Änderungsantrag: Finanzielle Situation der Krankenhäuser verbessern – Überlastung des Pflegepersonals beenden

(zu Drs.16/197; 16/184; 16/189)

  1. Krankenhausversorgung in Niedersachsen – Nachhaltige wohnortnahe Akutversorgung sicherstellen (Antrag der Fraktionen von CDU und FDP – Drs. 16/179)
  2. Der Deckel muss weg – Landesregierung nicht aus der Verantwortung entlassen - Krankenhausfinanzierung und flächendeckende Versorgung in Niedersachsen sicherstellen (Antrag der Fraktion DIE LINKE – Drs. 16/184)
  3.  Kliniksterben verhindern – Krankenhausfinanzierung dauerhaft sichern (Antrag der Fraktion der SPD – Drs.16/189)

Der Landtag wolle die Anträge in folgender Fassung beschließen:

Finanzielle Situation der Krankenhäuser verbessern – Überlastung des Pflegepersonals beenden

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

I. Der Landtag stellt fest:

  1. Die finanzielle Situation ist für die Krankenhäuser seit Jahren angespannt. Während einerseits durch die Budgetierung mit Bezug auf die Grundlohnsummenentwicklung die Einnahmen der Krankenhäuser gedeckelt werden, gehen andererseits die Ausgaben aufgrund von gestiegenen Energiepreisen, einer Mehrwertsteuererhöhung, der Pauschalkürzung um 0,5% im Rahmen der letzten Gesundheitsreform sowie mehrerer Tarifsteigerungen kontinuierlich nach oben. 
  2. Die von der Bundesregierung beschlossene Pauschalkürzung beim Krankenhausbudget ist völlig willkürlich erfolgt und hat in erheblichem Maße dazu beigetragen, dass sich die Situation für die Krankenhäuser verschärft hat. Der Sanierungsbeitrag (0,5 Prozent) für die Krankenkassen belastet die Krankenhäuser in Deutschland mit monatlich 20 Mio. Euro, insgesamt wurden den Krankenhäusern mit der Sanierungsabgabe bisher rund 300 Mio. Euro entzogen.
  3. Für viele Krankenhäuser stellt sich die Existenzfrage. Nach aktuellen Ergebnissen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung schreibt bundesweit ein Drittel der Krankenhäuser bereits rote Zahlen und ist insolvenzgefährdet. Die seit 1993 existierende strukturelle Unterfinanzierung durch die Budgetdeckelung erfährt in diesem Jahr eine dramatische Zuspitzung. Krankenhausträger gehen davon aus, dass es spätestens zum 1. Januar 2009 zu einer Aufhebung des bisherigen Budgetdeckels und einer Abkehr von der Grundlohnsummenorientierung kommen muss. Die Krankenhäuser brauchen dringend verlässliche Rahmenbedingungen.
  4. Die von der Bundesregierung beabsichtigte langfristige Ablösung der sogenannten Dualen Krankenhausfinanzierung hin zu einer monistischen Finanzierung und die von der Bundesgesundheitsministerin vorgeschlagene feste Investitionsquote für Klinikinvestitionen, die die Länder bezahlen sollen, haben sich bisher nicht als geeignet erwiesen, zwischen Bund und Ländern zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Sie sind auch kein geeigneter Weg zur Sicherstellung einer flächendeckenden stationären Versorgung und zur Überwindung der sektoralen Zuständigkeiten bei der Sicherstellung der Krankenversorgung und den dazu gehörenden Investitionsplanungen und Investitionsentscheidungen

II. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  • für eine Einberechnung der tarifgebundenen Personalkostensteigerungen im Landesbasisfallwert sowie einmalig für die Gegenfinanzierung der Tariflohnsteigerungen von 2008 und 2009 einzutreten.
  • sich dafür einzusetzen, dass kurzfristig Verfahren entwickelt werden, um die pflegerischen Leistungen in den DRGs abzubilden  und in die Leistungskalkulation einbeziehen zu können. Bis zur Entwicklung eines validen Personalbemessungssystems soll die seit 1996 ausgesetzte Pflegpersonalverordnung als Orientierungsrahmen gelten.
  • für eine flexiblere und dynamischere Bezugsgröße für die Veränderungsrate des Krankenhausbudgets als es die Grundlohnsumme darstellt, einzutreten. Sinnvoll wäre die Grundlohnrate durch einen krankenhausbezogenen Preisindex zu ersetzen, der die Preissteigerungen z.B. bei Personal und Energie besser berücksichtigt.
  • sich für die Angleichung der unterschiedlichen Basisfallwerte der Länder in einer Konvergenzphase hin zu einem Basisfalllwertkorridor einzusetzen, um einen einheitlichen Bundesbasisfallwert vorzusehen
  • mittelfristig (ab 2011) Konzepte zur Ablösung der sektoralen Zuständigkeiten und damit der Dualen Finanzierung bei der Sicherstellung und Beplanung der medizinischen Versorgung und ihrer Investitionsentscheidungen durch Aufbau einer integrierten gemeinsamen Wahrnehmung der beschriebenen Aufgaben für den stationären und ambulanten Bereich zu erarbeiten und in die Beratungen des Bundesrates sowie gegenüber der Bundesregierung einzubringen und in diesem Zusammenhang
  • den Aufbau neuer Versorgungsmodelle zur Überwindung der Sektoren durch Anreize im Krankenhausinvestitionsbudget des Landes  zu befördern.

