Änderungsantrag zum Entwurf eines Niedersächsischen Gesetzes zur Förderung des Klimaschutzes und zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Niedersächsisches Klimagesetz - Nds. KlimaG

(zur besseren Lesbarkeit empfehlen wir die Anlage (PDF)

Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/4499

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 18/8087

Der Landtag wolle den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen entgegen der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen in folgender Fassung beschließen:

Gesetz

zur Änderung der Niedersächsischen Verfassung und zur Einführung eines Niedersächsischen Gesetzes zur Förderung des Klimaschutzes und zur Minderung der Folgen des Klimawandels

Artikel 1

Änderung der Niedersächsischen Verfassung

Die Niedersächsische Verfassung vom 19. Mai 1993 (Nds. GVBl. S. 107), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. Juni 2011 (Nds. GVBl. S. 210), wird wie folgt geändert:

Nach Artikel 6 b wird der folgende Artikel 6 c eingefügt:

„Artikel 6 c

Umweltschutz und Klimaschutz

              (1) Das Land schützt die Umwelt, die Biodiversität und das Klima auch in Verantwortung für kommende Generationen.

(2) 1Alle Gesetze und Verordnungen werden im Hinblick auf die Auswirkungen auf das Klima und die Einhaltung der durch internationale Abkommen verbindlichen und im Niedersächsischen Klimagesetz festgelegten Klimaziele überprüft. 2Neue Gesetze und Verordnungen dürfen nur erlassen werden, wenn sie den in völkerrechtlichen Abkommen und im Niedersächsischen Klimagesetz festgelegten verbindlichen Klimazielen nicht widersprechen (Klimavorrang).“

Artikel 2

Niedersächsisches Gesetz

zur Förderung des Klimaschutzes und zur Minderung der Folgen des Klimawandels (Niedersächsisches Klimagesetz - Nds. KlimaG)

§ 1

Zweck

              (1) 1 Zweck dieses Gesetzes ist es, in Niedersachsen die Erbringung eines angemessenen und wirksamen Beitrages zur Erreichung der internationalen, europäischen und nationalen Klimaschutzziele zu gewährleisten sowie Regelungen für angemessene Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zu schaffen, um dessen Folgen zu mindern.

(2) Mit diesem Gesetz werden Ziele zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen, zum Schutz und Aufbau von natürlichen Kohlenstoffspeichern und zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels in Niedersachsen festgelegt und notwendige Umsetzungsinstrumente geschaffen.

(3) Das Land fördert und unterstützt darüber hinaus Maßnahmen zum Klimaschutz, insbesondere die Erforschung und Entwicklung klimaschützender Technologien von der Grundlagenforschung über die angewandte Forschung bis zum Technologietransfer in den Markt.

§ 2

Begriffsbestimmungen

(1) 1Treibhausgasemissionen im Sinne dieses Gesetzes sind anthropogene Emissionen von Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Distickstoffmonoxid (N2O) Schwefelhexafluorid (SF6), Stickstofftrifluorid (NF3) sowie teilfluorierten Kohlenwasserwasserstoffen (HFKW) und perfluorierten Kohlenwasserstoffen (PFKW) in Tonnen Kohlendioxidäquivalent, wobei eine Tonne Kohlendioxidäquivalent eine Tonne Kohlendioxid oder die Menge eines anderen Treibhausgases ist, die in ihrem Potenzial zur Erwärmung der Atmosphäre einer Tonne Kohlendioxid entspricht.

(2) Gesamtemissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die jährlichen Treibhausgasemissionen in Niedersachsen.

(3) Landesverwaltung im Sinne dieses Gesetzes ist die Landesregierung und die ihr unmittelbar nachgeordneten Landesbehörden.

(4) 1Gesamtverbrauch ist der kumulierte Verbrauch an Strom oder Heizenergie, der in allen Liegenschaften [in kWh] innerhalb von 12 Monaten anfällt. 2Der Verbrauch an Heizenergie wird dabei mit einem regionalen Klimafaktor multipliziert (Witterungsbereinigung).

(5) Abnahmestelle bezeichnet eine Einrichtung, an der über eine festgelegte Dauer ein Verbrauchswert aufgezeichnet werden kann.

