Anja Piel: Rede zum Anschlag in Hanau (Aktuelle Stunde CDU)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

viele von uns haben das Gefühl, dass in den rassistischen Gewaltexzessen dieser Tage Worte zu Taten werden - tatsächlich ist das auch so.

Wir haben es mit geistigen Brandstiftern zu tun. Sie schaffen im scheinbar bürgerlichen Gewand mit ihren rassistischen Ideologien, ihrem giftigen Gerede von Umvolkung, mit ihrer Einteilung der Menschen in wertvolle und minderwertige die Grundlage, ja die Rechtfertigung für so schlimme Gewalttaten wie in Hanau.

Wenn wir also tatsächlich etwas ändern wollen, dann müssen wir solche Brandstifter auch beim Namen nennen. Sie sitzen auch hier im Landtag. Sie bekommen in diesen Tagen zu spüren, dass die große Mehrheit der Menschen im Land ihre erbärmlichen Absichten erkennt.  Die Spitzen der AfD erklären jetzt den eigenen Leuten, sie müssten in ihrer Sprache aufpassen, um ja nicht rassistisch zu wirken. Aber genau das sind sie: Sie möchten nur nicht als das erkannt werden, was sie in Wahrheit sind.

Und sie protestieren hier immer gern gegen diese Angriffe, als seien Sie selbst die Opfer. Aber schauen Sie sich einfach genau an, was ihre Leute vom völkischen, um nicht zu sagen faschistischen Flügel alles so planen. Sie wollen Menschen, die Ihnen hier nicht passen, wieder rückführen. Sie wollen keine offene humane Gesellschaft.

Am Ende dieser andauernden Grenzüberschreitungen stehen dann schreckliche Gewalttaten in Halle, Kassel, Chemnitz  – all diese Orte stehen dafür, dass Rassisten in Deutschland 75 Jahre nach dem Ende des Holocaust wieder Menschen an Leib und Leben bedrohen.

Und nun ist ein Ort hinzugekommen: Hanau in Hessen. Ein weiterer Ort, der in Zukunft mit rechtsextremen Terror verbunden wird.

Aber das verschleiert, dass Rassismus eben nicht nur in bestimmten Städten oder Regionen existiert. Rassismus existiert hier, in unserer Mitte. Er ist UNSER gemeinsames Problem. Rassismus beginnt in der Straßenbahn, wenn Menschen nur deshalb kontrolliert werden, weil sie schwarz sind. Er manifestiert sich bei der Wohnungssuche, wenn Menschen mit anders klingendem Namen schlechter Wohnungen finden oder in der Schule, wenn Kinder schwerer Empfehlungen für das Gymnasium bekommen. Und es ist auch rassistisch, wenn Shishabars in einer bundesweiten Kampagne als Orte potentieller Straftaten eingestuft werden.

Und nein, bei aller Solidarität mit den Opfern und ihren Angehörigen, wir sind nicht alle gleich von den Taten in Hanau, Halle und Chemnitz betroffen.

Gerade gestern fuhr ich den Weg zum Landtag mit einem jungen Mann in der Bahn, vielleicht so alt wie eines meiner Kinder. Er senkte jedes Mal den Blick, wenn Leute ihn anstarrten, weil er schwarz war. Mit Sicherheit einer von den Menschen, die sich jeden Tag gegen rechte Anfeindungen stellen müssen und sich das nicht ausgesucht haben.

Wir sind in Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen. Aber das reicht nicht. Wir müssen denen zur Seite stehen, die sich in diesem Land nicht mehr sicher fühlen.

Denn nicht sie sollten Angst haben. Besser sollten sich jene fürchten, die es wagen, unsere Nachbarn, ihre Nachbarn, zu sortieren. Die sich anmaßen, Menschen aufgrund ihres Aussehens oder ihres Namens einzuteilen. Die sollten Angst haben, die Waffen oder Sprengstoff anschaffen, um anderen Gewalt anzutun. Wir werden alle rechtlichen Mittel einsetzen bis sie gestoppt sind. 

 Wir dürfen nicht zulassen, dass der rechte Terror unsere Gesellschaft vergiftet. Arbeiten wir besser daran, dass wir als Gesellschaft daran wachsen; dass wir geeint und solidarisch daraus hervorgehen. Dafür müssen wir Mehrheiten organisieren – nicht nur für Mahnwachen und Demonstrationen, jeden Tag, bei der Arbeit, auf der Straße und in der Kneipe oder Diskothek.  Das sind wir all jenen schuldig, die tagtäglich unter dem Rassismus leiden.

Die Hinterbliebenen mahnen uns: sagt ihre Namen. Vergesst ihre Namen nicht. Ferhat, Gökhan, Hamza, Said, Mercedes, Sedat, Kaloyan, Fatih Saraoğlu und Vili.

Vielen Dank.

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