Pressemeldung Nr. 105 vom

Antwort auf Große Anfrage legt große Defizite offen:Grüne: Niedersachsens Sicherheitsbehörden müssen entschlossener gegen gewaltbereite rechtsextreme Szene vorgehen

Die Antwort auf unsere Große Anfrage ist ernüchternd. Sie macht deutlich, dass die niedersächsischen Sicherheitsbehörden selbst noch wenig getan haben, um die Rolle niedersächsischer Akteure im Wirken des rechtsterroristischen Trios aufzuklären und Konsequenzen zu ziehen.

Darum geht´s

Die Landesregierung hat ihre Antwort auf die Große Anfrage der Grünen-Fraktion zum NSU-Komplex in Niedersachsen vorgelegt.

Das sagen die Grünen

Helge Limburg, parlamentarischer Geschäftsführer und Sprecher für Rechtspolitik und Angelegenheiten des Verfassungsschutzes:

„Die Antwort auf unsere Große Anfrage ist ernüchternd. Sie macht deutlich, dass die niedersächsischen Sicherheitsbehörden selbst noch wenig getan haben, um die Rolle niedersächsischer Akteure im Wirken des rechtsterroristischen Trios aufzuklären und Konsequenzen zu ziehen. Öffentlich ist bereits viel mehr bekannt, als die Landesregierung zu wissen scheint. Das ist inakzeptabel – in Zeiten des erstarkenden Rechtsterrorismus muss hier intensiver aufgeklärt und gehandelt werden.

Die Antwort macht klar, dass es zahlreiche Verbindungen der NSU-Terrorgruppe nach Niedersachsen gab. So gab es zum Beispiel einen intensiven Briefwechsel zwischen Holger Gerlach, einem der engsten Unterstützer des NSU, und dem bekannten Nazi-Funktionär und NPD-Vize Thorsten Heise aus dem Raum Göttingen/Eichsfeld. Auch sind mindestens zwei Aufenthalte von Beate Zschäpe während ihrer Flucht in Niedersachsen (Hannover und Uelzen) bestätigt worden. Die Sicherheitsbehörden müssen aufklären, was die Hintergründe dieser Aufenthalte und Kontakte sind. So gehören der Landkreis Uelzen und der Nachbarlandkreis Celle seit Jahren zu den Schwerpunkten der rechtsextremen Szene in Niedersachsen. Es stellt sich die Frage, ob Zschäpe sich hier Unterstützung durch konkrete Personen erhoffte.

Besonders deutlich wird, dass der NPD-Vize Thorsten Heise eine Schlüsselfigur des gewaltbereiten Rechtsextremismus ist, offenbar auch im Netzwerk der NSU. Er hatte intensive Kontakte zu engen Unterstützern des NSU-Trios, darunter dem NPD-Funktionär Ralf Wohleben. Auch treten immer wieder Verbindungen zwischen Heise und der NPD zu Blood and Honour – gleichzeitig bemüht er sich in Thüringen um einen Schulterschluss mit der Höcke-AfD. Die Sicherheitsbehörden müssen endlich unterbinden, dass er die gewaltbereite rechtsextreme Szene in Deutschland weiter koordiniert und so möglicherweise immer wieder den Boden für weitere Gewalttaten bereitet.

Die Grünen werden in jedem Fall möglichst noch im Januar eine Sondersitzung des Ausschusses für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes beantragen, um die Fragen zu klären, die die Landesregierung nicht öffentlich beantworten will. Klar ist: Die Landesregierung darf nicht länger so agieren, als hätte der NSU nichts mit Niedersachsen zu tun, sondern muss sich mit Nachdruck an die Klärung offener Fragen bemühen. Nur so kann verhindert werden, dass fortbestehende Unterstützerstrukturen des NSU Terrors erneut Terror und Gewalt verbreiten.

Julia Willie Hamburg, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus:

„Die Antwort auf unsere Große Anfrage macht deutlich, dass niedersächsische Sicherheitsbehörden im NSU-Komplex vielfach nach wie vor im Dunkeln tappen. Wir werden zu der Thematik im neuen Jahr ein öffentliches Fachgespräch mit Expert*innen veranstalten. Wir behalten uns außerdem weitere Mittel der parlamentarischen Aufklärung vor.

Es ist nicht hinnehmbar, dass die Landesregierung offensichtlich wenig Lehren aus den Erkenntnissen anderer Untersuchungsausschüsse zum sogenannten NSU gezogen hat. Viele Maßnahmen, die ergriffen werden müssten, wurden nicht umgesetzt. Niedersachsen muss stattdessen die Zivilgesellschaft mehr unterstützen und die Prävention gegen Demokratie- und Menschenfeindlichkeit viel stärker in die Hand zivilgesellschaftlicher Akteur*innen legen. Das Landesprogramm gegen Rechtsextremismus zu kürzen, wie es die GroKo praktiziert, ist angesichts der derzeitigen Bedrohungslage durch Rechtsterrorismus ein fatales Signal: Vielmehr braucht es einen Aufwuchs und einen Ausbau dieses Programms auch mit Landesmitteln. Die mobile Opferberatung ist ebenso wie die mobile Beratung gegen rechts absolut unterbesetzt: Das muss sich ändern. Mit fünf Vollzeitstellen für ganz Niedersachsen lässt sich hier wenig ausrichten.

Noch immer werden Morde mit rechtem Hintergrund vielfach nicht als solche benannt. Zudem müssen Sicherheitsbehörden und Justiz politisch motivierte Taten, die durch Rechtsextremisten verübt werden, konsequent verfolgen und ahnden – das sind keine Einzeltaten, dahinter steckt kein jugendlicher Leichtsinn. Sondern sie sind ein fortwährender Angriff auf die Demokratie. Insbesondere die Strategie der flächendeckenden Bedrohung und Einschüchterung von Journalisten, Polizisten, Lehrkräften, Politikern und Zivilgesellschaft muss konsequent eingedämmt werden, sonst stirbt Demokratie von innen.“

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