Anja Piel: Rede zum Haushaltsplanentwurf 2020 (Gesetzentwurf der Landesregierung)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

was wird man in zehn Jahren über die Arbeit dieser Großen Koalition sagen?

Dass mit dem Haushalt 2020 Bildung gerechter geworden ist?

Dass mit einer dritten Kraft in jeder Kindergartengruppe unsere Jüngsten endlich die Aufmerksamkeit bekommen haben, die sie brauchen?

Dass der Klimaschutz in Niedersachsen den Mittelpunkt allen Handelns gerückt ist? Landwirte in einer großen Offensive mit der Landesregierung eigene Klimaschutzmaßnahmen entwickelt haben?

Nein, meine Damen und Herren. Wenn man sich an 2020 überhaupt erinnern wird, dann als das Jahr der verpassten Chancen, in dem es in Zeiten globaler Herausforderungen an Mut gefehlt hat.  Kann sein, dass im Rückblick sogar jemand sagen wird. Die Möglichkeiten, die wir 2020 noch gehabt hätten, wurden von der GroKo damals leichtfertig verspiel.

Anrede,

Schon in den letzten beiden Jahren haben Sie sich weder durch Ehrgeiz noch Ambitionen besonders ausgezeichnet, und so ist es keine Überraschung, dass Sie sich auch im dritten Jahr um die großen Zukunftsfragen drücken. Während die Auswirkungen der Klimakrise nicht nur im fernen Afrika, sondern auch in Niedersachsen zu sehen sind, streiten Sie sich weiter hinter verschlossenen Türen. Aus unambitioniert wird ignorant.

Warum fällt Ihnen das so schwer? Herausforderungen kann man in einer Koalition nur dann bewältigen, wenn man an einem Strang zieht. Wenn man sich einig ist und seine Energie in die gleiche Sache steckt.

Sie aber verschwenden Ihre Energie. Für interne Konflikte und für die Abgrenzung voneinander. Was dabei herauskommt: Minimalkompromisse statt des dringend erforderlichen Wettbewerbs um die besten Ideen.

Erinnern Sie sich noch an ihre Grundschulzeit? Für mich war das die schönste Zeit des Lernens – meine Klassenlehrerin in der Stadtteilschule hat mir so viel mitgegeben. Unsere Lehrerinnen und Lehrer an den Grundschulen leisten so viel für unsere Kinder und verdienen so viel mehr als das Gezanke der Groko: Sie haben vollmundig A13 für alle Lehrkräfte versprochen – und die Rechnung ohne Ihren Finanzminister gemacht. Herausgekommen sind 70 Euro mehr im Monat. Das ist zu wenig und wird der Ausbildung und der Arbeit keiner einzigen Lehrerin und keines einzigen Lehrers gerecht. Wir hätten uns mit so einem halbherzigen Angebot jedenfalls nicht vor die Tür gewagt.

Bei der Beitragsfreiheit haben Sie sich so sehr verrechnet, dass von den Bundesmitteln für Qualität in unseren Kindertagesstätten nichts mehr übrigbleibt. Sie stopfen mit dem Gute-Kita-Gesetz jetzt Ihre Haushaltslöcher. In großen Tönen haben Sie Qualitätsverbesserungen und ein neues Gesetz versprochen – übrig bleibt nicht mehr als die Fortschreibung rot-grüner Modellprojekte. Die Erzieherinnen und Erzieher baden das durch Mehrarbeit und mehr Stress aus. Und der Fachkräftemangel wird sich verschärfen.

Anrede,

Verbraucherinnen und Verbraucher wünschen sich mehr Tierschutz und Tierwohl in Niedersachsens Höfen - Ministerin Otte-Kinast betätigt sich stattdessen erfolgreich als Cheflobbyistin der Agrarindustrie:  Damit kommt nicht eine einzige Kuh mehr auf die Weide - Mit Ihrer Agrarpolitik, sehr geehrte Frau Ministerin, kommt auch der klimafreundliche Umbau der Landwirtschaft hier in Niedersachsen nicht in Gang. Agrarpolitik dieser Art ist Brandbeschleuniger für die Feuer in den Amazonasregenwäldern.

Und da sind wir auch schon beim Klima und unseren Ressourcen - der deutlichste Beweis für die anhaltende Handlungsunfähigkeit dieser Großen Koalition ist Ihre Klimapolitik. Seit zwei Jahren warten wir auf ein Klimaschutzgesetz. Und selbst wenn Sie sich auf einen Entwurf einigen werden: Sie haben ja nicht mal das Geld, das Sie in den Klimaschutz investieren könnten, eingestellt.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

und ja doch, es ist wichtig, Klimaschutz und Wirtschaftsinteressen in Einklang zu bringen. Diese SPD geführte Landesregierung schafft das aber nicht: es sind die GroKos in Berlin und auch in Hannover, denen die Arbeitsplätze in der Windenergiebranche offenbar schnurzpiepegal sind. Bei Enercon in Aurich und anderen Windanlagenbauern sind bis heute mehr Arbeitsplätze verloren gegangen, als es in der gesamten Braunkohleindustrie überhaupt gibt. Nach der Solarbranche fahren sie nun die Windenergiebranche in Niedersachsen vor die Wand.

Und es ist auch Ihre Politik und die von Wirtschaftsminister Althusmann, die der Verkehrswende noch immer im Weg steht. Eine Politik, die weiterhin auf Autobahnbau setzt, statt auf Radverkehrsförderung und guten ÖPNV.

Anrede,

beim Klimaschutz wie bei der Bildung gilt: nicht handeln ist teurer als handeln.

Zukunftsinvestitionen, die Sie heute verschlafen, hinterlassen Sie nachfolgenden Generationen mit horrenden Zinsen – Schuldenbremse hin oder her. Beim Blick zurück wird man von ihnen hier nur eines sagen: es wäre so viel möglich gewesen. Wenn Sie sich doch nur getraut hätten.

Vielen Dank.

Zurück zum Pressearchiv