(6) Kohlenstoffreiche Böden im Sinne dieses Gesetzes sind Moorböden und weitere kohlenstoffreiche Böden mit Bedeutung für den Klimaschutz.

(7) Sektoren im Sinne dieses Gesetzes sind die Energiewirtschaft, die Industrie, der Verkehr, Gebäude, die Landwirtschaft und die Abfallwirtschaft.

§ 3

Niedersächsische Klimaschutzziele

1) 1Niedersächsische Klimaschutzziele sind:

1.      die Minderung der Gesamtemissionen bis zum Jahr 2025 um mindestens 50 Prozent und bis zum Jahr 2030 um mindestens 80 Prozent, bezogen auf die Gesamtemissionen im Vergleichsjahr 1990, und darüber hinaus die Erreichung von Netto-Null-Emissionen in Niedersachsen bis 2035.

2.      Sollten zur Erfüllung europäischer oder internationaler Ziele höhere nationale Klimaschutzziele erforderlich werden, so leitet die Landesregierung die zur Erhöhung der Zielwerte nach Absatz 1 notwendigen Schritte ein.

3.      Die vollständige Umstellung der Energieversorgung in Niedersachsen auf erneuerbare Energien bis 2035.

4.      1Die Minderung der jährlichen Treibhausgasemissionen der Landesverwaltung um mindestens 80 Prozent bis zum Jahr 2030 im Vergleich zu den Treibhausgasemissionen im Jahr 1990. 2Bis zum Jahr 2035 soll eine klimaneutrale Landesverwaltung erreicht werden.

2) Alle Sektoren haben im Rahmen der Zielsetzung nach Absatz 1 ihren Beitrag an der Erreichung der Zwischenziele und des Gesamtziels bis 2035 zu leisten.

(3) Kohlenstoffreiche Böden sind in ihrer Funktion als natürliche Speicher für klimarelevante Stoffe zu erhalten, wiederherzustellen und zu vermehren.

(4) Die ober- und unterirdischen Kohlenstoff-Speicherkapazitäten des Waldes und der Kohlenstoffspeicher Holz sind zu erhalten, zu fördern und zu vermehren.

(5) Die negativen Folgen des nicht mehr abwendbaren Klimawandels in Niedersachsen sind durch angemessene Anpassungsmaßnahmen zu mindern.

§ 4

Grundsätze

(1) 1Bei der Verwirklichung der Ziele nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 kommt der Energieeinsparung, der effizienten Bereitstellung, Umwandlung, Nutzung und Speicherung von Energie sowie dem Ausbau erneuerbarer Energien und dem hierfür notwendigen Ausbau bzw. der hierfür notwendigen Modernisierung der Stromnetz- und Energieinfrastruktur besondere Bedeutung zu. 2Die ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekte sind bei der Verwirklichung der Ziele nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 angemessen zu berücksichtigen.

(2) Bei der Verwirklichung des Ziels nach § 3 Abs. 5 kommt der Substitution von Torf durch klimaschonende Rohstoffe und dem Erhalt und dem Wachstum kohlenstoffreicher Böden eine besondere Bedeutung zu.

(3) Bei der Verwirklichung des Ziels nach § 3 Abs. 6 kommt unter Beachtung der natürlichen biologischen Vielfalt der Vermehrung der Waldfläche und der Steigerung des Holzzuwachses, der Produktion und Verwendung langlebiger Holzprodukte (stoffliche Nutzung) sowie der Substitution fossiler Brennstoffe (energetische Nutzung) und energetisch aufwendig hergestellter Baustoffe durch Holz besondere Bedeutung zu.

(4) 1Bei der Verwirklichung des Ziels nach § 3 Abs. 7 kommt einer vorsorgenden Berücksichtigung der Auswirkungen des Klimawandels besondere Bedeutung zu. 2Insbesondere im Bereich der Landwirtschaft, des Küstenschutzes, des Hochwasserschutzes, des Grundwasserschutzes, der Wald- und Forstwirtschaft, der Landschaftsplanung, der Landesraumordnung, der Stadt- und Gemeindeentwicklung sowie des Boden- und Naturschutzes sind die Folgen des Klimawandels zu berücksichtigen.

