Änderungsantrag: Faire Preise für gute Milch

 Änderungsantrag
(zu Drs. 17/5709 und 17/6874)

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Antrag der Fraktion der SPD und  Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/5709

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und ländlicher Raum - Drs. 17/6874

Der Landtag wolle den Antrag in folgender Fassung beschließen:

Entschließung

Nach Bayern ist Niedersachsen das wichtigste Milcherzeugerland in Deutschland: Rund 6,6 Mio. Tonnen und damit rund 21% der in Deutschland produzierten Milch wird von niedersächsischen Kühen gemolken. Deshalb trifft die aktuelle Milchmarkkrise Niedersachsens Bäuerinnen und Bauern besonders hart. Bei zum Teil unter 26 Cent je Liter Milch lag der Auszahlungspreis einiger Molkereien im September 2015 – Tendenz weiter fallend. Der „Kieler Rohstoffwert Milch“ des „ife-Forschungszentrums Ernährungswirtschaft“, der langfristige Kontrakte von Molkereien unberücksichtigt lässt, notierte im August 2015 für die Abholung ab Hof und einem Fettgehalt von 4% noch bei 22,1 Cent je Liter Milch.

Der Landtag begrüßt daher, dass die Landesregierung

  • in eine existenzielle Krise geratenen Landwirten kurzfristig die Möglichkeit eröffnet, ihre Steuerschuld zu stunden.
  • die überwiegend der Milcherzeugung dienenden Grünlandbewirtschaftung in benachteiligten Gebieten fördert.
  • ein Weidemilchprogramm für die höherpreisige Vermarktung von Milch aus besonders tiergerechter Weidehaltung auf den Weg gebracht hat. Besonders zu begrüßen ist dabei, dass es mit der Ende Oktober 2015 verabschiedeten Charta „Weideland Norddeutschland“ gelungen ist, ein breites Bündnis aus landwirtschaftlichen Verbänden, Molkereiwirtschaft, Umwelt- und Verbraucherverbänden und Wissenschaft hinter dem Ziel der Aufrechterhaltung der Weidehaltung von Milchkühen zu versammeln.
  • Zusammenschlüsse von Milcherzeugern wie die Norddeutsche Milcherzeugergemeinschaft Nord-MeG fördert.

Der Landtag fordert die Landesregierung zudem auf,

  1. sich auf Bundes- und EU-Ebene für den Ausbau der Milchmarkt-Beobachtungsstelle der EU zu einem voll funktionsfähigen Instrument der Marktanalyse und Krisenintervention einzusetzen.
  2. den Bund aufzufordern, zu prüfen, ob für die Liquiditätshilfe ein Bürgschaftsprogramm möglich ist.
  3. sich dafür einzusetzen, dass auf allen Ebenen, insbesondere auf EU-Ebene, Instrumente zur Marktentlastung (auf Betriebs- und Molkereiebene) wie Versicherungslösungen, eine flexible Angebotssteuerung, die private Lagerhaltung und kurzfristige Herauskaufmaßnahmen geprüft werden.
  4. die Beratung der Landwirte zu intensivieren. Ziel der Beratung sollte dabei sowohl die Realisierung möglicher Effizienzpotenziale wie auch die Verbesserung der Erlössituation des Betriebes durch Reduzierung von Futter- und Remontierungskosten selbst bei sinkender Milchleistung sein. Dieses trägt auch dazu bei, auf der Erzeugerseite durch Reduzierung des Angebots preisstützend zu handeln.
  5. zu prüfen wie ein Kriseninterventionsprogramm auf der Ebene der Europäischen Union eingesetzt werden kann, das in der Lage ist, mit jeweils geeigneten Instrumenten längerfristigen Preisdepressionen des Auszahlungspreises für Milch gegenzusteuern.
  6. sich dafür einzusetzen, dass die Stellung der Milchviehhalter in der Wertschöpfungskette gestärkt wird und die gesamte Wertschöpfungskette angemessen an den Risiken eines zunehmend volatilen Milchmarktes beteiligt wird, statt diese – wie bisher – nur an die Milchbäuerinnen und Milchbauern weiter zu reichen.
  7. sich dafür einzusetzen, dass die von den deutschen Milchviehbetrieben für das letzte Quotenjahr zu zahlende Superabgabe nicht im allgemeinen Haushalt der EU vereinnahmt, sondern gezielt für kurzfristige Maßnahmen der Unterstützung unserer Milchviehbetriebe eingesetzt wird.
  8. gezielt die Exportmöglichkeiten für hochwertige niedersächsische Qualitätsprodukte, insbesondere auch im Bereich der Ökologischen Landwirtschaft, zu fördern.

