Änderungsantrag: Gesetz zur Neuordnung der beruflichen Grundbildung und zur Änderung anderer schulrechtlicher Bestimmungen - Drs. 16/126

Der Landtag wolle beschließen:

Artikel 1

Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes

1. § 15 wird wie folgt geändert:

Die Absätze 2 bis 4 erhalten folgende Fassung:

(2) Die Berufsschule gliedert sich in die Grundstufe und die darauf aufbauenden Fachstufen.

(3) Die Grundstufe dauert ein Jahr und vermittelt eine berufliche Grundbildung für einzelne oder mehrere Ausbildungsberufe. Sie wird geführt

a.) in Form von Teilzeitunterricht, in Form von Vollzeitunterricht in zusammenhängenden Teilabschnitten (Blockunterricht) oder

b.) als integrative Berufsgrundstufe im Rahmen eines Berufsausbildungsverhältnisses in Kooperation mit betrieblichen Ausbildungsstätten.

(4) Die Fachstufen vermitteln für einzelne oder mehrere verwandte Ausbildungsberufe eine berufliche Fachbildung. Sie werden in Form von Teilzeitunterricht oder von Vollzeitunterricht in zusammenhängenden Teilabschnitten (Blockunterricht) geführt.

Die Absätze 6 und 7 erhalten folgende Fassung:

(6) Dem Schulbesuch nach Absatz 3 kann der Besuch einer Berufseinstiegsschule vorangehen.

(7) Die Landesregierung wird ermächtigt, durch Verordnung für einzelne Berufsfelder die integrative Berufsgrundstufe im ganzen Land verbindlich einzuführen.

2. § 16 wird wie folgt geändert:

Es wird folgender Absatz 2 eingefügt:

Aufbauend auf der einjährigen Berufsfachschule kann in Fachrichtungen mit einem Mangel an Ausbildungsplätzen eine dual-kooperative Berufsfachschule mit einer Dauer geführt werden, die einem nach dem Berufsbildungsgesetz anerkannten Ausbildungsberuf entspricht. Sie endet mit der Abschlussprüfung vor der nach dem Berufsbildungsgesetz zuständigen Stelle. Die Zulassung zu Abschlussprüfungen nach § 43 Absatz 2 BBiG wird per Rechtsverordnung bestimmt.

Absätze 2 und 3 werden Absätze 3 und 4

Absatz 3 wird wie folgt geändert:

Dem Schulbesuch in der Berufsfachschule kann der Besuch einer Berufseinstiegsschule vorangehen.

3. § 17 erhält folgende Fassung

 § 17 Berufseinstiegsschule

  1.  Die Berufseinstiegsschule umfasst die Berufseinstiegsklasse, das Berufsvorbereitungsjahr und die Produktionsschule. In der Berufseinstiegsschule sollen aus den Inhalten anerkannter Ausbildungsberufe entwickelte Qualifizierungsbausteine vermittelt und bescheinigt werden. Sie wird regelmäßig evaluiert.
  2. Die Berufseinstiegsklasse wird mit Vollzeitunterricht geführt und dauert ein Jahr. In der Berufseinstiegsklasse können Schülerinnen und Schüler ihre Kenntnisse und Fähigkeiten für eine Berufsausbildung oder den Besuch einer Berufsfachschule verbessern. Schülerinnen und Schüler ohne Hauptschulabschluss können diesen in der Berufseinstiegsklasse erwerben.
  3. Schülerinnen und Schüler, die auf eine besondere individuelle Förderung angewiesen sind, werden mit dem Besuch eines Berufsvorbereitungsjahres oder einer Produktionsschule für eine Berufsausbildung oder eine Berufstätigkeit vorbereitet.
  1.  Das Berufsvorbereitungsjahr wird mit Vollzeitunterricht geführt und dauert ein Jahr. Im Berufsvorbereitungsjahr kann der Hauptschulabschluss erworben werden.
  2. Produktionsschulen vermitteln in erster Linie fachpraktische Fähigkeiten und Fertigkeiten für spezielle Berufsfelder und darauf bezogenes theoretisches Training. In Produktionsschulen kann auch der Hauptschulabschluss erworben werden. Der Besuch der Produktionsschule dauert in der Regel ein Jahr. Die Verlängerung um ein weiteres Jahr ist auf Antrag möglich. An den Besuch der Produktionsschule kann sich der Besuch der Berufseinstiegsklasse anschließen.   

