigentlich kauft. Man klärt vorher die Risiken. Und erlauben sie mir in Ihrem Fall noch einen bescheidenen Zusatz: Man beteiligt in Ihrem Fall auch das Parlament. Es ist ja nicht Ihr eigenes Geld! Und Weihnachten hätte es nächstes Jahr auch wieder gegeben.

Anrede,

eigentlich kann einem der arme Minister Thümler leid tun. Da streicht er im vorauseilenden Gehorsam bei den Theatern der Kultur und den Sprachkursen ordentlich zusammen, lässt sich dafür öffentlich prügeln, und am Ende kommt bei der Aktion Klingelbeutel Marienburg gar nichts rum.

Anrede,

Dieses Kabinett ist sich selbst genug. Sie treten hochherrschaftlich auf. Sie versteigen sich in Ihrer Macht. Und Sie vergessen, dass sie diese Macht nur als Auftrag, und nur auf Zeit übertragen bekommen haben. Und sie schmeißen sich am Ende die Stöckchen selbst zwischen die Beine.

Anrede,

es ist ja nicht anders gelaufen, als es um einen neuen Feiertag ging. Der Ministerpräsident klärt die Sache im Hintergrund, übergeht die Kritik der jüdischen Gemeinde und der Frauenverbände. Neben vielen anderen Abgeordneten hier im Landtag war auch Frau Dr. Andretta für internationalen Frauentag als neuen Feiertag. Aber egal: Am Ende standen die Reihen wieder. Und da frage ich mich schon, in welche Rolle Sie, Frau Modder, und Sie, Herr Toepffer, sich eigentlich drücken lassen. Wo ist denn Ihr Stolz als Parlamentarier? Ich wundere mich.

Anrede,

Vielleicht ist das der Preis dafür, dass der Ministerpräsident und sein Stellvertreter vor allem Konkurrenten sind. Da kann man sich im Eifer des Gefechts schon mal verzetteln und die Bodenhaftung verlieren. Und es gibt da ja noch ein paar andere ungute Konkurrenzen im Kabinett. Konkurrenzen, unter denen die Menschen in Niedersachsen zu leiden haben. Diese Landesregierung erinnert manchmal an eine Verwechslungskomödie am Ohnsorg-Theater.

Anrede,

nehmen wir Umweltminister Olaf Lies. Während der Wirtschaftsminister gern Ministerpräsident wäre, träumt sich Herr Lies offenbar zurück ins Wirtschaftsministerium. Per Weisung zwingt er den Kreistag in Hildesheim, zu erlauben, dass K+S das Bergwerk Siegfried-Giesen wieder in Betrieb nimmt und noch mehr Salz in die Innerste einleitet. Als Umweltminister sind Sie ohne Kompass für Umweltschutz.

Sie wissen ganz genau, dass die Einleitung von Salz in die niedersächsischen Flüsse das Ökosystem nachhaltig verschmutzt. Nun gut, ein Vollbart macht noch keinen Grünen. Aber Sie enttäuschen mich auch als Sozialdemokrat. Sie wissen ganz genau, dass die Frage in der Region mit existenziellen Ängsten verbunden ist, Herr Lies! Und Sie wissen, dass der Geist der Gewaltenteilung verlangt, dass Sie die kommunalen Vertretungen ernst nehmen. Sonst googeln Sie einfach noch mal. Ich hätte mir von Ihnen mehr Respekt vor der Kommunalpolitik in Niedersachsen erwartet!

Anrede,

ein weiterer Schauplatz des Groko-Kompetenzgerangels: das Innenministerium. Herr Schünemann diktiert als Möchtegerninnenminister Herrn Pistorius seine schwärzesten Phantasien ins Polizeigesetz. Was die Menschen in Niedersachsen davon halten, haben wir am Wochenende wieder gesehen. Tausende Menschen haben einmal mehr gegen diesen Unfug demonstriert.

Oder das Ministerium für Wissenschaft und Kultur: Herr Thümler möchte dem Bund der Vertriebenen auch lieber als zuständiger Minister Weihnachtskarten schicken. Er holt deshalb die Zuständigkeit von Frau Schröder-Köpf zu sich. Warum auch nicht, nebenbei werden ein paar neue Posten geschaffen, und Frau Westmann kann sich endlich nach Herzenslust und ihrem Lieblingsthema widmen.