§ 5

Instrumente

(1) 1Die Landesregierung beschließt zur Erreichung der Ziele aus § 3 erstmalig im Jahr 2021 ein Maßnahmenprogramm mit den Schwerpunkten Energie, Verkehr, Industrie, Gebäude, Landwirtschaft, Ernährung, Wald, Moore und Klimaschutz. 2Die Landesregierung stellt die Finanzierung durch die Einrichtung eines Klimaschutzfonds sicher, der bedarfsgerecht auszustatten ist. 3Die Koordinierung der Erstellung des Maßnahmenprogramms erfolgt durch das für den Klimaschutz zuständige Ministerium. 4Inhalte des Programms sind insbesondere

1.      Zwischenziele zur Minderung der Gesamtemissionen bis zum Jahr 2035,

2.      Ziele zur Senkung des Primärenergieverbrauchs sowie zum Ausbau erneuerbarer Energien, die in Übereinstimmung mit den in § 3 Abs. 1 und Abs. 2 und in § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 genannten Zielen stehen,

3.      ein Konzept für eine klimafreundliche Landesverwaltung, das die Gesamtemissionen der Landesverwaltung im Jahr 1990 sowie die aktuellen Emissionen erfasst und einen Minderungspfad bis zum Jahr 2035 definiert, der in Übereinstimmung mit den in § 3 Abs. 3 genannten Zielen steht,

4.      Maßnahmen, die einen Beitrag zur Erreichung der in § 3 Abs. 1 und Abs. 3 bis 5 und § 5 Abs. 1 Satz 3 Nrn. 1 und 2 genannten Ziele leisten können.

5Bei der Erstellung des Maßnahmenprogramms sind die Minderungsbeiträge durch Klimaschutzmaßnahmen des Bundes und der Europäischen Union zu berücksichtigen. 6Bestehende Programme des Landes können einbezogen werden.

(2) Das für den Klimaschutz zuständige Ministerium entwickelt unter Mitwirkung der fachlich jeweils zuständigen Ministerien eine Strategie zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Anpassungsstrategie) unter Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse fort.

(3) Die Instrumente gemäß Absatz 1 und 2 werden auf Basis eines Monitorings nach § 11 alle zwei Jahre fortgeschrieben.

§ 6

Berichterstattung durch Kommunen

(1) Die Kommunen stellen erstmals für das Jahr 2022, anschließend jährlich innerhalb des ersten Quartals des Folgejahres, einen Energiebericht auf und machen diesen dem jeweils zuständigen Rat und der Öffentlichkeit zugänglich.

(2) Der Energiebericht besteht mindestens aus folgenden Inhalten:

1. Darstellung des Gesamtverbrauchs an Strom und Heizenergie,

2. Darstellung des Jahresverbrauchs jeder Liegenschaft, für die aufgrund von separaten Abnahmestellen Einzeldaten vorhanden sind, bezogen auf die genutzte Gebäudefläche,

3. Darstellung der Kosten, die für die Gesamtverbräuche nach Nummer 1 anfallen,

4. Darstellung der CO2-Emissionen, die aus den Gesamtverbräuchen nach Nummer 1 resultieren,

5. Darstellung der Erzeugung regenerativer Energien durch eigene Anlagen,

6. Darstellung der Entwicklung der Werte der Nummern 1 bis 5 in den jeweils letzten drei Jahren spätestens im vierten Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes.

§ 7

Klimaneutrale Mobilität

(1) 1Das Land unterstützt die Entwicklung des Verkehrssektors in Richtung klimaneutrale Mobilität. 2Dabei kommt einer verstärkten Auslastung und höheren Effizienz der Verkehrsmittel, einer Steigerung des Anteils von Rad- und Fußgängerverkehr, der verstärkten Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs, der Nutzung weiterer Angebote von geteilter Mobilität, einer Stärkung des Schienenverkehrs sowie einer Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs und des Verbrauchs fossiler Energie durch die Nutzung alternativer, auf erneuerbaren Energien basierender Antriebe und klimagerechter Treibstoffe besondere Bedeutung zu.

(2) 1Bis 2030 soll der Schienenverkehr im Zuständigkeitsbereich des Landes ausschließlich mittels treibhausgasneutraler Antriebe betrieben werden. 2Das Land Niedersachsen verpflichtet sich, im Rahmen seiner vergaberechtlichen Möglichkeiten Anschaffungen auf die Erreichung des Ziels nach Satz 1 auszurichten und ab 2021 ausschließlich Schienenfahrzeuge mit klimaneutralen und emissionsfreien Antrieben zu beschaffen. 3Zur Stärkung des Schienenverkehrs sind weitere Reaktivierungen von Bahnstrecken voranzutreiben.

