Änderungsantrag: Verbraucherschutz für Smartphone-Nutzer verbessern - Kostenfallen in Mobilfunkverträgen ein Ende setzen

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/4844

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - Drs. 18/6027

Der Landtag wolle den Antrag in folgender Fassung beschließen:

Entschließung

Verbraucherschutz für Smartphone-Nutzer verbessern - Kostenfallen in Mobilfunkverträgen ein Ende setzen

In Deutschland beträgt die übliche Laufzeit von Mobilfunkverträgen 24 Monate. Einige wenige Provider bieten jedoch auch andere Laufzeiten an - beispielsweise 6 oder 12 Monate - oder geben gar keine Bindungsdauer vor. Verträge mit 24 Monaten Laufzeit werden in der Regel automatisch um weitere 12 Monate verlängert, sollten sie vorher nicht oder nicht fristgerecht gekündigt worden sein. Somit ist es im Anschluss erst zum Ende des dritten Vertragsjahres möglich, den Handyvertrag zu kündigen.

Viele Handynutzerinnen und Handynutzer sind sich nicht bewusst, welche Kostenfallen sich hinter Mobilfunkverträgen mit langen Laufzeiten verbergen können. In einer globalisierten, komplexen Welt bleibt den Verbrauchern oft nicht die Zeit, um alle Bedingungen eines Handyvertrags zu erfassen und diese bis zum Ablauf der zunächst vorgesehenen Vertragslaufzeit im Gedächtnis zu behalten.

Aus Sicht des Verbraucherschutzes besteht darüber hinaus die Problematik, dass Internet-Angebote häufig nicht die vereinbarte Leistung erbringen. Nach den Ergebnissen des aktuellen Monitoringberichts der Bundesnetzagentur vom März 2019 erreichten lediglich 12 % der Festnetzanschlüsse und 1,6 % der Mobilfunkanschlüsse die vertraglich vereinbarte Maximalgeschwindigkeit.

Die digitale Durchdringung nahezu aller Lebensbereiche stellt eine große Herausforderung für die Gewährleistung des grundrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Verbraucherschutzes dar. Der Landtag begrüßt die Beschlüsse der Verbraucherschutzministerkonferenz „Für mehr Transparenz und effektive Schutzmechanismen bei Algorithmen - Gegen digitale Diskriminierung“, „Digitale Souveränität - Stärkung des digitalen Persönlichkeitsrechts“, „Interoperabilität von Messengerdiensten“ und „Zertifizierung digitaler Dienste und Anwendungen“ und bittet die Landesregierung, sich auf Bundesebene für deren Umsetzung einzusetzen.

Vor diesem Hintergrund bittet der Landtag die Landesregierung, sich auf bundespolitischer Ebene dafür einzusetzen, dass

  1. die maximale Mindestvertragsdauer auf 12 Monate begrenzt wird und automatische Vertragsverlängerungen auf die Dauer von höchstens einem Monat beschränkt werden, sofern die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht spätestens einen Monat vor Ablauf des Vertrages diesen gekündigt haben. Dabei sind finanzielle Nachteile für Verbraucherinnen und Verbraucher durch tarifliche Preisaufschläge zu vermeiden.
  2. als Vertragsbestandteil eine auf genormten Qualitätsparametern basierende vertragliche Mindestleistung zugesichert werden muss;
  3. das von der Bundesnetzagentur in Auftrag gegebene und auf der Webseite www.breitbandmessung.de bereitgestellte Tool als rechtlich anerkannter Überwachungsmechanismus gilt und als Nachweis für nicht-vertragskonformes Anbieterverhalten anerkannt wird;
  4. pauschalierte Entschädigungen für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie ein Minderungs-, Tarifwechsel- und Sonderkündigungsrecht gesetzlich festgelegt werden;
  5. ein Sonderkündigungsrecht für Verbraucherinnen und Verbraucher festgelegt wird, wenn in ihrem Wohnbereich im Zuge eines signifikanten Netzinfrastrukturausbaus eine deutlich bessere Netzabdeckung bzw. Übertragungsgeschwindigkeit realisiert werden kann;
  6. sich die Bemessung des wegen Ordnungswidrigkeiten nach dem Telekommunikationsgesetz verhängten Bußgeldes für die Anbieter an den Vorgaben des Art. 6 der Verordnung (EU) 2015/2120 orientiert und somit „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ ist;
  7. eine voreingestellte Drittanbietersperre eingeführt wird, die von den Verbraucherinnen und Verbrauchern pauschal oder selektiv aufgehoben und während der gesamten Vertragslaufzeit geändert werden kann. Zudem ist eine Pflicht zur Einholung einer digitalen Bestätigung der Verbraucherinnen und Verbraucher für die kostenpflichtige Nutzung von Drittanbieterdiensten einzuführen (Redirect-Verfahren).

