Anja Piel: Rede zum Haushalt 2019 - Schwerpunkt Soziales

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

beim ersten Blick in den Einzelplan 05 musste ich zunächst einmal kräftig schlucken:

Das Landesprogramm gegen Langzeitarbeitslosigkeit? Gestrichen.

Zuschüsse für Sinti und Roma? Fast um die Hälfte gekürzt.

Förderung gesellschaftlicher Vielfalt? Um über eine Million gekürzt.

Maßnahmen für Demokratie und Toleranz? Um die Hälfte gekürzt.

Anrede,

Im Sozialausschuss hat die Landesregierung die vielen Kürzungen mit einer knappen Bemerkung begründet: Sie seien Ausdruck anderer politischer Schwerpunktsetzungen.

Stimmt. Das sind sie.

Vor allem an der Migrations- und Integrationspolitik der Landesregierung wird das immer wieder deutlich. Im ganzen Land bemühen sich noch immer tagtäglich tausende Ehrenamtliche um die Integration von geflüchteten Menschen.

Das Engagement der Landesregierung – und speziell des Ministerpräsidenten – beschränkt sich neuerdings zunehmend auf warme Worte und die Verleihung von Integrationspreisen.

Da hilft es auch kaum, dass die Fraktionen mit ihrer Politischen Liste die gröbsten Schnitzer mit ein paar Tausend Euro ausbessern. Zumal sie das ja auch nur bei ausgewählten Kürzungen tun können.

Bei den Maßnahmen zur Akzeptanz von Vielfalt (LSBTIQ*Lesbisch-schwul-bisexuell-trans-inter-queer) oder bei der Vielfaltskampagne bauen Sie zum Beispiel gewachsene Strukturen zurück. Unwiederbringlich, die sind dann weg!

Weder im Haushaltsplanentwurf der Landesregierung in den politischen Listen der Fraktionen kann ich ein klares sozialpolitisches Profil erkennen. Vieles machen Sie gar nicht, anderes machen Sie halbherzig.

Das wird auch beim Thema Wohnungslosigkeit deutlich. Zu Ihrem Antrag „Hilfe für wohnungslose Menschen“ hatten wir ja eine sehr aussagekräftige Anhörung. Die Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe und auch die Betroffenenverbände haben Ihnen höflich Respekt gezollt, gleichzeitig aber deutlich gemacht, dass der eigentliche Bedarf ganz wo anders liegt.

Ich möchte dazu aus der Stellungnahme der BAG Wohnungslosenhilfe zitieren, die auf das Aktionsprogramm „Wohnungslosigkeit vermeiden“ in Nordrhein-Westphalen verweist:

„An den positiven Erfahrungen lässt sich erkennen, dass Landesförderprogramme außerordentlich hilfreich sind, um die Wohnungsnotfallhilfen auszubauen und weiterzuentwickeln.“

Und weiter heißt es dort zum Thema medizinische Versorgung:

„Wohnungslose Menschen sind eine gesundheitlich hochbelastete Bevölkerungsgruppe, die nur einen unzureichenden, zuweilen überhaupt keinen Zugang zum medizinischen Regelsystem hat. […] Die medizinischen Versorgungsprojekte müssen nachhaltig und ausreichend finanziert werden […] und den Zugang zum Regelsystem erleichtern.“

Wirklich ernst nehmen Sie diese Forderungen nicht. Das reicht nicht.

Wer heute seine Wohnung verliert, hat kaum die Chance, eine neue zu finden. Es ist nicht nur aus humanitären Gründen geboten, Menschen in Wohnungsnotfällen besser zu unterstützen. Es ist auch deutlich günstiger. Der Deutsche Städtetag hat am Beispiel Köln bereits 1987 vorgerechnet, dass Präventionsmaßnahmen mit etwa 550 Euro zu Buche schlagen, während die Unterbringung von Wohnungslosen etwa 4000 Euro kostet.

Dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU sich so beharrlich gegen eine konsequente Prävention sperren, ist vor diesem Hintergrund nicht zu verstehen.

Und es ist gerade jetzt, wo der Winter vor der Tür steht, ein ganz bitteres Signal für all die Menschen, für die unsere Unterstützung lebenswichtig ist.

Vielen Dank.

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