(3) Im Rahmen der gesamten Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs verpflichten sich das Land und die Träger des öffentlichen Verkehrs ab dem Jahr 2021 zur ausschließlichen Unterstützung emissionsfreier Fahrzeuge und Antriebe auf der Grundlage erneuerbarer Energien.

(4) Bei kommunalen Straßenausbaumaßnahmen und Straßensanierung sind Verkehrsräume vorrangig auf emissionsfreie Fahrzeuge, Fußgänger*innen und Radfahrer*innen auszurichten.

(5) 1Neu- und Ersatzbeschaffungen von Fahrzeugen des Landes verfügen ab sofort dort, wo es technisch bereits möglich ist, über alternative, auf erneuerbaren Energien basierende Antriebe. 2Die besonderen Anforderungen der Nutzung, Nachrüstung und Erneuerung von Spezialfahrzeugen werden hierbei berücksichtigt. 3Die Dienststellenstandorte sind parallel mit der gegebenenfalls erforderlichen Tank- und Ladeinfrastruktur auszustatten.

(6) Der Netto-Flächenverbrauch wird bis 2035 auf Null gesenkt.

(7) Es erfolgt kein Neubau von Autobahnen.

(8) 1Bei vom Land veranlassten Dienstreisen soll das klimafreundlichste Fortbewegungsmittel genutzt werden. 2Die Institutionen des Landes Niedersachsen sind verpflichtet, dienstliche Flugreisen auf ein notwendiges Maß zu beschränken. 3Vom Land veranlasste Dienstreisen erfolgen klimaneutral. 4Entstehende Treibhausgasemissionen werden über ein geeignetes Instrument kompensiert.

§ 8

Ausbau der Windenergie

1Das Land nutzt die Möglichkeiten der Landesplanung um zu gewährleisten, dass die zur Erreichung der in § 3 Abs. 1 genannten Ziele erforderlichen Flächen von 2,1 Prozent der Landfläche Niedersachsens durch klare kreisspezifische Vorgaben für den Ausbau der Onshore-Windenergie zur Verfügung stehen. 2Im Kontext des Ausbaus der notwendigen Kapazitäten Erneuerbarer Energien nehmen auch der Ausbau von Speicherkapazitäten sowie ein intelligentes Lastmanagement eine wichtige Rolle ein.

§ 9

Nutzung der Sonnenenergie

1Alle Neubauten sind ab Mitte 2021 und Bestandsbauten ab 2030 soweit technisch möglich mit Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen auszustatten. 2Wenn der oder die Eigentümerin der Neu- oder Bestandsgebäude nicht selbst in den Bau einer Anlage investieren kann oder möchte, kann die solare Nutzung über Pachtmodelle oder Kooperationen mit Bürgerenergieprojekten realisiert werden. 3Bis 2025 müssen alle geeigneten öffentlichen Dachflächen für Solarthermie oder Photovoltaik genutzt werden. 4Versiegelte Flächen wie Verkehrsflächen, Deponien und Parkplätze werden zur Erzeugung von Solarstrom genutzt.

§ 10

Klimaschutz im Gebäudesektor

1Neue Ölheizungen dürfen nur noch bis Mitte 2021 eingebaut werden. 2Für Neubauten sind ab 2025 100 Prozent Erneuerbare Wärme Standard. 3Im Gebäudebestand ist ab Mitte 2021 bei Heizungstausch oder Sanierung ein Anteil von mindestens 25 Prozent Erneuerbarer Wärme verpflichtend; bis 2030 steigt der Anteil auf 100 Prozent, sodass ab 2030 alle neuen Heizungen vollständig ohne fossile Energien betrieben werden. 4 Das verstärkte Bauen mit dem Kohlenstoffspeicher Holz wird erleichtert.

