Pressemeldung Nr. 71 vom

„Die Affäre Wulff – Bilanz der verzögerten Aufklärung – Ausblick und Konsequenzen“

"Der Fall Wulff ist ein bislang einmaliges Beispiel (in Niedersachsen und vermutlich auch bundesweit) für einen Verstoß gegen die Grundwerte unseres Rechtsstaates", so Stefan Wenzel in seinen Statement auf einem Presseabend der Landtagsfraktion.

Auf einem Presseabend haben die Landtagsgrünen die unzähligen Fakten und Unklarheiten, die zahlreichen Instrumente und Initiativen zu deren Aufklärung und die daraus möglicherweise folgernden juristischen und politischen Konsequenzen der Wulff-Affäre sortiert und bewertet. Hier das Eingangsstatement unseres Fraktionsvorsitzenden Stefan Wenzel, sowie die Tischvorlage zum Download>>

Statement Stefan Wenzel, Fraktionsvorsitzender B90/Die Grünen

Pressekonferenz 15.02.2012

"Egal wie der weitere Verlauf und wie der Ausgang der Wulff-Affäre sein wird - schon jetzt steht fest:

Der Fall Wulff ist ein bislang einmaliges Beispiel (in Niedersachsen und vermutlich auch bundesweit) für einen Verstoß gegen die Grundwerte unseres Rechtsstaates.

Die Vorwürfe, die zum Teil bereits nachgewiesenen und die zum Teil auch schon eingestandenen Verstöße gegen das Ministergesetz und die Vorwürfe bezüglich der Vorteilsannahme wiegen schwer.

Die Aussage Christian Wulffs, dass der ganze Vorgang in einem Jahr vergessen sein wird, ist nicht nur ein fataler Irrtum, sondern sie demonstriert auch das ganze Ausmaß des Realtitätsverlustes, mit dem der ehemalige Ministerpräsident von Niedersachsen in diesen Tagen agiert. 

Wir teilen eher die Einschätzung des Mitherausgebers der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Frank Schirrmacher, der vor einigen Tagen gesagt hat, dass der Fall nicht vergessen sein wird, sondern in die Geschichtsbücher eingehen wird.

Ein demokratisches Gemeinwesen basiert auf einem Gesellschaftsvertrag. Der umfasst eine Verfassung, Gesetze, geschriebene und ungeschriebene Regeln, die gemeinsame Grundwerte schützen.

Wenn der erste Mann im Staate meint, dass für ihn Ausnahmeregeln gelten, stellt er sich außerhalb dieses Gesellschaftsvertrages.

Am Beispiel Christian Wulff werden künftige Generationen von Schülerinnen und Schülern lernen, wie dramatisch unkorrekt es zwischen Politik und Wirtschaft zugehen kann.

Seit 10 Wochen gibt es eine ununterbrochene Berichterstattung mit immer neuen Verdächtigungen und Vorwürfen:

  • der Bundespräsident erntet Minusrekorde in Umfragen bezüglich der Ehrlichkeit und des Vertrauens
  • der Bundespräsident hat sich bei Comedy, Kabarett und Karneval zum Gegenstand des Massengespötts gemacht
  • bundesweit und international ist vom Niedersachsensumpf die Rede, Hannover wird als das Palermo Deutschlands bezeichnet
  • Beamte protestieren angesichts der doppelten Moral beim Umgang mit Zuwendungen im öffentlichen Dienst
  • Filmschaffende boykottieren die Einladung zur Wulff-Veranstaltung anlässlich der Berlinale
  • Firmen erwägen den Rückzug vom Sponsoring des Sommerfestes im Schloss Bellevue
  • Juristen (neulich bundesweit Staatsrechtler, heute sieben prominente hannoversche Anwälte) beklagen zweierlei Maß

Eine schwere Bürde trägt jetzt auch David McAllister. Er war der Ziehsohn Wulffs, er war Fraktionsvorsitzender, er ist Landesvorsitzender und Ministerpräsident. Er hat lange geschwiegen. Dann hat er den Finanzminister vorgeschickt, der auf seine unnachahmlich arrogante Art im letzten Plenum versucht hat, die ganze Affäre Wulff als Bagatelle abzutun und der am Ende der Woche in den Senkel gestellt wurde. Dann sprach der stellvertretende Ministerpräsident und meinte, es käme "ja doch alles raus." Danach war wieder Schweigen im Walde.

Den Mumm für eine Regierungserklärung hatte McAllister nicht. Dabei wäre es an der Zeit, dass sich einer aus der Riege der CDU traut, die eigenen Werte, die eigenen Werte zu verteidigen.

Was der Bundestagsabgeordnete Peter Hintze am Sonntag in der Sendung "Günter Jauch" geboten hat, war eine Beleidigung des gesunden Menschenverstandes. Ich bezweifle auch, dass sich die Mehrheit der CDU-Wählerinnen und Wähler so repräsentiert sehen will.

Es ist beschämend, dass sich eine Landesregierung aus dieser Affäre stehlen will, indem sie die Legende webt: ein mehrköpfiges Kabinett, eine große Regierungsfraktion und riesiger Beamtenapparat sowie eine ganze Partei seien einzig und allein von einem einzelnen hohen Staatsbediensteten, dem Regierungssprecher Olaf Glaeseker – wie es Hartmut Möllring genannt hat - "beschissen" worden.

David McAllister hat nur eine Chance, wenn er sich jetzt von seinem Übervater lossagt und für Aufklärung sorgt.

Wir werden jedenfalls nicht zusehen, sondern mit großer Entschlossenheit für Aufklärung sorgen. Zum Stand der Arbeiten und zu den aktuell anstehenden Punkten haben wir ihnen einige Informationen an die Hand gegeben.

  • Eine vorläufige Übersicht über Beziehungen und Verflechtungen
  • Eine Übersicht über die verschiedenen Aufklärungsinstrumente
  • Einige beispielhafte juristische Anmerkungen
  • Einen Entschließungsantrag
  • Einige Anfragen an die Landesregierung

Einen Antrag zur Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses haben wir in erster Lesung beraten. Wie genau die Formulierung am Ende aussehen wird, hängt jetzt auch von den weiteren Schritten der Staatsanwaltschaft ab.

Zum Stand im Ältestenrat, Rechtsausschuss und Haushaltsausschuss tragen jetzt meine KollegInnen Gabriele Heinen-Kljajic, Helge Limburg und Hans-Jürgen Klein vor."

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