Änderungsantrag: Bundesratsinitiative für eine wirksame und stichtagsunabhängige gesetzliche Bleiberechtsregelung

Änderungsantrag
(zu Drs. 16/4129)

Für eine neue Bleiberechtsregelung
Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/4129
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport - Drs. 16/4471

Der Landtag wolle den Antrag in folgender Fassung beschließen:

Bundesratsinitiative für eine wirksame und stichtagsunabhängige gesetzliche Bleiberechtsregelung

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

  1. Weder die gesetzlichen Regelungen zum Bleiberecht noch die früheren Beschlüsse der Innenministerkonferenzen haben das Problem der Kettenduldungen beseitigt - nicht zuletzt aufgrund der Interventionen der Landesregierung im Gesetzgebungsverfahren und ihrer anschließenden restriktiven Umsetzungspraxis. Der Beschluss der Innenministerkonferenz vom 09. Dezember 2011 war in humanitärer Hinsicht ebenfalls nicht zielführend, und somit droht nun eine Welle von weiteren Duldungen. Per 30.06.2011 lebten 11.669 Geduldete in Niedersachsen.
  2. Insbesondere Kindern fehlt eine verlässliche Perspektive. Dieses Problem wurde durch die neue Regelung des § 25a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nur unzureichend gelöst, da die konkreten Bedingungen viele Personen ausschließen.
  3. Stichtagsregelungen führen zu einer Ungleichbehandlung vergleichbarer Fälle und schaffen keine nachhaltige Abhilfe. Daher ist eine dauerhafte, stichtagsungebundene Bleiberechtsregelung notwendig, die auch zukünftige Fälle einschließt.
  4.  Die geltenden Regelungen stellen zu hohe Anforderungen hinsichtlich der eigenständigen Lebensunterhaltssicherung. Alleinerziehenden, alten und kranken Menschen bleibt eine sichere Aufenthaltsperspektive damit verwehrt.

Die Landesregierung wird aufgefordert, die Möglichkeiten zum Erlass einer landesrechtlichen Regelung für den Aufenthalt aus humanitären Gründen zu prüfen, die im Falle eines Scheiterns der Bundesratsinitiative greifen würde.

Die Landesregierung wird aufgefordert, sich im Bundesrat für eine dauerhafte, stichtagsungebundene Bleiberechtsregelung unter Einbezug folgender Punkte einzusetzen:

  1. Einem geduldeten Ausländer oder einer geduldeten Ausländerin wird eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, wenn er oder sie sich seit mindestens fünf Jahren geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Bundesgebiet aufgehalten hat. Wenn der Ausländer oder die Ausländerin zusammen mit einem oder mehreren minderjährigen ledigen Kindern in häuslicher Gemeinschaft lebt, wird die Aufenthaltserlaubnis nach drei Jahren erteilt. Besonders schutzbedürftigen Personen, insbesondere unbegleiteten Minderjährigen, durch kriegerische Auseinandersetzungen in ihrer Heimat traumatisierten Personen oder Opfern von rassistischen Gewalttaten oder Menschenhandel, wird die Aufenthaltserlaubnis nach zwei Jahren erteilt;
  2. Die eigenständige Lebensunterhaltssicherung ist nicht erforderlich bei Personen, die wegen ihres Alters, einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder weil sie mit minderjährigen ledigen Kindern in häuslicher Gemeinschaft leben und wegen der Kinderbetreuung von ernsthaften Bemühungen zur überwiegenden Sicherung des Lebensunterhalts abgehalten waren. Bei jungen Erwachsenen muss der Ausbildungsstand berücksichtigt und eine Übergangszeit gewährt werden, in der von der eigenständigen Lebensunterhaltssicherung abgesehen wird.
  3. Straftaten einzelner Familienmitglieder dürfen der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen an andere Familienmitglieder nicht entgegen stehen. Im Übrigen müssen bei der Festlegung von Ausschlusstatbeständen wegen der Verurteilung nach einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat Taten, die nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylverfahrensgesetz nur von AusländerInnen begangen werden können, außer Betracht bleiben.
  4. Es werden keine unverhältnismäßigen Anforderungen an die Erfüllung von Mitwirkungspflichten gestellt. Dabei ist die aktuelle Rechtsprechung zu Mitwirkungspflichten und insbesondere zur Passpflicht zu berücksichtigen.
  5. Vorhandene Deutschkenntnisse werden nicht zur Voraussetzung für eine Aufenthaltserlaubnis gemacht, weil Personen mit einer Duldung von geförderten Sprachkursen nach dem Aufenthaltsgesetz ausgeschlossen sind; die Aufenthaltserlaubnis kann jedoch unter der Bedingung erteilt werden, dass ein Integrationskurs besucht wird.

Begründung

In Deutschland leben nach wie vor zahlreiche Menschen, die seit Jahren nur geduldet sind. Die gesetzlichen Regelungen der §§ 104a, 104b AufenthG und der Beschluss der Innenministerkonferenz zur Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis auf Probe eröffnen nur einer geringen Anzahl von Menschen eine Perspektive für einen dauerhaften Aufenthalt. Über 51.000 Menschen leben seit mehr als 6 Jahren in Deutschland ohne einen legalen Aufenthaltsstatus, ohne Perspektive für Aufenthalt, Integration und Arbeit. In der Regel hat über diesen Zeitraum eine Integration stattgefunden. Auch das Aufenthaltsgesetz geht von einer Verfestigung der Integration nach mehr als 5 Jahren aus, sieht aber selber keine Integration von Geduldeten vor. Besonders hart werden Kinder und Jugendliche getroffen, die hier geboren sind und deshalb besonders weitgehend integriert sind, wenn ihnen nach der zurzeit geltenden gesetzlichen Lage eine Abschiebung in ein ihnen fremdes Land droht. Humanitäre Gesichtspunkte werden dabei nicht berücksichtigt. Die geltende Rechtslage führt immer wieder zu unzumutbaren Härten.

Die Anforderungen des Aufenthaltsgesetzes an die Sicherung des Lebensunterhalts gehen zum Einen an den Möglichkeiten von Geduldeten vorbei und stehen gleichzeitig im krassen Gegensatz zur Realität auf dem Arbeitsmarkt. Die Handhabung muss flexibler gestaltet und Einzelfällen sowie besonderen Situationen angepasst werden.

Dem humanitären Aspekt ist über eine Verkürzung der Fristen zur Erteilung für besonders schutzbedürftige Personen Rechnung zu tragen.

Überdies ist klarzustellen, dass die Gründe für die Versagung der Aufenthaltserlaubnis nur in der Person der Antragstellerin oder des Antragstellers selbst liegen dürfen und dass dies auch für Straftaten gilt. Insbesondere sollen Kinder nicht für ihre Eltern haften.

Stefan Wenzel

Fraktionsvorsitzender

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