Statement zu Haushalt 2021 – Allgemeinpolitische Haushaltsdebatte:Julia Willie Hamburg: Coronakrise und Klimakrise zusammendenken – Niedersachsen muss jetzt kräftig investieren
Zur allgemeinpolitischen Haushaltsdebatte sagt Julia Willie Hamburg, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag (Redeauszüge):
Zur allgemeinpolitischen Haushaltsdebatte sagt Julia Willie Hamburg, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag (Redeauszüge):
„Lassen Sie mich vorweg auf ein aktuelles Thema eingehen: Heute war in hannoverschen Medien zu lesen, dass die Einigung bei der Deutschen Messe AG auf der Kippe steht. Herr Ministerpräsident: Die Messe AG ist wichtig für Hannover und für Niedersachsen. Wir wollen die Insolvenz unbedingt verhindern und den Messestandort Hannover sichern. Sie als ehemaliger Oberbürgermeister wissen um den Wert der Messe. Und es ist wirklich unangemessen, dass Sie sich hier wegducken und ein doppeltes Spiel spielen. Auf der einen Seite erklärt Ihre SPD-Ratsfraktion in Hannover bei einem Besuch mit ihrer Landtagsfraktion betriebsbedingte Kündigungen zu einem ‚No Go‘, auf der anderen Seite ist es Ihr Finanzminister, der diese Daumschrauben zuzieht. Ich fordere Sie hiermit auf: Erklären Sie die Messe-AG zur Chefsache und sorgen Sie dafür, dass es hier zu einer für alle Seiten guten Einigung kommt.
Die Coronakrise ist nicht nur eine Gesundheitskrise, sondern auch eine Wirtschafts- und sozialpolitische Krise. Gleichzeitig erfahren wir die massiven Auswirkungen der Klimakrise – das dritte Dürrejahr in Folge und die Unwetter und Hochwasser der letzten Jahre haben massive Auswirkungen auf unsere Gesundheit, auf landwirtschaftliche Erträge und auf die Natur und die Artenvielfalt. Doch diese vielen Krisen sind kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken.
Im Gegenteil: Es gilt, die Krisen zusammenzudenken und schlagkräftig dagegen vorzugehen.
Mit dem Niedersachsenfonds hat der Deutsche Gewerkschaftsbund ein Instrument in die politische Debatte gebracht, dass es ermöglicht, kraftvoll zu investieren und gleichzeitig die Konjunktur anzukurbeln. Niedersachsen hat einen erheblichen Sanierungsstau – wir müssen uns nur die Schulen, Polizeidienststellen, Hochschulen und Kliniken anschauen. Wer hier nicht handelt, der verschuldet sich bei künftigen Generationen. Das sind Rechentricks und eine Schönung ihrer Bilanzen, mit Generationengerechtigkeit hat das nichts zu tun. Gleichzeitig müssen wir in die Energie- und Wärmewende investieren, nicht nur um das Pariser Klimaabkommen umzusetzen, sondern auch um der niedersächsischen Industrie eine Zukunft zu sichern. Der Stahlkonzern Salzgitter und VW müssen sich sicher sein, dass die Infrastruktur in Niedersachsen stimmt. Sie werden nicht auf Verdacht Milliarden investieren. Da müssen wir als Staat unsere Hausaufgaben machen.
Auch Ihre bisherigen Haushalte strotzten nicht vor Tatendrang und Vision, sondern mehr von Ausgaben-Kitt, der die Koalition zusammenhalten soll. Mit Corona sieht der Haushalt nochmal düsterer aus. Corona ist aber keine Entschuldigung für alles. Lassen Sie den Rotstift weg von der sozialen Infrastruktur und den Maßnahmen zur politischen Bildung und dem Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus. Ebenso ist es fatal, dass sie die Hochschulen so massiv zum Sparen zwingen. Ganze Studiengänge, die Wissenschaft und die Lehre in Niedersachsen sind bedroht. Mit einer Exzellenzinitiative hat das nichts zu tun, Herr Thümler. Lediglich exzellent im Kaputtsparen sind Sie, damit werden Sie wohl in die Geschichte eingehen. Auch die Klimamilliarde ist ein schlechtes ‚Copy and Paste‘. Wir bestehen an dieser Stelle nicht auf Copyright – Aber, wenn sie schon abschreiben, dann bitte richtig: Wir wollen neues Geld verlässlich und langfristig einsetzen und nicht bestehende Programme so lange zusammenrechnen, dass es eine Milliarde ergibt. Mit beherztem Handeln und nicht mit Rechentricks retten wir das Klima.
Aber selbst wenn ich mal gelten lasse, dass Sie wegen Corona anderswo nicht investieren wollen, dann schauen wir uns doch mal Ihre Bilanz der Corona-Hilfen an: Wo sind die Mittel zur Sicherung der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum? Für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege? Hier klafft eine riesige Leerstelle in Ihrem Haushalt. Wo ist ihr Engagement gegen die soziale Krise? Wo sichern Sie die kommunale Handlungsfähigkeit? Wir wissen schon heute, dass die Kommunen erheblich betroffen sein werden – lassen Sie uns hier vorausschauend handeln und nicht hinterherrennen. Und auch die Menschen, die derzeit bei den Corona-Hilfen durch alle Raster fallen, obwohl sie mit am stärksten betroffen sind, berücksichtigen Sie in ihrem Haushalt nicht. Die Novemberhilfen kommen nun erst im Januar, der Unternehmerlohn scheint wieder vom Tisch. Wenn der Bund nicht liefert, ist es Ihre Verantwortung, sich als Land um diese Menschen zu kümmern. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Baden-Württemberg und Berlin.
Dass Sie angekündigt haben, Gelder aus dem Corona-Sondervermögen erst im Jahr 2022 ausgeben zu wollen, setzt dem Ganzen die Krone auf. Das Geld wird doch jetzt an verschiedensten Stellen gebraucht, also geben Sie es frei, damit die Betroffenen endlich abgesichert sind. Und dass zeigt auch einmal mehr das Selbstverständnis der großen Koalition – die Regierung soll es richten. Nein, wir, der Landtag, sind die Haushaltsgesetzgeber und wir sollen und wir können entscheiden. Und deshalb legen wir einen selbstbewussten Haushaltsänderungsantrag vor, der die Gelder so verteilt, dass wir Niedersachsen schrittweise ökologisch und klimagerecht umbauen, soziale Teilhabe verbessern und sogar das eine oder andere Wahlversprechen von Ihnen umsetzen. Ich freue mich deshalb, auf die intensiven Haushaltsberatungen in den kommenden Tagen.“