4. § 59 bleibt unverändert gegenüber der geltenden Fassung

5. § 60 bleibt unverändert gegenüber der geltenden Fassung

6. § 61a wird nicht eingefügt

7. § 70 wird wie folgt geändert

Es wird folgender Absatz 6 angefügt:

Für Schulpflichtige, die mindestens ein Jahr eine Berufsfachschule oder eine Berufseinstiegsschule besucht haben und die kein Berufsausbildungsverhältnis eingehen, kann die Landesschulbehörde nur auf Antrag des Schulpflichtigen die Schulpflicht für beendet erklären.

8. § 149 wird wie folgt geändert.

In Absatz 1 wird folgender Satz 2 eingefügt

Auf Antrag im Einvernehmen mit dem Schulträger nach § 102 kann die Finanzhilfe für Produktionsschulen in freier Trägerschaft unmittelbar nach ihrer Genehmigung gewährt werden.

9. § 193 erhält folgende Fassung

Für die Bereiche Bau- und Holztechnik werden die bestehenden schulischen Berufsgrundbildungsjahre zum 31.07.2009 in eine integrative Berufsgrundstufe umgewandelt. Alle anderen bestehenden schulischen Berufsgrundbildungsjahre werden zum 31.07.2009 aufgehoben. Für die nach Satz 2 aufgehobenen Berufsgrundbildungsjahre werden die nach § 106 erteilten Genehmigungen widerrufen.

Begründung:

Die hier vorgelegten Änderungen beziehen sich ausschließlich auf den Bereich der beruflichen Bildung. Hinsichtlich der in Drucksache 16/126 ebenfalls vorgeschlagenen Regelungen zur Neueinrichtung von Gesamtschulen sei auf den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Drucksache 16/56 verwiesen.

Gemäß § 7 des Berufsbildungsgesetzes entfällt die Pflicht zur Anrechnung beruflicher Vorbildung auf die Ausbildungszeit zum 01.08.2009. Damit entfällt jedoch nicht zwingend die Pflicht zur Anrechnung an einer berufsbildenden Schule in vollzeitschulischer Form erworbener Fähigkeiten und Fertigkeiten, sofern diese im Rahmen eines Berufsausbildungsverhältnisses (bestehender Ausbildungsvertrag) besucht wird. Insbesondere in den Bereichen Bau- und Holztechnik hat sich das Berufsgrundbildungsjahr zur Vermittlung einer breiten fachpraktischen und -theoretischen beruflichen Grundbildung bewährt. Darüber hinaus wird die Wirtschaft durch das Berufsgrundbildungsjahr erheblich entlastet. Da zudem die entsprechende Infrastruktur an den Berufsbildenden Schulen vorhanden ist, sollte das bisherige Berufsgrundbildungsjahr in den Bereichen Bau- und Holztechnik als integrative Berufsgrundstufe im Rahmen eines Berufsausbildungsverhältnisses weiterentwickelt und fortgeführt werden.

Bereits im geltenden Schulgesetz wird im § 16 Absatz 1 die Möglichkeit der vollzeitschulischen Berufsausbildung an einer Berufsfachschule eingeräumt. Diese Möglichkeit sollte befristet und für Berufsfelder mit besonderem Mangel an Ausbildungsplätzen in enger Kooperation mit der Wirtschaft ausgebaut und im Schulgesetz konkretisiert werden.