Der Landtag bittet den Einzelhandel,

seine sog. Fairness-Angebote in Form von Preisaufschlägen die direkt den milchviehhaltenden Betrieben zugutekommen sollen, nicht nur für Frischmilch vorzusehen, sondern entsprechend der Menge der eingesetzten Rohmilch auch für Milchprodukte wie Käse oder Joghurt zu erheben, um Betriebe deren Milch verarbeitet wird, nicht zu benachteiligen.

Begründung:

In Deutschland wurde die Milchproduktion von 28,1 Mio. t im Jahr 2008 auf 31,37 Mio. t im Jahr 2014 ausgeweitet. Abgesetzt wurden diese zusätzlichen Milchmengen zunehmend auf dem Weltmarkt: Der Export außerhalb der EU betrug 2008 15 Mio. t Milchäquivalente (erforderlich Milchmenge zur Produktion der exportierten Produkte) und ist auf 18 Mio. t Milchäquivalente im Jahr 2014 gestiegen. Zeitglich mit der Ausweitung der Milchmenge nahm seit 2008 auch die Volatilität des Milchpreises zu: Kurze Phasen mit Erzeugerpreisen von rund 40 Cent/Liter wurden und werden schnell von Phasen mit Preisen zwischen 25 und 30 Cent je Liter Milch abgelöst.

Rund 1/3 der von den EU-Mitgliedsländern an Staaten außerhalb der Union exportierten Milchprodukte wurde 2012 nach China, ein weiteres Drittel nach Russland exportiert. Der russische Markt ist aufgrund des Embargos weitestgehend ausgefallen und auch China importiert inzwischen deutlich weniger, da Sondereffekte wie ein Skandal um mit Melamin verseuchtes chinesisches Milchpulver und der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche inzwischen überwunden sind. Zudem weiten die Chinesen die Milchproduktion im eigenen Land aus: Zwischen 2009 und 2012 ist die chinesische Milchproduktion um 6,4% gestiegen.

Internationale Märkte sind und bleiben volatil. Daher muss der EU-Interventionspreis angehoben werden. Dieser wurde im Jahr 2003 auf ein Niveau entsprechend 21,5 Cent je Liter Milch festgelegt und ist seither unverändert geblieben und damit real gesunken. Legt man die durchschnittliche Preissteigerung der EU-Staaten seit 2003 zugrunde, müsste eine Anhebung des Interventionsniveaus entsprechend 4,5 Cent je Liter Milch erfolgen, um real das Interventionsniveau des Jahres 2003 wieder zu erreichen.

Bei vielen Betrieben geht es neben strukturellen Maßnahmen zunächst jedoch darum, die Existenz des Betriebes zu sichern. Dabei sind Steuer-Stundungen, aber auch direkte Liquiditätshilfen angezeigt. Dafür sind zumindest die Mittel einzusetzen, die von den Milchviehhaltern in Form einer Superabgabe für zu hohe Liefermengen im letzten Quotenjahr zu zahlen sind. EU-weit stünden damit rund 800 Mio. € zur Verfügung, wovon der deutsche Anteil rund 309 Mio. € beiträgt. Das vom EU-Ministerrat am 07.09.2015 verabschiedete Maßnahmenpaket in Höhe von 500 Mio. € zur Unterstützung notleidender Schweine- und Milchviehhaltung, wovon 69,2 Mio. € nach Deutschland fließen, ist unzureichend. Hier ist – wie auch von der Agrarministerkonferenz am 02.10.2015 gefordert – eine deutliche Aufstockung erforderlich.

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