Anja Piel: Rede zu Kinder auf allen Ebenen vor Missbrauch schützen (Aktuelle Stunde CDU)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

zu den schrecklichen Vorfällen in Lügde werden täglich neue Details bekannt. Sie machen uns fassungslos.

Das Leid der betroffenen Kinder und Jugendlichen existiert aber schon viel länger. Wo sie Obhut suchten, war keine zu finden. Wo sie Fürsorge hätten erfahren sollen, wurde Ihnen Gewalt angetan. Und wo sie Hilfe nötig gehabt hätten, wurde ihr Leid übersehen.
Es ist wichtig, dass der Fall jetzt umfassend aufgeklärt wird, dass die Täter ermittelt, verurteilt und, konsequent bestraft werden, und dass die Opfer schnell und unbürokratisch die Hilfen erhalten, die sie brauchen.

Die Gewalt in Lügde in diesem Ausmaß hätte verhindert werden können. Sie hätte verhindert werden müssen. Es ist unsere Verantwortung, alles dafür zu tun, dass Kinder und Jugendliche in Zukunft solche Gewalt nicht erfahren müssen.
Auch wenn wir erst am Anfang der Erkenntnisse stehen, zeichnen sich bereits schwere Versäumnisse bei den Behörden ab – in Nordrhein-Westfalen, aber einige eben auch in Niedersachsen.

Anrede,

laut der Polizeilichen Kriminalstatistik gab es 2017 knapp 2.000 aktenkundige Fälle von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Und das sind nur die bekannten Fälle. Sicher gibt es noch viel mehr Kinder und Jugendliche, die Opfer solcher Gewalt werden.

Oft ähneln sich die Fälle:

Viele betroffene Kinder vertrauen sich niemandem an. Aus Scham und Angst, aber auch, weil sie nicht wissen, an wen sie sich wenden können.

Auch Menschen im Umfeld reagieren oft zu spät oder gar nicht auf Hinweise. Viele schrecken davor zurück, einen so schlimmen Verdacht zu äußern.

In Kitas und Schulen gibt es eine gewisse Sensibilität. Aber auch in diesen Einrichtungen ist manchmal unklar, an wen man sich wenden kann, wenn es nur Hinweise gibt, oder auch nur ein ungutes Gefühl.

Die Täter und die Profiteure von Kinderpornografie tun viel dafür, unentdeckt zu bleiben. Mit Erfolg – das scheint in Lügde der Fall gewesen zu sein.

Und es ist leider nicht auszuschließen, dass die Täter in den Institutionen Menschen haben, die ihnen zumindest helfen, unentdeckt zu bleiben. 

Anrede,

wo können wir also ansetzen? Wie können wir das Schweigen brechen?

In Niedersachsen und in Nordrhein-Westfalen gibt es viele Experten für Kinderschutz. Hier wie da gibt es Kinderschutzzentren, runde Tische und Anlaufstellen für Opfer und Angehörigen.

Aufgabe muss es nun sein, die bestehenden Strukturen unter die Lupe zu nehmen und auf mögliche Schwachstellen und Verbesserungspotentiale hin zu überprüfen. Das betrifft auch die Arbeit der Jugendämter und die Zusammenarbeit mit anderen Behörden.

Ich erwarte von der Landesregierung und allen voran der Sozialministerin Reimann, dass sie sich dabei an die Spitze der Bewegung setzt. Es verbietet sich für uns, nur mit dem Finger auf Nordrhein-Westfahlen zu zeigen!

Wenn am Ende eines solchen Prozesses Schwachstellen sichtbar werden, dann erwarte ich von dieser Landesregierung, dass Sie weder Kosten und Mühen scheut, um Kinder besser zu schützen!

Einerlei, wie man die Expertise aus Polizei, Justiz, Jugendämtern und Kinderschutz zusammenbringt. Es muss passieren. Frau Ministerin Havliza hat ja schon mal vorgelegt, und gestern die „Kommission zur Prävention von sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen“ gegründet. Das ist gut, aber das reicht natürlich nicht.

Hilfsangebote bringen nichts, wenn sie nicht angenommen werden. Kinder und Jugendliche müssen wissen, wann sie sich an wen wenden können.

Wie können wir das sicherstellen? Indem wir die Betroffenen beteiligen. In Schleswig-Holstein hat man das so gemacht. Da hat man junge Menschen, und auch Opfer sexualisierter Gewalt gefragt, welche Angebote ihnen geholfen hätten, und was ihnen dabei wichtig gewesen wäre.

Auch Menschen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, brauchen Unterstützung. Sie müssen in die Lage versetzt werden, Anzeichen von Gewalt gegen Kinder früh zu erkennen. Viele pädagogische Fachkräfte sind bereits geschult.

Die Prävention von Gewalt gegen Kinder muss in allen Einrichtungen strukturell verankert werden. Nicht nur in Schulen und Kitas, sondern auch in Sportvereinen und freien Jugendeinrichtungen.

Anrede,

letztlich tragen wir alle Verantwortung dafür, was mit Kindern und Jugendlichen geschieht. Unmöglich, dass in Lügde niemand etwas mitbekommen hat. Aber Hinschauen ist manchmal schwieriger als wegzuschauen. Dieses Hinschauen muss gelebt werden, meine Damen und Herren. 

Keine Verurteilung und keine Strafe werden aber das Unrecht wieder gut machen können, das den Opfern in Lügde und anderswo widerfahren ist. 

Kein Versagen, kein Wegschauen ist durch eine Entschuldigung zurück zu holen.

Aus diesen Fällen zu lernen, was wir besser machen können ist das Mindeste, was wir tun können.

Vielen Dank.

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