Anrede,

wenn sich die Minister gegenseitig die Butter auf dem Brot nicht gönnen, dann wär’s gut, einen Finanzminister zu haben, der im Zweifelsfall den Deckel draufhält. Haben wir aber nicht.

Stattdessen haben wir einen Minister Hilbers, der sich offenbar für den Mario Draghi Niedersachsens hält, und glaubt, mit einem „Whatever it takes“ Ruhe in den eigenen Reihen schaffen zu können. Herr Hilbers, vielleicht ist es am Kabinettstisch gemütlich mit Ihnen. Das liegt aber nur daran, dass Sie alle gemeinsam schlingern. Und mit Ihnen schlingert die NordLB, die jetzt dringend einen Minister bräuchte, der mit ruhiger Hand eine klare Linie fährt. Fehlanzeige.

Anrede,

das Ganze hat natürlich Unterhaltungswert. Das Problem ist nur, dass Sie darüber ganz vergessen, in Niedersachsen Zukunft zu investieren.

Es ist dringend notwendig, in die Qualität der frühkindlichen Bildung zu investieren. Das würde sich auf lange Sicht auszahlen. Sie aber sind allein mit ihren Wahlkampfversprechen der Beitragsfreiheit beschäftigt – ja, meine Damen und Herren, Beitragsfreiheit ist richtig. Aber nicht so – Sie haben am Ende das Kunststück hinbekommen, selbst dafür noch die Kommunen anzapfen zu müssen. Für eine dritte Kraft in die Kitas ist kein Geld mehr da.

Und wann kommt für diese Regierung eigentlich der richtige Zeitpunkt, in Klimaschutz zu investieren? Uns läuft wörtlich die Zeit davon. Vielleicht haben Sie mitbekommen, dass in Katowice gerade über die Mittel diskutiert wird, wie die Erwärmung des Klimas bei 2 Grad Celsius gehalten werden kann. Herr Lies hält es nicht mal für nötig, hin zu fahren. Stattdessen verkündet er, bis 2040 an der Kohleverstromung festhalten zu wollen.

Von effektivem Klimaschutz ist diese Landesregierung ebenso weit entfernt wie von einer sinnvollen Mobilitätswende. Kaum Radwege, keine klare Position beim Diesel und für die Reaktivierung von Bahnstrecken ist auch kein Geld übrig. Wir zeigen mit unserem Haushalt, wie es gehen könnte.

Anrede,

und wo ist eigentlich das Versprechen dieses Ministerpräsidenten hängen geblieben, weiter in Integration zu investieren? Wir waren uns doch mal einig: Menschen müssen Deutschkurse bekommen, um hier Fuß fassen zu können. Und das wollen wir doch, oder nicht? Das Geld im Haushalt haben Sie dafür zusammengestrichen. Der Landkreistag hat es gerade wieder bestätigt.

Am Projekt „Niedersachsen packt an“ haben Sie offenbar auch kein Interesse mehr. Das wirkt wie abgewickelt. War vielleicht auch eher eine Prestigesache. Dabei geht es da um Menschen, um Familien, die hier bei uns eine neue Heimat gefunden haben. Und gern ihren Beitrag dazu leisten würden. Wenn man sie denn ließe.

Anrede,

Sie werden in den nächsten Reden sicher auch noch mal ordentlich gelobt – von den Prätorianern in Ihren Fraktionen. Aber hüten Sie sich vor zu viel Stolz. Sie sind vielleicht gefühlt die beiden Könige dieses Haushaltes. In Wirklichkeit sind Sie aber Verwalter auf Zeit.

Also passen Sie gut auf, dass Ihnen die Vollmacht, die sie da übernommen haben, nicht zu Kopfe steigt. Lesen Sie noch mal bei Tolkien nach. In „der Herr der Ringe“ gibt es immer wieder Schicksale, die an Ihrer Macht zerbrechen! Ich wünsche dieser Landesregierung mehr von den Qualitäten des Hobbits Frodo. Und weniger von der Kurzsichtigkeit Gollums. Das sieht auch nicht schön aus.

Vielen Dank.

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