Anja Piel: Rede zu Ausländerinnen- und ausländerfeindliche Ausschreitungen in Chemnitz (Anfrage GRÜNE)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

Wir wissen jetzt, auch Nazis aus Niedersachsen sind in den letzten Wochen nach Chemnitz gereist, um sich dort gewalttätigen Demonstrationen anzuschließen und rechte Propaganda zu verbreiten.

Was führt uns das vor Augen, liebe Kolleginnen und Kollegen?

Es gibt keinen Grund für uns, mit dem Finger auf Sachsen zu zeigen. Rechtsextremismus ist nicht irgendein Phänomen, das weit entfernt von uns Niedersachsen in Städten in Ostdeutschland stattfindet. Nein, extrem rechte Gewalttäterinnen und Gewalttäter agieren tagtäglich auch hier bei uns in Niedersachsen – sie bauen Strukturen auf, sie vernetzen sich, sind kampagnenfähig, mobilisieren und verabreden sich, Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen.

Auch bei uns gründen sich Bürgerwehren wie in Salzgitter, Schweineköpfe werden vor Moschen abgelegt und Angriffe auf Synagogen finden leider auch in Niedersachsen regelmäßig statt. Da sehen wir nicht weg!

Wir sind gut beraten, zur Kenntnis zu nehmen, dass es auch niedersächsische Nazis waren, die auf den Titelseiten in Chemnitz zu sehen waren.

Wir sind in den letzten Tagen mit den Demokrat*innen im Haus einig gewesen, wie wichtig politische Bildung und eine starke Zivilgesellschaft sind, um diesen Entwicklungen offensiv zu begegnen – aber Demokratie zu lernen gibt es nicht zum Nulltarif.

s braucht starke Strukturen, engagierte Menschen, um Demokratie zu verteidigen. Und wir haben, anders als in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts, alle Möglichkeiten und eine echte Chance, etwas dafür zu tun;

Wichtig für unsere Haushaltsberatungen ist das Landesprogramm gegen Rechtsextremismus zu stärken, auszubauen und zu profilieren. Besonders wichtig finde ich, dass wir dabei die Zivilgesellschaft noch stärker einbinden.

 

Die Mobile Beratung müssen wir ausbauen und die Mittel dafür verstetigen. Die Arbeit ist wichtig an der Basis – viele Kommunen und Bündnisse greifen auf diese Strukturen zurück, wenn sie sich mit Nazis und ihrer Propaganda und Gewalt konfrontiert sehen. Wir reden oft darüber: Ehrenamt braucht Hauptamt. Das ist gerade in diesem Bereich wichtiger denn je – die Mobile Beratung arbeitet im Dauereinsatz und hat gleichzeitig keine Garantie, wie es weitergeht. Das darf nicht sein, wir brauchen an dieser Stelle Verlässlichkeit. Wir müssen den gut vernetzten und kampagnenfähigen Nazis etwas entgegensetzen.

Gleiches gilt für die mobile Opferberatung, die in den letzten Jahren eingerichtet wurde. Hier arbeiten ein paar wenige Teilzeitstellen für ganz Niedersachsen: Das ist zu wenig, hier brauchen wir ein interfraktionelles Bekenntnis. Die mobile Opferberatung muss auf- und ausgebaut werden – denn von vielen Übergriffen erfahren wir derzeit erst gar nicht. Wir brauchen eine starke und verlässliche Anlaufstelle. Ich will in diesem Zusammenhang auch daran erinnern, dass ein Problem der Mordserie der NSU war, dass die Familien der ersten Opfer niemanden hatten, dem sie ihre Verdachtsmomente mitteilen konnten.

Und nicht zuletzt müssen wir die Sicherheitsbehörden und die Justiz weiter dabei unterstützen, die staatliche Intervention so effektiv und erfolgreich wie möglich auszuführen.

In Chemnitz wurde bereits der erste Nazi, der einen Hitlergruß gezeigt hat, zu acht Monaten Haft verurteilt. In Niedersachsen haben wir gerade erst wieder einen Hinweis darauf bekommen, dass ein Verfahren wegen mangelndem öffentlichem Interesse eingestellt wurde – wir müssen rechtsextreme Straftaten konsequent ahnden und verfolgen.

Ebenso wie bei der organisierten Kriminalität von Familienclans brauchen wir auch keine Nazis, die sich in Parallelstrukturen sicher vor strafrechtlicher Verfolgung fühlen.

Und im Rückblick auf die unguten Debatten des vergangenen Sommers sehe ich uns alle in der Verantwortung, dass wir nicht Stichwortgeber für solche Entwicklungen sein dürfen: Wenn Nazis Übergriffe durch die Diskursverschiebung in der Politik gerechtfertigt sehen, dann läuft etwas aus dem Ruder. Das konnte man mit dem Anstieg rechtsextremer Straftaten der letzten Jahre sehr gut beobachten.

Ich finde es unerträglich, wenn ein Bundesinnenminister Seehofer ohne Konsequenzen Menschenrechte in Frage stellt und der Präsident des Verfassungsschutzes sich den Staat und seine Behörde zur Beute macht und hoch sensible Informationen verteilt und weitergibt wie er gerade lustig ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

es war nicht eine Schar besorgter abgehängter und an Leib und Leben bedrohter Bürger auf den Straßen in Chemnitz. Nein, das waren Menschen, die bewusst und bösartig andere Menschen gejagt, beleidigt und angegriffen haben. Und Politiker*innen, die sich mit solchen Gewalttätern gemein machen, mit ihnen demonstrieren und sich nicht distanzieren, sind nachweislich keine Demokratinnen und Demokraten.

Ich war deshalb gestern sehr dankbar über unsere Debatten hier im Landtag. Lassen Sie uns dabeibleiben; Wir nennen Nazis beim Namen und reden das Problem des Rechtsextremismus nicht klein. Um es mit den Worten von Stephan Weil zu sagen: Wir geben Nazis keinen Fußbreit.

Vielen Dank.

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