Begründung

Die Vergütung der Krankenhäuser erfolgt seit 2004 verpflichtend im Rahmen des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG). Auf Grund der Mittelknappheit hat der Gesetzgeber zahlreiche Bemühungen unternommen, um die Finanzierung der Krankenhäuser und eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Nach §17b KHG wurde die Einführung eines durchgängigen, leistungsorientierten und pauschalierenden Vergütungssystems   eingeführt. Krankenhausleistungen werden daher im Wesentlichen über fallpauschalierte Entgelte - Diagnosis Related Groups (DRG) vergütet. Bei den DRGs geht es darum, Patientinnen und Patienten auf der Grundlage von medizinischen Sachverhalten und den damit verbundenen Kostenstrukturen in aufwandsähnlichen Gruppen zu klassifizieren.

Das Gesundheitswesen befindet sich inmitten eines tiefgreifenden strukturellen Wandels. Die Anforderungen an den Krankenhausbereich sind dabei besonders komplex. Medizinischer Fortschritt, der demografische Wandel in der Bevölkerungsstruktur und veränderte gesundheitspolitische Rahmenbedingungen, darunter die Gesundheitsreformen 2004 und 2007, neue EU-Regelungen sowie neue Tarifabschlüsse stellen unausweichliche Herausforderungen dar. So ist insbesondere die seit 2004 verpflichtende Einführung eines neuen Vergütungssystems im Rahmen von Fallpauschalen mit einer Vielzahl von Folgen für die Krankenhäuser verbunden. 

Im Zentrum stehen dabei der verschärfte Wettbewerb der Krankenhäuser untereinander und die Notwendigkeit, Wirtschaftlichkeitsreserven zu mobilisieren. Spürbar wird dies nicht zuletzt beim Abbau von Krankenhausbetten und der Schließung von Krankenhäusern. In den vergangenen 10 Jahren waren dies in Niedersachsen 10.

Neben der Schaffung von effizienteren Ablaufstrukturen und neuen Betriebsformen ist diese Entwicklung auch mit dem verstärkten Abbau von Pflegepersonal und dem Outsourcing bestimmter Bereiche (z.B. im Reinigungsbereich und bei den technischen Diensten) verbunden.

Die Einführung der DRGs hat zudem auch zu deutlich verkürzten Liegezeiten geführt. Kürzere Liegezeiten bedeuten für das Personal intensive Pflege. Der hier stattfindende Personalabbau steht jedoch diesen gestiegenen Anforderungen entgegen. Die Klagen der Patientinnen und Patienten über gestresstes Personal und zu wenig persönliche Zuwendung werden sich verschärfen.

Das angekündigte Sonderprogramm für 21.000 zusätzliche Pflegekräfte in den Krankenhäusern ist überfällig und wird daher begrüßt.

Seitens der kommunalen Spitzenverbände und der Krankenhausgesellschaft sowie weiterer Verbände wird auf die massiven Finanzprobleme der Krankenhäuser in Niedersachsen hingewiesen. Gerade auch nach den Tarifabschlüssen für Ärztinnen und Ärzte an den Kliniken ist es notwendig, den Krankenhäusern die Möglichkeit zu geben, sich entsprechend zu refinanzieren. Durch die Tarifabschlüsse der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) mit den Gewerkschaften Ver.di und Marburger Bund entstehen für die Krankenhäuser zusätzliche Personalkosten in Höhe von 4,25 % in 2007, 2,5% in 2008 und 5% in 2009. Die Krankenhausträger weisen darauf hin, dass diese Personalkostenzuwächse mit der gesetzlichen Deckelung des Budgets und der fortbestehenden Kürzung jeder Krankenhausrechnung über das Krankenhaussonderopfer "Sanierungsbeitrag" um 0,5 Prozent nicht annähernd zu finanzieren ist. Festzuhalten bleibt aber auch, dass die Tarifabschlüsse für die Beschäftigten in den Krankenhäusern notwendig und überfällig waren.

Die Grundlohnsummenentwicklung ist kein geeigneter Parameter für die Budgetentwicklung im Krankenhausbereich. Die einseitige Anbindung der Finanzierungsbasis der GKV an die Erwerbs(ersatz-)einkommen ist eines ihrer schwerwiegendsten Konstruktionsdefizite. Für die Zukunft bedarf es der Entwicklung neuer Parameter zur Weiterentwicklung der Krankenhausbudgets. Hierfür könnte ein Mix aus der Entwicklung des Preisindex und der Tarifabschlüsse maßgebend werden.

Die Sicherstellung der Krankenversorgung und die Planung und Entscheidung von Investitionen in voneinander getrennten Sektoren ist überholt. Die Zukunft gehört der Integrierten Versorgung und allen anderen Varianten einer miteinander eng verzahnten medizinischen Einrichtungsstruktur. In Zukunft sollte der Sicherstellungsauftrag und die Entscheidung zu Investitionen sowohl für die stationäre wie auch ambulante Versorgung gemeinsam von den Ländern, den Kommunen, den Krankenhausgesellschaften und den Kassenärztlichen Vereinigungen in einem 5-seitigen Gremium wahrgenommen werden. Vorbild könnte hierzu der in den 90iger Jahren existente und vom damaligen Bundesgesundheitsminister Seehofer leider abgeschaffte Großgeräteausschuss sein. Konzepte für eine neue sektorenübergreifende Zuständigkeit sollten unter Federführung der Landesregierung in Zusammenarbeit mit den Krankenkassen, der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen und der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft erarbeitet und in Modellprojekten erprobt und wissenschaftlich begleitet werden. Parallel dazu sollte das Land mit einem Anreizsystem im Investitionsbudget des Landes den Aufbau neuer sektorenübergreifender Versorgungsmodelle befördern. Gegenüber der Bundesregierung sollte über den Bundesrat eine Gesetzesinitiative zur zukünftigen gemeinsamen Sicherstellung und Beplanung der medizinischen Versorgung im stationären und ambulanten Sektor eingebracht werden.

Ursula Helmhold

Parlamentarische Geschäftsführerin

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