Änderungsantrag: Mehr Lehrerinnen und Lehrer für Niedersachsen – Zugänge zur Lehramtsausbildung ausbauen und zukunftsfähig gestalten

Antrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen – Drs. 16/418

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur – Drs. 16/1748

Der Landtag wolle den Antrag in folgender Fassung beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

  1. Etwa 52 % der niedersächsischen Lehrerinnen und Lehrer haben das 50. Lebensjahr überschritten. Der Anteil der über 50-jährigen ist bei den Lehrkräften mehr als doppelt so hoch, wie im Durchschnitt der Erwerbstätigen insgesamt. In den kommenden 15 Jahren werden somit mehr als die Hälfte der niedersächsischen Lehrkräfte aus dem aktiven Dienst ausscheiden.
  1. Schon heute reichen die Ausbildungskapazitäten an niedersächsischen Hochschulen und Studienseminaren nicht zur Deckung des aktuellen Bedarfs der niedersächsischen Schulen. Bei einem bis zum Jahre 2020 erheblich anwachsenden Einstellungsbedarf wird sich diese Deckungslücke erheblich ausweiten.
  1. Die Kapazitäten der Studienseminare sind derzeit der Flaschenhals der Lehrerausbildung in Niedersachsen. In 2007 haben nur etwas mehr als 1/3 der Bewerberinnen und Bewerber einen Ausbildungsplatz in den niedersächsischen Studienseminaren bekommen; 2448 BewerberInnen gingen leer aus. Die von der Landesregierung angekündigte geringe Ausweitung der Kapazitäten reicht bei weitem nicht aus, um den Bedarf an jungen Lehrerinnen und Lehrern zu decken.
  1. Um den Lehrkräftebedarf in den Mangelfächern an den allgemein- und berufsbildenden Schulen kurzfristig zu decken, ist die Anwerbung von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern vorerst unausweichlich (zeitlich befristet, solange der jeweilige Mangel Bestand hat).
  1. Die durch den Bolognaprozess und die Umstellung auf Bachelor und Master geschaffenen Möglichkeiten, insbesondere für Absolventen musischer oder naturwissenschaftlicher Bachelor-Studiengänge, ohne Zeitverlust einen für das Lehramt an allgemein- oder berufsbildenden Schulen qualifizierenden Masterstudiengang anzuschließen, bleiben bei der Überbrückung des Fachlehrermangels bisher ungenutzt.

Der Landtag fordert die Landesregierung daher auf,

  1. die Aufnahmekapazität der niedersächsischen Studienseminare an den bestehenden Standorten durch strukturelle, personelle und finanzielle Aufstockung in einem ersten Schritt um 500 zusätzliche Studienplätze auszuweiten und in den Folgejahren bedarfsgerecht anzupassen.
  1. für Absolventinnen und Absolventen eines nicht lehramtsbezogenen Bachelor-, Diplom- oder Magisterstudienganges in Mangelfächern ein Masterprogramm aufzulegen, welches mit hohem Praxisanteil und praxisorientierten Intensivmaßnahmen in den Bereichen Pädagogik allgemeiner Didaktik und Fachdidaktik für das Lehramt an allgemein- oder berufsbildenden Schulen qualifiziert. Diesem speziellen Quereinsteiger-Masterstudium sollte ein verpflichtendes Praktikum vorangestellt werden.
  1. analog zu den Bundesländern Baden Württemberg und Rheinland-Pfalz für ausgesuchte Mangelfächer, wie z.B. Musik oder auch Kunst, alternativ zum Einfachlehrer das Studium eines Großfachs mit einem wissenschaftlichen Beifach (Lehrbefähigung bis einschließlich Sekundarstufe I, sog. Kleine Fakultas) zuzulassen.
  1. sicherzustellen, dass geeignete Bewerber für einen Studienplatz in einem Mangelfach nicht wegen Nichterfüllung von Zugangsvoraussetzungen für ein Zweitfach von der Aufnahme des Studiums abgehalten werden. Dabei sollte auch eine Liberalisierung der vorgeschriebenen Fächerkombinationen vorgenommen werden.
  1. das viersemestrige Masterstudium für alle Lehramtsstudiengänge einzuführen um die Ausbildungsqualität zu sichern und eine Gleichbehandlung unter den verschiedenen Schulformen herbeizuführen.
  1. frühe Praxisanteile bereits in den ersten beiden Semestern des Lehramtsstudiums mit anschließender Gelegenheit zur Selbsteinschätzung, ähnlich dem Hildesheimer Modell, an allen niedersächsischen Hochschulen zu implementieren.
  1. den Übergang vom Bachelor- zum Masterstudium nicht anhand von Mindestnoten zu gestalten, sondern die zur Verfügung stehenden Studienplätze in Reihenfolge der Qualität der Abschlüsse und der pädagogischen Eignung komplett an die besten Absolventen zu vergeben.
  1. durch eine stärkere Kooperation zwischen Hochschulen und Studienseminaren einerseits die Ergebnisse der Forschung zeitnah in die Ausbildung an den Studienseminaren einzubeziehen und andererseits die Ergebnisse von Unterrichtsbegleitforschung verstärkt in die Studieninhalte einfließen zu lassen.
  1. auf die Festlegung von Mindestnoten als alleinige Einstellungsvoraussetzung in den Schuldienst zu verzichten und den Eigenverantwortlichen Schulen die Möglichkeit zu geben, pädagogisch besonders geeignete oder dem Schulprofil besonders entsprechende Bewerberinnen und Bewerber auch bei schlechteren Noten auszuwählen.

