Pressemeldung Nr. 55 vom

GRÜNE und Gewerkschaft NGG: Wohnraumgesetz muss auch für Beschäftige in Schlachthöfen gelten – Zwangskonstrukt Werkverträge mit Vermietung von Massenunterkünften gehört abgeschafft

Im Vorfeld des Fleischgipfels der Landesregierung an diesem Freitag (12. Juni) fordern die Grünen und die Gewerkschaft NGG, das Zwangssystem aus ausbeuterischen Werkverträgen und unwürdiger Unterbringung für die 22.000 Beschäftigten in Niedersachsens Schlachthöfen nicht länger zuzulassen.

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Darum geht’s

Im Vorfeld des Fleischgipfels der Landesregierung an diesem Freitag (12. Juni) fordern die Grünen und die Gewerkschaft NGG, das Zwangssystem aus ausbeuterischen Werkverträgen und unwürdiger Unterbringung für die 22.000 Beschäftigten in Niedersachsens Schlachthöfen nicht länger zuzulassen. Die Grünen und die NGG fordern nicht nur eine schnelle Verabschiedung des überfälligen Wohnraumschutzgesetzes der Landesregierung. Sichergestellt werden muss, dass dieses tatsächlich auch für Beschäftigte mit Werkverträgen gilt. Außerdem bedarf es verlässlicher Kontrollen der Vorschriften gegen Überbelegung, Abzocke und Vermietung von Schrottimmobilien. Dies ist bisher im Gesetzentwurf der Regierung nicht klar geregelt.

Das sagen die Grünen

Miriam Staudte, Fraktionsvize und agrarpolitische Sprecherin

„Die Landesregierung hat ein ganzes Jahr gebraucht, um nun am Freitag endlich der einhelligen Forderung des Landtags nach einem Runden Tisch mit der Fleischbranche nachzukommen. Und aktuell deutet vieles darauf hin, dass die Fleischindustrie versuchen wird, vor allem die Umsetzung des Kabinettsbeschlusses aus Berlin zu unterbinden, mit dem Werkverträge ab 2021 verboten werden sollen. Wir werden deshalb die Landesregierung, aber insbesondere die niedersächsische SPD an ihren Taten messen. Ankündigungen und Absichtserklärungen zu den unhaltbaren Zuständen in der Fleischbranche gab es genug. Sie müssen endlich Folgen haben. Wir Grünen haben deshalb aktuell eine Anfrage an die Regierung eingebracht, wie sie sich zum Kabinettsbeschluss verhalten wird.

Das System Werkvertrag dient nachgewiesenermaßen der Ausbeutung von Mensch und Tier und muss beendet werden. Die Landesregierung darf den Kabinettsbeschluss aus Berlin zur Abschaffung der Werksverträge in der Branche nicht torpedieren. Auch die Unterbringung in proppenvollen Sammelunterkünften mit Mehrbettzimmern, darf es nicht nur in Corona-Zeiten nicht geben. Die Landesregierung muss per Erlass die Unternehmen zur Einzelunterbringung zwingen, die zur Not leerstehende Pensionen und Hotels anmieten müssen. Und wir brauchen nach den schlechten Erfahrungen mit Selbstverpflichtungen der Branche eine Verstärkung der Kontrollen und eine einheitliche Kontrollbehörde für die Schlachthöfe in Bezug auf Arbeitnehmerschutz, Wohnsituation, Verbraucher- und Tierschutz.“

Christian Meyer, Fraktionsvize und wohnungspolitischer Sprecher

„Seit zwei Jahren fordern wir Grünen ein Wohnraumaufsichtsgesetz mit Mindeststandards für eine menschenwürdige Unterbringung. Zustände wie in der Fleischindustrie, Dutzende Menschen in einem kleinen Raum mit Mehrbettzimmern zu horrenden Mieten einzuquartieren, müssen endlich ein Ende haben. Menschenwürde endet nicht vor dem Werkstor des Schlachthofs und vor der Sammelunterkunft. Nun hat die Landesregierung endlich unseren Grünen-Gesetzentwurf quasi übernommen und in den Landtag eingereicht. Dieser sollte jetzt schnell beschlossen werden. Er muss aber vor allem auch für die Wohnungen von Werkvertragsarbeitern gelten.

Die Landesregierung sollte schon jetzt per Erlass die zwingend notwendigen Kontrollen des Wohnraums durch die Kommunen auch mit eigenem Personal unterstützen, Massenunterkünfte schließen und Einzelunterbringung vorschreiben. Wir brauchen endlich angemessene Standards fürs Wohnen in Niedersachsen. Überbelegung muss ein Ende haben. Der Abzocke und dem Vermieten von baufälligen Schrottimmobilien an Menschen, die in den Schlachthöfen arbeiten, muss wirksam ein Riegel vorgeschoben. Die Zeit ist reif. Nach den jahrelangen Ausreden der Fleischwirtschaft helfen jetzt nur noch Gesetze und wirksame Kontrollen!“

Das sagt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten

Matthias Brümmer, Geschäftsführer der Gewerkschaft NGG im Bereich Oldenburg/Ostfriesland

„Wir müssen das Werkvertragssystem und die Leiharbeit in der Fleischwirtschaft beenden. Das Billiglohnmodell ‚Werkverträge in der Deutschen Fleischwirtschaft‘ führt in ganz Europa zu massiven Arbeitsplatzverlusten in der Branche und wird als Vorlage in anderen Branchen schon kopiert. Außerdem hat sich die Fleischindustrie nicht an ihre eigenen Vorgaben gehalten und kaum eigene Arbeitsplätze geschaffen.

Seit über 20 Jahren macht die NGG auf die Entwicklung und Verwerfungen in der Branche aufmerksam und fast nichts ist trotz vieler Konferenzen und ‚Runder Tische‘ geschehen, deshalb ist jetzt der Gesetzgeber gefordert, das asoziale Werkvertragssystem zu beenden. Dazu gehört auch endlich für bessere Wohnunterkünfte der Beschäftigen zu sorgen. Es kann nicht sein, dass es nur für Schweine und Hühner Mindeststandards gibt, aber nicht für Menschen, die hier mitten unter uns in den Schlachthöfen schuften.“

Hintergrund

Seit Jahren machen Gewerkschaften und Grüne auf die Ausbeutung in der Fleischindustrie aufmerksam. Die von Rot-Grün eingerichteten Beratungsstellen weisen darauf hin, dass insbesondere bei der Unterbringung von ca. 22.000 Werkvertragsbeschäftigten allein in der Fleisch- und Schlachtindustrie weiterhin desolate Schrottimmobilien zu hohen Mieten, die vom Lohn abgezogen werden vermietet werden. Das von den Grünen vorgelegte und von Kommunen, Sozialverbänden und Gewerkschaften unterstützte Landesgesetz gegen Überbelegung und Schrottimmobilien steht kommenden Montag (15. Juni) zusammen mit dem weitgehend übernommenen Gesetzentwurf der Landesregierung auf der Tagesordnung des Bau- und Umweltausschusses des Landtags. Der Gesetzentwurf sieht z.B. 10 m² Mindestwohnfläche pro Person und Vorschriften zu sanitären Anlagen etc. vor. Die Vermietung einer 40 m²-Wohnung an sechs Personen wäre damit unzulässig und mit Bußgeldern von bis zu 50.000 Euro sanktioniert.

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