Änderungsantrag: Verbraucherschutz und Tierschutz haben Vorrang bei der Untersuchung von Schweine-Schlachtkörpern

(zu Drs. 17/1112 und 17/1470)

Fraktion der CDU
Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Fraktion der FDP

Den Verbraucherschutz nicht den Lobbyinteressen der Fleischindustrie opfern - Schweine-Schlachtkörper auch weiterhin gründlich untersuchen

  • Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/1112
  • Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung - Drs. 17/1470

Der Landtag wolle den Antrag in folgender Fassung beschließen:

Verbraucherschutz und Tierschutz haben Vorrang bei der Untersuchung von Schweine-Schlachtkörpern

Entschließung

Mit einer Änderung ihrer „Verordnung mit besonderen Vorschriften für die amtliche Überwachung von zum menschlichen Verzehr bestimmten Erzeugnissen tierischen Ursprungs“ (VO EG Nr. 854/2004) beabsichtigte die EU, die veterinäramtlichen Untersuchungen von Schweine-Schlachtkörpern grundsätzlich nur noch visuell vornehmen zu lassen. Auf den bisher obligatorischen Anschnitt innerer Organe und der Lymphknoten soll offenbar ebenso verzichtet werden wie auf das Abtasten der Leber und anderer Organe.

Der Landtag lehnt die auf EU-Ebene beschlossene VO zur Änderung der VO 854/2004 ab und fordert eine zeitnahe Überarbeitung. Der Verzicht auf Fleischanschnitt und Abtasten als Untersuchungsmethode und die Nutzung der risikobasierten Fleischuntersuchung wäre nach Auffassung des Landtages nur unter bestimmten Voraussetzungen, die jedoch bisher nicht umgesetzt werden können, im Sinne des Verbraucherschutzes zu verantworten. Da die Änderungsverordnung jedoch bereits im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden ist, ist sie auch in Niedersachsen geltendes Recht und entsprechend umzusetzen.

Zur Sicherstellung des unter den gegebenen Rahmenbedingungen bestmöglichen Schutzes des Verbraucherinnen und Verbraucher fordert der Landtag die Landesregierung auf, sich im Rahmen der Ausgestaltung nationaler Verwaltungsvorschriften für eine möglichst umfassende risikomindernde, gründliche und bundeseinheitliche Untersuchung von Schweine-Schlachtkörpern einzusetzen und sich auf der Bundesebene etwa im Rahmen einer Bundesratsinitiativen dafür stark zu machen, dass  insbesondere

  • neue Methoden und Erkenntnisse einbezogen werden, um die Diagnostik stetig weiter zu entwickeln und eine Anpassung an die heute tatsächlich relevanten Gefahren zu erreichen,
  • die Herstellung des beiderseitigen Informationsflusses zwischen Mast- und Schlacht-betrieben ermöglicht wird,
  • den Informationsfluss zwischen den jeweils für den Mast- und Schlachtbetrieb zu-ständigen Behörden bundesweit sichergestellt wird,
  • und der Forderung nach einer Verknüpfung bereits vorhandener Daten Rechnung getragen wird,
  • sowie Ausnahmeregelungen für kleine Schlachtereien ermöglicht werden, für die die Beibehaltung der herkömmlichen Untersuchungsmethode aufgrund der überschaubaren Schlachtzahlen und des direkten Bezugs zu dem jeweiligen Mastbetrieb alternativlos ist.

Begründung

Seit mindestens Mitte der 1990-er Jahre gibt es EU-weit Bestrebungen, die Fleischuntersuchung den veränderten Erfordernissen anzupassen. Ein erster Schritt war hierzu die VO (EG) 854/2004, die Anfang 2005 Rechtskraft erlangte. In dieser VO wurde das Prinzip der risikobasierten Fleisch-untersuchung verankert. Die aktuell überwiegend  praktizierte Form der Fleischuntersuchung ist seit Anfang des 20. Jahrhunderts unverändert geblieben. Um ca. 1900 war die Untersuchungstechnik für die damalige Zeit hochmodern und risikoorientiert, da man durch Anschneiden von Lymphknoten und Organen pathologisch-anatomische Veränderungen sehr gut erkennen konnte, die durch Tierseuchen oder Krankheitserreger beim Tier hervorgerufen wurden und für den Menschen gesundheitliche Risiken bedeuten. Anfang Oktober  2013 hat das Europäische Parlament mehrheitlich einen Gesetzesentwurf der Europäischen Kommission beschlossen, mit dem die Verordnung 854/2004 über besondere Vorschriften zur veterinäramtlichen Überwachung  u.a. von Schweine-Schlachtkörpern ab dem 1. Juni 2014 geändert werden soll. Damit soll das bisher im Rahmen der veterinäramtlichen Überwachung obligatorische Anschneiden innerer Organe und der Lymphknoten von Schweine-Schlachtkörpern entfallen; auch auf das Abtasten der Leber soll dann grundsätzlich verzichtet werden. Die Bundestierärztekammer kritisiert diese Änderung: Es bestehe die Gefahr, dass Krankheiten übersehen und nicht lebensmitteltaugliche Tiere in den Verkehr gebracht würden, schreibt die Bundestierärztekammer in ihrer Presseerklärung vom 11.10.2013. Die berufsständische Vertretung der  Veterinärmediziner weist darauf hin, dass etwa das Anschneiden des Herzens wichtig sei, um die Krankheit Rotlauf – eine auch für den Menschen infektiöse Hauterkrankung – bei Schweinen festzustellen. Außerdem könnten durch den Wegfall tastender und anschneidender Untersuchungsmethoden Abszesse und andere Organveränderungen übersehen werden.

In der 2011 erfolgten Stellungnahme der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) zur Modernisierung der Fleischuntersuchung beim Schwein wird aber auch auf die relevanten Unzulänglichkeiten bei der aktuellen Untersuchungsmethode hingewiesen. Demnach lassen sich Salmonellen, Yersinien, Toxoplasmen mit den herkömmlichen Untersuchungsmethoden durch Anschnitt nicht erfassen. Die EFSA empfiehlt daher einen Verzicht auf das Anschneiden und Abtasten; sieht jedoch gleichzeitig eine Intensivierung  der Diagnostik und Risikokategorisierung von Mastbetrieben und Schlachthöfen als erforderlich an. Dem Informationsfluss kommt dabei eine hohe Bedeutung zu. Für die Tiergesundheit relevante Veränderungen sind vom Schlachtbetrieb an den Mastbetrieb zurückzumelden.

Die im Herbst 2013 beschlossene Änderung der VO (EG) 854/2004 bleibt hinter den Empfehlungen der EFSA unverhältnismäßig zurück, da hier nur die Untersuchungsmethode am Schlachtband verändert wird, nicht aber die unverzichtbaren Elemente zur Sicherung der Fleischhygiene  einfordert werden. Diese Elemente, wie Diagnostik, Risikokategorisierung und Informationsfluss sind hinsichtlich Tiergesundheit und verantwortungsvoller amtlicher Fleischuntersuchung im Sinne des Verbraucherschutzes unabdingbar und damit auf nationaler Ebene einzufordern.

Es darf auch nicht verkannt werden, dass auch kleinere Schlachtereien ihre Existenzberechtigung haben. Daher sind für diese Betriebsgröße auf der Basis der bisher bewährten Form der Fleischuntersuchung Ausnahmeregelungen von der EU-VO zu gewähren.

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