§ 11

Klimaschutz in der Land- und Forstwirtschaft

1Die Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft werden durch eine Verringerung der Stickstoffdüngung und eine flächengebundene Tierhaltung reduziert. 2Der Anteil der ökologisch bewirtschafteten landwirtschaftlichen Nutzfläche wird bis 2030 auf mindestens 30 Prozent gesteigert. 3Der Anbau eigener Futtermittel soll den Import von Futtermitteln aus Regenwaldgebieten und Primärwäldern ersetzen. 4Die Umsetzung der Sätze eins bis drei bildet einen Schwerpunkt der Agrarförderung. 5Das Land fördert darüber hinaus die Reduzierung des Fleischkonsums durch die Unterstützung von vegetarischen und veganen Alternativen. 6Die Wiederaufforstung der aufgrund der klimabedingten Trockenheit großflächig abgestorbenen Fichtenforste als naturnahe Laubmischwälder mit in Europa heimischen Baumarten wird unterstützt. 7Für den Wald ausreichende Grundwasserstände sind zu erhalten.

§ 12

Moore und Humus als natürliche Kohlenstoffspeicher

1Humus ist als natürlicher Kohlenstoffspeicher zu erhalten und sein Aufbau im Boden zu fördern. 2Die in Niedersachsen noch vorhandenen Moore sind zu erhalten und land- und forstwirtschaftlich ungenutzte Moorbereiche sind wiederzuvernässen, das Programm niedersächsische Moorlandschaften wird beschleunigt umgesetzt. 3Auf Moorstandorten wird der besonders humuszehrende und damit Treibhausgasemissionen freisetzende Umbruch von Dauergrünland untersagt und die Umwandlung von Ackerflächen in Dauergrünland gefördert. 4Der Humusaufbau im Wald wird gefördert. 5Das Land Niedersachsen verzichtet auf die Verwendung von Torf.

§ 13

Erziehung, Bildung und Information

1Das allgemeine Verständnis für die Ziele des Gesetzes ist mit geeigneten Mitteln zu fördern. 2Die staatlichen, kommunalen und privaten Erziehungs-, Bildungs- und Informationsträger sollen im Rahmen ihrer Möglichkeiten über Ursachen, Bedeutung und die Folgen des Klimawandels sowie die Aufgaben des Klimaschutzes aufklären und das Bewusstsein für einen sparsamen Umgang mit Energie und natürlichen Ressourcen fördern.

§ 14

Klimakompetenzzentrum

(1) Zur dauerhaften Untersuchung, Bewertung und Dokumentation des Klimawandels und seiner Folgen in Niedersachsen sowie zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels unterhält das für Klimaschutz und Klimaanpassung zuständige Ministerium ein Klimakompetenzzentrum Niedersachsen.

(2) 1Aufgabe des Klimakompetenzzentrums ist es insbesondere,

1.      regionale Klimaprojektionen zu erstellen und die Ergebnisse für Niedersachsen und seine Teilräume zu bewerten,

2.      die Folgen des Klimawandels für Niedersachsen zu untersuchen und zu beurteilen sowie klimatologische Daten und Informationen zur Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen bereitzustellen,

3.      Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu entwickeln,

4.      Indikatoren- und Monitoringsysteme zur dauerhaften Beobachtung des Klimawandels zu unterhalten und

5.      das Land, der Kommunen und der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie Private zu beraten.

2Die Koordinierung der beteiligten Fachbehörden und Fachinstitutionen im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung gemäß Satz 1 erfolgt durch das Klimakompetenzzentrum.

§ 15

Monitoring

(1) Das Erreichen der Ziele nach § 3 und die Instrumente nach § 5 werden im Rahmen eines regelmäßigen Monitorings überprüft und gegebenenfalls angepasst.

(2) 1Das Monitoring besteht aus den folgenden Berichten:

1.            einem durch die für die Statistik zuständige Landesbehörde zu erstellenden jährlichen Bericht über die Entwicklung der Gesamtemissionen und der Treibhausgasemissionen der einzelnen Sektoren,

2.            einem jährlich innerhalb des ersten Quartals des Folgejahres zu erstellenden Energiebericht für die landeseigenen und durch das Land gemieteten Gebäude mit den in § 6 Abs. 2 genannten Inhalten; die Koordinierung der Erstellung des Berichts erfolgt durch das für das staatliche Baumanagement zuständige Ministerium,

3.            einem von dem für Klimaschutz zuständigen Ministerium zu erstellenden Bericht über die Emissionen von Kohlendioxid, die je Kalenderjahr durch die Dienstkraftfahrzeuge des Landes und durch Dienstreisen verursacht werden,

4.            einen Fortschrittsbericht, der im Rahmen der Fortschreibung des Maßnahmenprogramms nach § 5 Abs. 1 erstellt wird; die Koordinierung der Erstellung des Fortschrittsberichts erfolgt durch das für den Klimaschutz zuständige Ministerium,

5.            einen durch das für den Klimaschutz zuständige Ministerium zu erstellenden Umsetzungsbericht, der im Rahmen der Fortschreibung der Anpassungsstrategie nach § 5 Abs. 2 erstellt wird.