Begründung:

Es ist dringend notwendig, dem akuten und sich aufgrund der anstehenden Pensionierungswelle noch stärker abzeichnenden Lehrermangel speziell in den permanenten Mangelfächern entgegenzuwirken. Dafür ist es, neben der Implementierung früher Praxisanteile im Lehramtsstudium zur Verringerung der Abbrecherquoten, erforderlich, die Kapazitäten der niedersächsischen Studienseminare auszuweiten. Dies dürfte an den bestehenden Studienseminaren durch Nutzung der vorhandenen Infrastruktur wesentlich einfacher, schneller und kostengünstiger zu realisieren sein, als mit der von der Landesregierung beabsichtigten Einrichtung von Außenstellen, oder der von der SPD-Fraktion geforderten Gründung neuer Studienseminare im ländlichen Raum. Die mit der Gründung neuer Studienseminare erhofften "Klebeeffekte" in ländlichen Räumen mit einem überdurchschnittlichen Mangel an Bewerbern dürften demgegenüber zu vernachlässigen sein.

Ebenfalls bedarf es einer qualitativen Aufwertung der Lehramtsausbildung für Quereinsteiger in Fächern des besonderen Bedarfs. Nachteil des bisher praktizierten Quereinstiegs in den Schuldienst für Hochschulabsolventinnen und –absolventen ohne Lehramtsstudium ist, dass die für den Beruf erforderliche pädagogisch-didaktische Qualifizierung lediglich nachträglich und berufsbegleitend an den Studienseminaren stattfindet. Obwohl diese kurzfristig greifende Rekrutierungsmaßnahme in Mangelfächern weiterhin unentbehrlich ist, sollten alternativ dazu besser qualifizierende Einstiegsmodelle, ähnlich dem Quereinstiegs-Masterstudiengang für die beruflichen Fachrichtungen Metalltechnik und Elektrotechnik an der Universität Osnabrück, eingerichtet werden.

Angesichts des dringenden Bedarfs kann es politisch nicht gewollt sein, dass die händeringend gesuchten geeigneten Bewerber für Mangelfächer wie zum Beispiel Musik an anderen, verwaltungsrechtlichen Zugangshürden zum Studium scheitern. Um die Attraktivität solcher Fächer zu steigern, sollte es daher für die Dauer des Bedarfs in ausgesuchten Fächern möglich sein, neben dem Mangelfach ein weiteres Fach mit untergeordneter Priorität zu studieren. Ebenfalls sollten für die Dauer des Bedarfs vorgeschriebene Fächerkombinationen, Notendurchschnitte oder nicht bestandene Leistungstest in Zweitfächern die Aufnahme eines Studiums nicht verhindern, sofern die Zulassungsvoraussetzungen für das Mangelfach erfüllt wurden.

Fraktionsvorsitzender

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