Begründung

1. Der Verband für Telekommunikation und Mehrwertdienste (VATM) und die Unternehmensberatung Dialog Consult haben eine Statistik veröffentlicht, in der sie die Mobilfunkumsätze der Netzbetreiber und Service-Provider in Deutschland im Jahr 2018 geschätzt haben. Die besagte Statistik stuft den Jahresumsatz der Telekom auf 8 Milliarden Euro, den von Telefonica auf 6,5 Milliarden Euro und den von Vodafone auf 6,1 Milliarden Euro ein. Wenn Mobilfunkanbieter bei der Vertragslaufzeit aus versteckten Kosten Kapital schlagen, ist dies verbraucherfeindlich. Die Mindestvertragslaufzeit von Mobilfunk- und Festnetzverträgen auf maximal ein Jahr zu begrenzen und eine automatische Vertragsverlängerung auf maximal einen Monat festzuschreiben, ist ein geeignetes Mittel, um dieses Vorgehen zu unterbinden und den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher signifikant zu verbessern.

2. Seit kurzem steht der Bundesnetzagentur ein Werkzeug zur Feststellung und Auswertung der Breitbandangebote bei stationärem und mobilem Internet zur Verfügung. Damit ist erstmalig eine Einschätzung der tatsächlichen Situation auf einer belastbaren Datenbasis möglich. Aus den ersten Ergebnissen dieser Messungen ergibt sich aus Verbraucherschutzsicht dringender Handlungsbedarf.

Die Anbieter von Internetzugangsdiensten sind zu verpflichten, basierend auf der Qualitätsklassen-Tabelle der DIN-Norm für Internetzugänge (DIN 66274-2), darüber zu informieren, welchen der in der Norm aufgeführten Qualitätsklassen ihr Internetzugangsdienst entspricht. Dabei sollte auch angegeben werden, welche konkrete Leistung auf Basis der für die Klassifizierung vorgesehenen Parameter vertraglich zugesichert wird. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) sollte für diese Informationen, die auf dem geplanten Produktinformationsblatt zu finden sein sollten, eine verbindliche Form vorgeben.

3./4./5./6. Das von der BNetzA in Auftrag gegebene und auf der Webseite www.breitbandmessung.de bereitgestellte Tool ist durch die BNetzA zur Messung der Qualität von Internetanschlüssen als Überwachungsmechanismus zu zertifizieren, um ein rechtliches Vorgehen und die Beweisführung der Verbraucherinnen und Verbraucher gegen erhebliche Abweichungen von den vertraglichen Bandbreitenzusicherungen der Anbieter zu erleichtern.

Für Verstöße von Telekommunikationsanbietern gegen gesetzliche Vorgaben verhängt die Bundesnetzagentur schon heute gelegentlich Bußgelder, die aber in aller Regel weder wirksam noch abschreckend sind. Dies zeigt sich etwa im Bereich des Anbieterwechsels, wo die klaren gesetzlichen Vorgaben von den Unternehmen regelmäßig missachtet werden und Bußgelder durch die Bundesnetzagentur praktisch nie verhängt werden. Es ist deshalb entscheidend, durch Berücksichtigung der Vorgabe der Verordnung sicherzustellen, dass Bußgelder, die im Zusammenhang mit Verstößen gegen die Netzneutralität oder vertraglich vereinbarte Bandbreiten tatsächlich die geforderte abschreckende Wirkung auf die Unternehmen haben.

7. Laut dem Marktwächter Digitale Welt der Verbraucherzentralen ist eines der häufigsten Verbraucherprobleme im Telekommunikationsbereich das so genannte unzulässige WAP-Billing, also die Möglichkeit, elektronische Güter wie Spiele, Klingeltöne oder Hintergrundbilder von Drittanbietern über die Mobilfunkrechnung zu kaufen. Diese Zahlungsmethode kann durchaus für Verbraucherinnen und Verbraucher von Vorteil sein, doch in vielen Fällen sind sich die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher nicht bewusst, dass sie eine kostenpflichtige Leistung bestellt haben, weil der Vertragsschluss mit dem Drittanbieter zu schnell erfolgt. Zudem wird die Methode des WAP-Billings von unseriösen Drittanbietern für „Abo-Fallen“ missbraucht. Die im Rahmen der Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) von 2012 eingeführte Möglichkeit einer sogenannten „Drittanbietersperre“ hat sich in ihrer jetzigen Form als nicht wirksam erwiesen, da sie meist erst nachträglich eingerichtet wird und generell für alle Drittanbieter gilt, anstatt Verbraucherinnen und Verbrauchern die Möglichkeit zu geben, nur bestimmte Drittanbieter zu sperren. Es ist also – wie auch bereits vom Bundesrat in einer Stellungnahme gefordert – eine voreingestellte und selektive Drittanbietersperre notwendig, die auf expliziten Wunsch der Kundin oder des Kunden pauschal oder selektiv aufgehoben werden kann. Zudem muss eine digitale Bestätigungslösung in Form eines standardisierten, flächendeckenden Redirect-Verfahrens etabliert werden. Dabei wird die Kundin oder der Kunde nach Auswahl des Drittanbieter-Produkts auf die Seite des Telekommunikationsanbieters weitergeleitet, um dort die Auswahl und den Vertragsschluss mit dem Drittanbieter zu bestätigen. Nur so kann das unzulässige Vorgehen von einigen Drittanbietern effektiv unterbunden werden.

Zurück zum Pressearchiv