2Der Fortschrittsbericht nach Satz 2 Nr. 4 enthält insbesondere den Umsetzungsstand der zentralen Ziele und Maßnahmen sowie eine Bewertung der Ergebnisse; die Wirkungsbeiträge durch Klimaschutzmaßnahmen des Bundes und der Europäischen Union sowie wichtige Aspekte einer verursacherbezogenen Betrachtung sind in die Bewertung der Ergebnisse mit einzubeziehen.

§ 16

Berücksichtigungspflicht

1Die Träger öffentlicher Aufgaben berücksichtigen bei ihren Planungen und Entscheidungen den Zweck dieses Gesetzes und die zu seiner Erfüllung festgelegten Ziele. 2 Die Kompetenzen der Kommunen, die Berücksichtigungspflicht innerhalb ihrer jeweiligen Verantwortungsbereiche auszugestalten, bleiben unberührt.

§ 17

Unterrichtung des Landtages und der Öffentlichkeit

Das Maßnahmenprogramm gemäß § 5 Abs. 1 und die Anpassungsstrategie gemäß § 5 Abs. 2 sowie deren Fortschreibungen sind zur Unterrichtung der Öffentlichkeit in das Internet einzustellen, außerdem ist der Landtag zu unterrichten.

Artikel 3

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft.

 

Begründung

A.     Allgemeiner Teil

Anlass und Ziele des Gesetzes

Die Klimakrise gefährdet unsere Lebensgrundlagen. Um die schlimmsten Klimafolgen noch zu verhindern, muss die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft zügig umgesetzt werden. Nur so sind die von 197 Staaten in Paris beschlossenen Klimaziele zu erreichen, die Erderhitzung auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen.

Dies erfordert eine vollständige Dekarbonisierung, also das Ende der Ära von Kohle, Öl und Gas als Basis unserer Wirtschaft und Versorgung. Die Energie für Strom, Wärme und Mobilität muss zukünftig vollständig regenerativ erzeugt werden.

Zu Artikel 1 (Änderung der Niedersächsischen Verfassung):

Die Aufnahme des Klimaschutzes in die Niedersächsische Verfassung trägt einerseits der Dringlichkeit Rechnung und stellt ihn als nähere Erläuterung dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen gleich und hebt die auch für das Land Niedersachsen gültige Verpflichtung internationaler Abkommen zum Klimaschutz hervor. Die Aufnahme des Klimaschutzes als Staatsziel in die Landesverfassung unterstreicht die auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse fußende Einsicht, dass Klimaveränderungen in großen Teilen durch menschliche Einflüsse verursacht werden.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 2 (Niedersächsisches Klimagesetz):

§ 1 definiert den Gesetzeszweck, einen niedersächsischen Beitrag zum internationalen, europäischen und nationalen Klimaschutz zu leisten. Es werden aus den wissenschaftlichen Notwendigkeiten abgeleitete Klimaziele sowie notwendige Umsetzungsschritte und die Entwicklung klimaschonender Technologien als Gesetzeszwecke definiert.

§ 2 Die Begriffsbestimmungen orientieren sich an bestehenden Definitionen, z. B. aus dem Nationalen Treibhausgasinventar, sowie bei den kohlenstoffreichen Böden an wissenschaftlichen Definitionen. Nach dem Programm Niedersächsische Moorlandschaften weisen Moorböden eine Torfschicht von mindestens 30 cm im Oberboden auf. Die Torfe haben sich unter Wassersättigung durch Anhäufung von unvollständig zersetztem Pflanzenmaterial gebildet und bestehen zu mindestens 30 Prozent aus organischer Substanz. Weitere kohlenstoffreiche Böden haben sich an den Rändern der Moore oder im Übergang von der Marsch zur Geest ausgebildet.

