Anja Piel: Rede zu Arbeitsbedingungen auf Schlachthöfen (Aktuelle Stunde GRÜNE)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

wie geht es Ihnen, wenn Sie von der Ausbeutung von Arbeitern in der Schlachtbranche hören oder lesen?
Aberwitzige Mieten für vergammelte und überbelegte Unterkünfte, Akkordarbeit, unbezahlte Überstunden, und die ständige Angst, ersetzt zu werden.

Die Menschen, die in den Schlachthöfen arbeiten, gehen krank zur Arbeit. Weil sie Angst haben. Im Dezember ist einer von ihnen an Tuberkulose gestorben. Jetzt haben wir einen neuen Fall von Tuberkulose im Landkreis Cloppenburg.

Anrede,

da wird Armut ausgeschlachtet. Die Armut der einen für die Profitgier der anderen.
Aufträge kann man an Subunternehmer vergeben. Die Verantwortung für die Angestellten wird man so aber nicht los.

Anrede,

aber nur auf die Unternehmen zu schimpfen, ist zu einfach. Die Rahmenbedingungen, die diese Ungerechtigkeiten ermöglichen, die Subventionierung von Massenproduktion in der Landwirtschaft, die Konstrukte von Leiharbeit und Werkverträge, die fehlenden Kontrollen: All das ist Verantwortung der Politik! Die Politik kann und muss dieser modernen Sklaverei ein Ende setzen!

Das erste, was ich erwarte, ist: Dass sich die Ministerinnen und Minister dieser Landesregierung hinstellen und dass sie sich mit den Arbeitern solidarisieren. Dass sie eindeutig klarmachen: Wem in Niedersachsen Unrecht geschieht, für den ist die Landesregierung da! Es gibt keine Menschen zweiter Klasse!

Anrede,

die Wurzel des Übels sind Arbeitnehmerüberlassung und die Werkverträge.

Schweine zu zersägen ist kein Werk, für das es Werkverträge geben darf. Dieses Konstrukt wird seit Jahren missbraucht, um Menschen auszubeuten.
Leiharbeit mag sinnvoll sein, um Produktionsspitzen auszugleichen. In der Schlachtindustrie dient sie einzig der Profitsteigerung und Auslagerung von Verantwortung.
Ich bin es leid, das immer wieder anprangern zu müssen!

Es gäbe eine einfache Lösung:
Flexible Beschäftigung genauso zu entlohnen wie Festanstellung.
Eindeutige und vernünftige Kriterien für Werkverträge.

Herr Ministerpräsident Weil und Herr Dr. Althusmann,
wenn Sie es wollten, dann könnten Sie Ihren Einfluss im Bund geltend machen.
Aber der CDU ist es egal, woher die Wurst kommt. Sie will nur die Unternehmer nicht ärgern.

Und die SPD? Die Partei der kleinen Leute? Es gibt sie, die aufrechten Sozialdemokraten, etwa im Cloppenburger Kreistag. Aber das hilft uns in Hannover und Berlin leider gar nichts. Ich sag’s deutlich: Die kleinen Leute sind nicht nur die, die sich billige Bratwurst kaufen. Die kleinen Leute sind auch die, die diese Wurst produzieren!

Anrede,

auch hier in Niedersachsen gäbe es genug zu tun.

Frau Reimann, Frau Otte-Kinast, Herr Lies, und Herr Dr. Althusmann, als zuständige Ministerinnen und Minister erwarte ich, dass Sie sich zusammenfinden, und endlich was Abgestimmtes vorlegen. Denn es geht nicht allein um die Beschäftigungsverhältnisse, es geht nicht allein um die Wohnsituation, es geht nicht allein um die Gesundheitsvorsorge. Es geht um all das zusammen!

Stärken Sie die Beratungsstelle für mobile Beschäftigte: In Oldenburg sitzen im Moment zwei Personen, die den ganzen Nord-Westen abdecken. Die brauchen Verstärkung!
Passen Sie die Standards für die Unterbringungen an. Auch hier kann das Land tätig werden.
Verstärken Sie die Kontrollen! Gewerbeaufsichtsamt, Bauaufsicht und Zoll müssen die Kapazitäten haben, um flächendeckend kontrollieren zu können. Wer hier nicht kontrolliert, lässt zu, dass geltendes Recht gebrochen wird. Und wenigstens das sollten wir verhindern! Wenigstens das!

Wir können die Ausbeutung der Menschen und die Tierquälerei in den Schlachthöfen nicht voneinander trennen. Ein Arbeiter, der miserabel bezahlt wird, kein richtiges Dach überm Kopf hat und womöglich noch krank ist – wie können wir von dem erwarten, dass er auf Tierschutz und Sorgfalt beim Schlachten achtet? Das funktioniert nicht!

Aber, um es mit einem Zitat zu sagen:

„Nicht der Armen Schlechtigkeit
Hast du mir gezeigt, sondernDer Armen Armut.“

Das ist übrigens aus Bertold Brechts Stück „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“. Ein gutes Buch zum Thema.

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