Änderungsantrag (interfraktionell): Aktionsplan gegen die Verschwendung von Lebensmitteln und zur Stärkung der Tafeln

Fraktion der SPD 
Fraktion der CDU
Fraktion Bündnis90/Die Grünen
Fraktion der FDP

Aktionsplan gegen die Verschwendung von Lebensmitteln und zur Stärkung der Tafeln

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/9592

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - Drs. 18/11171

Der Landtag wolle den Antrag in folgender Fassung beschließen:

Entschließung

Die gefährdete Ernährungssicherheit für einige Entwicklungsländer ist eine der vielen dramatischen Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine. Insbesondere in Ländern Nordafrikas und einigen anderen Ländern wie Jemen droht Hunger durch gesteigerte Nahrungsmittelkosten am Weltmarkt.

In Deutschland landen Jahr für Jahr 12 bis 18 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Das ist im Durchschnitt ein Drittel des aktuellen Verbrauchs von 54,5 Millionen Tonnen. Verbraucherinnen und Verbraucher werfen pro Kopf etwa 75 Kilogramm Lebensmittel im Jahr weg. In der Summe sind das jedes Jahr Lebensmittel im Wert von ca. 20 Milliarden Euro.

Die Hälfte dieses vermeintlichen Abfalls wäre noch genießbar. Insbesondere tragen Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der Handel zur Vernichtung von Lebensmitteln bei. Der verschwenderische Umgang mit Lebensmitteln wirkt sich negativ auf die Umwelt, eine effiziente Nutzung von Ressource, als auch auf die Versorgung aus.

Soziale Einrichtungen, wie die Tafeln, die Lebensmittel an Bedürftige abgeben und somit zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung beitragen, stehen vor bürokratischen und personellen Herausforderungen. Hier wollen wir unterstützen.

Zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung und zur Unterstützung von sozialen Einrichtungen bedarf es eines konkreten Maßnahmenpakets. Dazu gehört u.a. die Änderung der aktuellen Rechtslage. Die bestehende Gesetzeslage schützt die Entsorgung genießbarer Lebensmittel, statt ihr entgegenzuwirken.

Daher bittet der Landtag die Landesregierung,

  1. unter Federführung des Zentrums für Ernährung und Hauswirtschaft Niedersachsen (ZEHN) eine solide Datenbasis für die Lebensmittelverluste auf den verschiedenen Wertschöpfungsstufen, eine Ursachenanalyse und verbindliche Zielmarken zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung in Produktion, Handel, Gastronomie, Landwirtschaft und privaten Haushalten zu erarbeiten,
  2. zu prüfen, inwieweit Strategien für den Umgang mit verpackten Lebensmittelabfällen etabliert werden können, da diese insbesondere im Bereich der Kompostierung Probleme verursachen und zur Plastikanreicherung in Böden führen,
  3. zu prüfen ob neben der bestehenden Förderung der LAG Tafeln auch die örtlichen Tafeln unterstützt werden können, um den wachsenden Bedarf und die Weitergabe von Lebensmitteln an immer mehr Bedürftige zu bewältigen,
  4. die Initiierung einer Plattform zu prüfen, die alle an der Wertschöpfungskette Beteiligten mit den Tafeln und anderen gemeinnützigen Organisationen vernetzt und Initiativen wie Foodsharing weiter zu unterstützen.
  5. sich so weit möglich im Rahmen des gegenwärtigen Konsultationsverfahrens der Europäischen Kommission zur Änderung der europäischen Lebensmittelinformationsverordnung dafür einzusetzen, dass bei den Regelungen zum Mindesthaltbarkeitsdatum neben den Belangen der Lebensmittelsicherheit die Reduzierung von Lebensmittelverschwendung Berücksichtigung findet.

Ferner bittet der Landtag die Landesregierung, sich auf bundespolitischer Ebene dafür einzusetzen,

  1. dass haftungsrechtliche Hürden für die Weitergabe von Lebensmitteln abgebaut werden,
  2. die Einführung eines Abgabengesetzes voranzutreiben, welches den Lebensmitteleinzelhandel und die Lebensmittelproduktion verpflichtet, weiterhin verwertbare Lebensmittel an gemeinnützige Initiativen zur Lebensmittelrettung abzugeben.
  3. die Bundesratsinitiative 543/21, welche die Einführung einer gesetzlichen Regelung der kostenlosen Abgabe von noch genießbaren Lebensmitteln durch den Handel und das verarbeitende Gewerbe an interessierte Personenkreise oder gemeinnützige Einrichtungen vorsieht zu unterstützen,
  4. zu prüfen, ob Initiativen wie Foodsharing organisatorisch und finanziell unterstützt werden können, um eine Verteilung genießbarer, für die Entsorgung vorgesehener Lebensmittel an Bedürftige im Inland oder in Krisenregionen sicherzustellen.

Begründung

Die deutsche Bundesregierung hat im Februar eine „Nationale Strategie zur Verringerung von Lebensmittelabfällen“ beschlossen. Damit sollen die Lebensmittelabfälle gemäß des globalen Nachhaltigkeitsziels bis 2030 halbiert werden. Vorgesehen sind allerdings keine verbindlichen Reduktionsziele, sondern Selbstverpflichtungen zur Erreichung von Reduktionszielen.

Eine spürbare Reduzierung der Lebensmittelabfälle wird sich allein durch freiwillige Maßnahmen der Wirtschaft kaum erreichen lassen. Um das Ziel einer Reduzierung der Lebensmittelverschwendung zu erreichen, sind verbindliche Regelungen sowohl auf Bundes- als auch auf europäischer Ebene erforderlich.

Der unverantwortlichen Lebensmittelverschwendung muss wirksam entgegengesteuert werden. Es fehlt an Wertschätzung für Lebensmittel.

Das Verschwenden von Lebensmitteln hat auch negative Folgen für unser Klima (Minderung von Treibhausgasen). Schließlich werden für die Produktion der Lebensmittel Energie, Wasser und Rohstoffe verbraucht, landwirtschaftliche Flächen genutzt und Arbeitskraft investiert. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette gehen Ressourcen somit verloren.

Frankreich und Tschechien zeigen, dass mit dem Verbot der Vernichtung verwertbarer Lebensmittel der Lebensmittelverschwendung im Lebensmitteleinzelhandel wirksam begegnet werden kann. Nicht zuletzt der Krieg in der Ukraine und damit einhergehenden Engpässe der Versorgung mit einzelnen Lebensmitteln verdeutlichen umso mehr die Wichtigkeit der Wertschätzung unserer Ressourcen.

Eine optimale Ausschöpfung der Potenziale in Bezug auf Vermeidung und Weitergabe von Lebensmittelüberschüssen kann nur so erreicht werden.

Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Nahrungsmittelkrise ist jedes entsorgte Produkt, das eigentlich noch genießbar wäre, eines zu viel. Da insbesondere Gesetzesvorhaben mit einer gewissen Laufzeit verbunden sind, ist schnelles Handeln, noch in dieser Legislaturperiode, erforderlich.

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