§ 3 Der IPCC-Sonderbericht aus dem Jahr 2015 stellt fest, dass die Erreichung des 2-Grad-Ziels stärkerer Anstrengungen bei der Emissionsreduzierung bedarf als in den Jahren zuvor angenommen. Die daraus resultierenden prozentualen Minderungsziele gehen über die Forderungen älterer Entwürfe für ein Klimaschutzgesetz hinaus. Die im direkten eigenen Verantwortungsbereich der Landesregierung liegenden Verpflichtungen fallen nicht zuletzt wegen der Vorbildwirkung und des überschaubaren Geltungsbereichs höher aus. Die Ziele entsprechen den neueren Erkenntnissen der Klimaforschung, die die Notwendigkeit einer schnelleren Reduzierung der Treibhausgasemissionen bescheinigt.

§ 4 Bei den Grundsätzen wird im Energiesektor Einsparung, Effizienz, Speicherung sowie Erneuerbarer Energie mit der entsprechenden Netzinfrastruktur Vorrang eingeräumt. Beim Erhalt der Moore und Beendigung des Torfabbaus in Niedersachsen wird dem Ziel der Substitution von Torf im Erwerbs- und Hobbygartenbau eine besondere Bedeutung zugesprochen. Die Substitution von Torf durch klimaschonende Substrate wie Komposte, Rindenmulche etc. ist entsprechend vom Land vorzugeben und im eigenen Bereich bindend. Wälder und der Waldboden sind wertvolle Kohlenstoffspeicher, die es nicht nur zu erhalten, sondern zu vermehren gilt. Gleichzeitig soll Holz vor allem im Bereich der Baustoffe und der Substitution fossiler Brennstoffe eingesetzt werden.

§ 5 Alle Sektoren und Bereiche haben ihren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele zu leisten. Das gilt für den Gebäudesektor genauso wie die Ernährung in vom Land betriebenen oder geförderten Kantinen. Das Land Bremen hat z. B. in seinem Zuständigkeitsbereich die Ernährung komplett auf fleischarme Biolebensmittel umgestellt.

§ 6 Ganz wesentlich ist auch das Engagement der Kommunen am Erreichen der Klimaziele. Um Einsparpotenziale sichtbar zu machen, sind in einem Energiebericht jährlich der Stand der CO2- Emissionen, des Gesamtverbrauchs an Strom und Heizenergie und die erzeugte Menge erneuerbarer Energie darzustellen.

§ 7 Der Verkehrssektor ist mit einem Fünftel der Gesamtemissionen ganz wesentlich beim Erreichen der Klimaziele. Jedoch sind die gesamten Kohlendioxid-Emissionen des Pkw-Verkehrs zwischen 1995 und 2017 sogar um 0,5 Prozent angestiegen, Daher ist neben dem Schienenverkehr und ÖPNV auch der Autoverkehr für die Klimaschutzziele heranzuziehen. Ab 2025 sollen bei Neuanschaffungen keine Fahrzeuge mit fossilem Verbrennungsmotor mehr durch das Land angeschafft werden. Neue Autobahnen sind abzulehnen. Bei Dienstreisen sollte das klimafreundlichste Verkehrsmittel genutzt und eine klimaneutrale Kompensation gezahlt werden.

§ 8 Der Ausbau der Erneuerbaren Energien auf 100 Prozent bis 2030 ist ganz wesentlich für die Energiewende. Neben Änderungen der Förderbedingungen auf Bundesebene hat das Land über das Landesraumordnungsprogramm klare Zielvorgaben für den Ausbau der Windenergie festzulegen und entsprechende Kapazitäten für Speicher zu schaffen.

§ 9 Auf Neubauten und ab 2030 auch auf Bestandsbauten werden soweit technisch möglich Solaranlagen installiert. Damit werden erhebliche Beiträge zur Energiewende ohne zusätzlichen Flächenverbrauch geschaffen. Das Land hat dabei als gutes Beispiel voranzugehen und bis 2025 alle geeigneten Dächer mit Solarthermie und bzw. oder Photovoltaik auszustatten.