Der Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und FDP setzt auch im Bereich der beruflichen Bildung für Jugendliche ohne Ausbildungsplatz zu stark auf Selektion und mangelnde Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Angeboten. Dies wird u.a. in den Zugangsbeschränkungen zur Berufsfachschule und den Möglichkeiten der "Abschulung", z.B. von der Berufsfachschule in die Berufseinstiegsschule deutlich. Diese Selektionsmechanismen und die mangelnde Durchlässigkeit verbessern die Qualität der Angebote nicht. Sie führen im Gegenteil dazu, besonders benachteiligte Jugendliche weiter zu benachteiligen. Statt der mit den vorgeschlagenen Änderungen der §§ 59 und 60 vorgesehenen Verfahren des Verweisens in eine andere Schulform sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, aufbauend auf den in einer Form der Berufseinstiegsschule bereits erworbenen Fähigkeiten und Kenntnissen eine weitere Form der Berufseinstiegsschule oder eine Berufsfachschule zu besuchen.

In der Berufseinstiegsschule sollen bescheinigte Qualifizierungsbausteine (Module) vermittelt werden, weil auf diese Weise eine höhere Motivation der beteiligten Jugendlichen zu erwarten ist und Vermittlungschancen verbessert werden.

Die Ergebnisse bestehender Produktionsschulen zeigen, dass dieser Weg der Heranführung im Schulsystem bisher gescheiterter Jugendlicher an eine qualifizierte Ausbildung oder an eine Berufstätigkeit durch hohe Praxisanteile bei der Herstellung marktfähiger Produkte sehr erfolgreich ist. Die Produktionsschule muss daher aufgewertet werden, in dem sie als Teil der Berufseinstiegsschule als mögliche Alternative zum Berufsvorbereitungsjahr etabliert wird. Die Produktionsschule soll auch Jugendliche aufnehmen, die nicht mehr schulpflichtig sind. Die in Niedersachsen bereits bestehenden Produktionsschulen werden zur Zeit häufig von freien Trägern geführt. Auch Berufsbildende Schulen sollen vermehrt auf diesen arbeitspädagogischen Schwerpunkt setzen können.  Um die besonderen Erfahrungen der freien Träger bei der Integration benachteiligter Jugendlicher und ihre besonderen Beziehungen zur regionalen Wirtschaft für die Gründung weiterer Produktionsschulen zu nutzen, sollte von der 3-Jahres-Frist, in der Schulen in freier Trägerschaft grundsätzlich keinen Anspruch auf Finanzhilfe des Landes haben, in besonderen Fällen abgewichen werden können, sofern der zuständige Träger öffentlicher Schulen dieses gemeinsam mit dem jeweiligen freien Träger beantragt.

Gegen die geplante Einführung des § 61 a gibt es erhebliche rechtliche Bedenken.

Die im § 70 Absatz 6 vorgesehene obligatorische Beendigung der Schulpflicht in bestimmten Fällen ggf. auch gegen den Willen der/des Betroffenen ermöglicht, besonders benachteiligte Jugendliche, frühzeitig aus der Bildungsverantwortung des Landes zu entlassen. Die vorzeitige Beendigung der Schulpflicht kann unter bestimmten Umständen im Sinne der Betroffenen sinnvoll sein. Dies darf jedoch erst nach mindestens einjährigem Besuch einer Einrichtung des berufsbildenden Schulwesens im Vollzeitunterricht und keinesfalls gegen den ausdrücklichen Willen der/des Betroffenen geschehen.

Mit der vorgeschlagenen Änderung des § 193 sollen die bestehenden Berufsgrundbildungsjahre in den Bereichen Bau- und Holztechnik automatisch in eine integrative Berufsgrundstufe überführt werden. In allen anderen Bereichen werden die bestehenden Berufsgrundbildungsjahre aufgelöst.

Fraktionsvorsitzender

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