Anja Piel: Rede zu den Haushaltsberatungen 2020 – Schwerpunkt Soziales

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

an Herausforderungen mangelt es in der niedersächsischen Sozialpolitik nicht. Zu wenig bezahlbare Wohnungen, zu wenig Plätze in Frauenhäusern und die Finanzierung der Jugendwerkstätten ist auch nicht dauerhaft abgesichert.

Wenn ich in den Einzelplan 05 gucke, muss ich leider feststellen, dass sich daran absehbar auch nichts ändern wird.

Ein gewaltiges Delta klafft hier zwischen Wissen und Handeln. Zwischen dem, was wir wirklich brauchen in diesem Land und dem, was Sie hier beschließen wollen.

Zum Beispiel bei den Frauenhäusern:

Jeden Tag versucht statistisch ein Mann, seine Partnerin oder Ex-Partnerin zu töten. Jeden dritten Tag gelingt es ihm. Wem das noch nicht Anlass genug ist, Frauen besser vor Gewalt zu schützen, dem sei die Lektüre der Istanbul-Konvention empfohlen. Da steht nämlich ganz klar drin, dass wir etwa doppelt so viele Plätze in Frauenhäusern brauchen, wie wir derzeit haben. Und es ist ehrenwert, dass Sie als Fraktionen 400.000 € über die politische Liste zur Verfügung gestellt haben, aber leider reicht auch das noch nicht aus, um jede der bedrohten Frauen aus der Gefahrenzone zu bringen.

Anrede,

die Istanbul-Konvention ist seit knapp zwei Jahren in Kraft. Ebenso lang liegt übrigens unser grüner Antrag vor, mit dem wir einen Aktionsplan fordern, um die Empfehlungen der Konvention in Niedersachsen umzusetzen.

Und ebenso lang haben auch die Koalitionsfraktionen gebraucht, um einen eigenen Antrag vorzulegen. Wenn man sich den Antrag anguckt, muss man sich die Frage stellen, warum das so lange gedauert hat. Denn alles, was Sie von der Landesregierung fordern, ist ein Konzept. Sie haben also fast zwei Jahre gebraucht, um sich in der Koalition darauf zu einigen, dass Sie ein Konzept fordern.

Von einer Landesregierung, die die Gewalt gegen Frauen ernst nimmt, muss man mehr erwarten können. In diesen zwei Jahren hätte so viel passieren können: neue Plätze in Frauenhäusern, ein Rechtsanspruch, mehr Geld für die Beratungsstellen.

Anrede,

Politik macht man nicht im Konjunktiv. Nicht für Frauen, die von Gewalt betroffen sind und auch nicht für benachteiligte Jugendliche. Die brauchen echte Hilfe!

Seit über einem Jahr ist klar, dass die Finanzierung der Jugendwerkstätten nach dem Ende der aktuellen EU-Förderperiode auslaufen wird.

Sozialministerin Reimann ist mit dem Versprechen angetreten, für eine dauerhaft verlässliche Finanzierung zu sorgen.

Das wäre übrigens auch unabhängig von Förderrichtlinien in Brüssel dringend angezeigt. Nach 40 Jahren Projektförderung ist es nicht nur an der Zeit, ein gutes Angebot in die Regelfinanzierung zu übernehmen. Es ist auch eine Frage des Anstandes.

Herausgekommen aber ist das Gegenteil: eine zusammenstrickte Übergangsfinanzierung aus Restmitteln bis Mitte 2022. Die finanzielle Perspektive der Jugendwerkstätten bleibt damit ungewiss.

Anrede,

von den Jugendlichen in den Werkstätten werden verbindliche Zusagen und ein gewisses Engagement erwartet. Daran sollte sich dann aber auch eine Landesregierung gebunden fühlen.

Anrede,

Perspektiven brauchen auch die Menschen in Niedersachsen, die keine Wohnung haben. Aber auch hier kommt die Landesregierung nicht voran. Während Tag für Tag weitere Sozialwohnungen aus der Bindung fallen, kommt die Wohnraumförderung nicht in Gang. Statt eine Landeswohnungsbaugesellschaft zu gründen und das Problem selbst anzugehen, hoffen Sie weiterhin darauf, dass der Markt es schon richten wird. Auch hier: kein klares Bekenntnis der Landesregierung.

Anrede,

liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU,

Sie alle kennen die Herausforderungen, vor denen wir stehen. Aber Sie glauben immer noch, dass man sie mit Konzepten und Arbeitsgruppen lösen kann.  

Anrede,

der Kollege Uwe Schwarz hat in seiner Pressemitteilung vom 2. Dezember gesagt, die Politische Liste würde die Handschrift der SPD tragen.

Sehr geehrter Herr Kollege Schwarz, bei aller persönlichen Wertschätzung finde ich, Sie sollten vielleicht etwas leserlicher schreiben.

Was ich aus Ihrer Politischen Liste lese, ist, dass Sie als Fraktionen Ihrer Sozialministerin die Peinlichkeit ersparen, in wesentlichen Bereichen wie dem Kinderschutz und den Frauenhäusern blank ziehen zu müssen.

Von einer sozialdemokratisch geführten Landesregierung wäre aber mehr zu erwarten, nämlich ein klares Bekenntnis zu sozialer Gerechtigkeit. Das aber ist weder im Haushalt der Landesregierung, noch in der Politischen Liste zu erkennen. Da ginge deutlich mehr. Die Menschen auf der Straße, die in Not und ohne Perspektiven haben mehr verdient.

Vielen Dank.

Zurück zum Pressearchiv