§ 10 Der Gebäudesektor trägt zu einem Drittel der treibhausgasrelevanten Emissionen in Deutschland bei. Daher müssen fossile Heizungen Schritt für Schritt durch Erneuerbare Wärme ersetzt werden. Neue Ölheizungen dürfen ab Mitte 2021 nicht mehr eingebaut werden. Auch bei Gasheizungen ist ein Ausstiegsszenario und Umstieg auf Erneuerbare Wärme umzusetzen.

§ 11 Die Landwirtschaft verursacht vor allem durch Überdüngung (Lachgas) und Massentierhaltung zusammen mit der Auszehrung von Moorböden ca. 28 Prozent der Treibhausgasemissionen in Niedersachsen. Daher müssen die Tierzahlen auf eine flächengebundene Tierhaltung von maximal zwei Großvieheinheiten pro ha reduziert werden. Die Wälder sind naturnah umzubauen. Der Wald braucht ausreichend hohe Grundwasserstände, wenn er überleben soll. Die Wasserentnahmen sind daher deutlich einzuschränken.

§ 12 Niedersachsen ist das Moorland Nummer 1 in Deutschland. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden und den hohen Treibhausgasemissionen entgegenzuwirken, wird der Umbruch von Dauergrünland untersagt und der Ausstieg aus dem industriellen Torfabbau vollzogen. Noch vorhandene Moore sind zu erhalten und wo möglich wiederzuvernässen.

§ 13 Gerade in Zeiten, in denen Parteien den wissenschaftlichen Konsens von über 99 Prozent der Wissenschaftler*innen zum menschengemachten Klimawandel leugnen, kommt der Bildung und Information über Ursachen, Bedeutung und Folgen des Klimawandels eine große Bedeutung zu, auch um alle Menschen zum sparsamen Umgang mit Energie und natürlichen Ressourcen anzuhalten.

§ 14 Um die wissenschaftliche Begleitung des Klimawandels und seiner Folgen sicherzustellen, ist ein eigenes Klimakompetenzzentrum notwendig. Es soll sowohl Institutionen beim Klimaschutz beraten als auch Vorschläge für Maßnahmen zum Klimaschutz und Klimaanpassung machen.

§ 15 Um das Erreichen der Klimaziele und ihrer Zwischenziele zu überprüfen, ist ein jährlicher Bericht über die Entwicklung der Treibhausgasemissionen in den einzelnen Sektoren Niedersachsens unerlässlich. Dazu gehören auch ein Energiebericht für landeseigene Gebäude und deren energetischen Sanierungsbedarf sowie eine Überprüfung von Dienstreisen und Dienstkraftfahrzeugen im Hinblick auf den Klimaschutz.

§ 16 Die Klimaschutzziele sind bei allen Planungen und Entscheidungen zu berücksichtigen.

§ 17 Der Landtag und die Öffentlichkeit sind jährlich über Fortschritte beim Erreichen der Klimaziele zu unterrichten.

C.     Haushaltsmäßige Auswirkungen

Im Rahmen des Monitorings sind die mittel- und langfristigen Kosten für Anpassungsmaßnahmen an bereits absehbare klimatische Veränderungen und die Kosten für aktive Klimaschutzmaßnahmen aus diesem Gesetz im Mipla-Rahmen zu bilanzieren. Für jedes Jahr sind dabei die Kosten für Investitionen, Fördermaßnahmen und Anpassungsmaßnahmen einzuplanen. Vom Bund wird eine zeitnahe Entscheidung zur Bepreisung von CO2 erwartet, um ökonomisch sinnvolle Investitionen und Effizienz zu unterstützen. Verschiedene ökonomische Analysen zeigen, dass die Kosten des Nichthandelns höher sind als die Kosten des Handelns. Schon bei der Anpassung der Deiche an steigende Meeresspiegel und der Anpassung der ober- und unterirdischen Infrastruktur können bei Nichthandeln sehr hohe Kosten auftreten, die unbedingt vermieden werden müssen. Das Land nutzt Umschichtungen von Rücklagen, Sondervermögen und Haushaltsposten zur Finanzierung. Das Land passt die Gebühren und Abgaben für Ressourcenverbrauch entsprechend an. Das Land prüft zudem, wo Kredite erforderlich sind, um schweren Schaden oder eine Bedrohung der natürlichen Lebensgrundlagen vom Land abzuwenden.

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