Anja Piel: Rede zum Haushaltsgesetz 2019 (Gesetzentwurf der Landesregierung)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

mit Spannung haben wir den ersten regulären Haushalt der Landesregierung erwartet. Die Große Koalition ist ja bereits beim Nachtragshaushalt mit der Gießkanne übers Land gezogen – da waren wahrscheinlich bei den direkt gewählten Abgeordneten beider Fraktionen viele Versprechen offen. Da die Einnahmesituation des Landes weiterhin gut ist, haben wir uns natürlich gefragt, welche großen gemeinsamen Projekte wird die Landesregierung nach intensiven Beratungen als nächstes angehen? Wird sie vielleicht etwas Bahnbrechendes für die Integration tun?

Eine große Initiative für den Wohnungsbau?

Oder wird sie nach Hochwasser im letzten Jahr und Dürre in diesem Jahr mit einem Umweltminister Lies als Speerspitze das Thema Klimawandel beherzt angehen?

Mittlerweile wissen wir: der Haushalt der Landesregierung ist ein politischer Gemischtwarenladen, gut geeignet, den Koalitionspartnern ein gesichtswahrendes Weiterregieren zu ermöglichen. Gemeinsame Projekte, Gestaltungswillen, eine Vision für dieses Land? Fehlanzeige. In Hannover wie in Berlin: Große Koalition, aber kein großer Wurf.

Die gleich großen Koalitionspartner haben einfach ihren Haushalt aufgeteilt – um gemeinsame Linien wird auch diesmal nicht gestritten

Und ohne dass ich die Redemanuskripte kenne, wage ich die Prognose, dass Frau Modder gleich die Projekte der SPD-geführten Häuser, und Herr Toepffer die der CDU-geführten Häuser loben werden.

Sie betonen ja immer, dass diese Groko keine Liebesheirat ist. Aber sorry, eine Zweckehe, in der jeder Partner nur seine eigenen Interessen verfolgt, ist beim besten Willen eben keine politische Strategie für unser schönes Bundesland.

Das wird nicht nur an Dingen deutlich, die sie machen, sondern vor allem an den Dingen, die bei Ihnen liegen bleiben;

Zum Beispiel bei der Integration: Während der Ministerpräsident mit warmen Worten Integrationspreise verleiht, wird in den Häusern bei den Sprachkursen, bei der Integrationsberatung und bei der Flüchtlingssozialarbeit gekürzt.

Gewachsene Strukturen werden Stück für Stück zerschlagen, obwohl die Integration unserer neuen Nachbarn gerade erst angefangen hat. Aus „Niedersachsen packt an“ machen Sie:  Niedersachsen packt weg.

Anderes Beispiel: frühkindliche Bildung. Nachdem Sie die Beitragsfreiheit gegen alle Bedenken im Eilverfahren durchgesetzt haben, zeigt sich sechs Woche nach Beginn des Kindergartenjahres das, was Sie an Kritik beiseite gewischt haben: überlastete Erzieherinnen und Erzieher, Eltern und Kinder, die ohne Kita-Platz dastehen und Kommunen, die beim Ausbau ihre liebe Not haben. Dringend notwendige Qualitätsverbesserungen? Kein Geld mehr im Topf. Und klar freuen sich die Eltern, deren Kinder einen Platz haben, über die Gebührenfreiheit, die ist ja auch wichtig. Aber ebenso wichtig sind auch ausreichende und zufriedene Erzieherinnen und Erzieher!

Gleiches beim Thema Klimaschutz.  Energetische Sanierung? Kein Geld für -  ein halbherziges Minimalprogramm zur Luftreinhaltung in den Städten und Mittel für Radschnellwege rausgestrichen. Dafür aber eine satte Beschleunigung bei der Autobahnplanung. Wem bitte soll das helfen? Waren Sie mal auf der Autobahn unterwegs in den Ferien oder kennen sie die nur noch vom Flugzeug aus?  Noch mehr Güterverkehr, noch mehr Individualverkehr auf noch mehr Autobahnen? Die alten sind doch noch gar nicht saniert, da bauen Sie schon wieder neue!

Sehr geehrter Herr Finanzminister Hilbers,

Sie brüsten sich mit dem Abbau von Schulden. Die FDP-Fraktion wird sicherlich gleich kritisieren, dass der nicht ausreicht. Die größten Schulden aber haben wir nicht etwa bei Banken, sondern beim Klima!

Und wenn sie beim Klimaschutz schon nicht auf uns Grüne hören wollen, dann glauben sie doch wenigstens dem ehemaligen Chefökonom der Weltbank, Sir Nicolas Stern. (https://de.wikipedia.org/wiki/Nicholas_Stern). Der hat schon vor Jahren darauf hingewiesen, dass fehlende Investitionen in Klimaschutz in der Konsequenz zu Schäden in vielfacher Höhe führen (http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/britische-studie-klimawandel-bedroht-die-weltwirtschaft-a-445410.html).

Sie sehen das doch schon in Niedersachsen. Im letzten Jahr: Hochwasser - Hitze und Dürre in diesem Sommer. Die Kosten für Land und Bund: enorm. Und für viele Landwirte existenzgefährdend Unser Klimaschutzgesetz liegt vor. Auf IHRE Vorschläge warten wir seit Monaten.

Sie wollen Fahrverbote in den Städten verhindern. Im Grundsatz richtig, die Verantwortung liegt nämlich nicht bei den betrogenen Verbrauchern.

Das wäre übrigens mal eine Schlagzeile: Der Ministerpräsident und sein Stellvertreter fordern statt Fahrverboten Hardware-Nachrüstungen!               Ist Ihnen beiden aber offenbar völlig egal, dass Sie mit jedem schmutzigen Diesel, der in Niedersachsen unterwegs ist, jeden Tag auf das Klimaschuldenkonto einzahlen – und ich nehme Ihnen beiden auch die Sorge um die Arbeitsplätze nicht mehr ab, denn das verspielte Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher ist Ihnen beiden doch komplett egal – lieber freuen Sie sich gemeinsam am warmen Geldregen, der das VW Bußgeld der Landeskasse beschert.

Haben Sie das eigentlich mal durchgerechnet? Wetterextreme und zunehmende Fluchtursachen sind die Zinsen Ihrer Klimaschulden – und die sind anders als am Kapitalmarkt – verdammt hoch.

Anrede + sehr geehrter Herr Finanzminister Hilbers,

Sie haben uns 2013 für den ersten rot-grünen Haushalt empfohlen, Ihre schwarz-gelbe Haushaltspolitik fortzusetzen. Ehrlich, Herr Minister, den Rat verkneife ich mir, ich erwarte nicht, dass sie nachhaltiger Haushaltspolitik fortführen

Was aber die Menschen da draußen von Ihnen erwarten ist, dass Sie sich den gesellschaftlichen Herausforderungen stellen. Die haben ein Recht darauf zu wissen, wo Sie Niedersachsen hinführen wollen. Und dass Sie Ihrer Verantwortung für dieses Land gerecht werden. All das kann ich in diesem Haushalt aber nicht erkennen.

Wie soll Integration gelingen ohne Sprachkurse, ohne Unterstützung?

Wie werden Kinder gefördert ohne ausreichend Erzieherinnen und Erzieher?

Wie soll die Digitalisierung vorankommen ohne echte gemeinsame Anstrengungen? Ihr Masterplan ist doch schon vor seinem Start gescheitert.

Wir lassen Sie nicht allein, mit guten Vorschlägen können Sie rechnen!

Vielen Dank.

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