Pressemeldung Nr. 3284 vom

9 macht klug im Norden ? Grüne wollen eine neunjährige Schule für alle

Unter dem Motto "9 macht klug" setzen sich die grünen Fraktionen aus Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg gemeinsam für eine grundlegende Schulreform nach dem Modell des Finnischen Sc...

Unter dem Motto "9 macht klug" setzen sich die grünen Fraktionen aus Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg gemeinsam für eine grundlegende Schulreform nach dem Modell des Finnischen Schulsystems ein. Die Nord-Grünen befürworten die Einführung einer neunjährigen Ganztagschule für alle, die in einer neuen Lernkultur die Förderung des einzelnen Kindes in den Mittelpunkt stellt. Das haben die Vorsitzenden der Fraktionen sowie die schulpolitischen SprecherInnen heute nach einer gemeinsamen Sitzung in Hamburg erklärt.
"Deutschland ist in Gefahr, in Sachen Bildung vollständig den Anschluss zu verlieren. Die Grünen im Norden sind sich einig: Wir brauchen eine Bildungsoffensive – wir brauchen eine neue Schule, die zum Nutzen der Kindes und der Gesellschaft optimale Bildungschancen bietet", begründet die Fraktionsvorsitzende der GAL Hamburg Christa Goetsch den gemeinsamen Vorstoß der Nord-Grünen.
"Längeres gemeinsames Lernen fördert die Vielfalt und stärkt die Leistungsfähigkeit, das machen die skandinavischen Länder vor und daran haben wir uns orientiert" ergänzt die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Niedersächsischen Landtag Rebecca Harms. "Kein Kind wird zurückgelassen und kein Kind aufgehalten. Die neue Schule fördert die Schwachen, fordert die Starken und macht damit bessere Bildungsabschlüsse möglich."
"Die bürokratische Überregulierung der Schulen muss durch ein System größerer Autonomie der Schulen und externer Evaluation der Ergebnisse ersetzt werden", erklärt Karl-Martin Hentschel, der Vorsitzende der schleswig-holsteinischen Landtagsfraktion. "Die Schulen sollen selbst über Personaleinsatz, Unterrichtsgestaltung und Verwendung der Finanzmittel entscheiden."

Das dreigliedrige Schulsystem mit seiner frühen Sortierung der Kinder in Hauptschule, Realschule und Gymnasium lässt viele Talente unberücksichtigt. Es beschneidet die Chancen vor allem von Kindern aus weniger gebildeten Schichten und von Kindern mit Migrationshintergrund. "Wir können es uns nicht leisten, auf diese Talente zu verzichten, aus Verantwortung für die Kinder und auch für den Wirtschaftsstandort", erklärt Anja Stahmann, stellvertretendeVorsitzende der Grünen Bürgerschaftsfraktion Bremen.
Schulautonomie, Bildungsstandards, Öffnung zum Stadtteil und frühkindliche Bildung sind weitere Bausteine der neuen Schule für alle, die die grünen Fraktionen vorschlagen.
Folgende erste Schritte in Richtung der längeren gemeinsamen Lernzeit wollen die Nordgrünen anstoßen:
 Der Bildungsauftrag der Kindertagesstätten muss ernst genommen, die vorschulische Bildung verstärkt werden.
 Das Sitzenbleiben wird abgeschafft, die dadurch frei werdenden Ressourcen werden für individuelle Förderung eingesetzt.
 Im Unterricht werden mehr Methoden der eigenständigen Schülerarbeit eingeführt.
 Bestehende integrative Systeme werden gestärkt und ausgebaut.
 Ganztägige Angebote und Ganztagsschulen mit entsprechendem pädagogischem Konzept werden mit Hilfe des Investitionsprogramms der Bundesregierung ausgebaut.
 Aufhebung des KMK-Beschlusses von 1993, der alle Schulen (auch die Gesamtschulen) zur Schulartensortierung der Schüler zwingt.
 "Geld statt Stellen" und eine Experimentierklausel für eine autonome Schule ermöglichen erste Schritte zum Ziel der Schul-Autonomie.

Das Ziel - Elemente der neuen Schule
Alle Talente nutzen!
Alle Kinder – große und kleinere, schnelle und langsamere, starke und schwächere – lernen gemeinsam bis zur neunten Klasse. Der Blick in andere Länder beweist, dass es in dieser Schule die höchsten Leistungen, die wenigsten Verlierer, und die beste – weil individuelle – Förderung gibt. Statt frühzeitig auszusortieren, wird in alle Talente investiert. Die neue Schule setzt Vertrauen in jedes Kind und verfolgt damit ein ehrgeiziges Ziel: Schnellstarter und Spätentwickler sollen einen möglichst hohen Bildungsabschluss erreichen. Das nützt der Gesellschaft wie der Wirtschaft, denn die brauchen selbstbewussten Nachwuchs, der fachlich gut ausgebildet ist.
Unterschiede sind wertvoll
Jedes Kind kann etwas anderes. Diese Unterschiede sind der Motor der neuen Schule. Hier wird nicht ausgesiebt, sondern angespornt und unterstützt, herausgefordert und angeschoben. Jedes Kind hat seinen eigenen Stundenplan, konzentriertes Lernen wechselt mit Projektarbeit, Pflicht- mit Kürprogramm. Kinder sollen sich nicht langweilen und ihr Tempo selbst bestimmen. Statt Sitzen bleiben oder Nachhilfe gibt es ein individuelles Aufbautraining für alle. So lernen Schülerinnen und Schüler, was später gefragt ist: Unterschiede bei Menschen, Kulturen, Sprachen und Familien zu kennen und zu nutzen.
Auf den Anfang kommt es an
Je jünger Kinder sind, desto leichter lernen sie. Um Kinder schon vor dem Schulbeginn zu stärken, haben die Grünen ein Konzept für ein Bildungsjahr für Fünfjährige entwickelt, dass die Neugier und Lernlust der Kleinen aufnimmt. In Kindertagesstätten lernen die Kinder spielend, trainieren motorische, sprachliche und soziale Fähigkeiten. Anstatt beurteilt zu werden, lernen die Kinder sich selbst einzuschätzen: Kann ich Gefühle zeigen, kann ich mit anderen Kindern spielen, kann ich warten bis ich dran bin. Auch Kindertagesstätten sind nicht in erster Linie Betreuungsangebote. Sie sind Lebens- und Lernorte für Kinder, in denen die Erziehung durch Eltern unterstützt und ergänzt wird. Im Sinne von vorschulischen Bildungseinrichtungen benötigen diese daher konkrete Pläne, die Lern- und Entwicklungsziele benennt, die individuelle Förderung der Kinder zum Ziel hat und einen möglichst fließenden Übergang in die Schule ermöglicht. Sprachentwicklung, Kreativität und Bewegung stehen dabei genau so im Mittelpunkt, wie Spaß am Lernen und die Erweiterung von Sozialkompetenzen.
Lernen ist mehr als Unterricht
Erfolgreiche Schulen sind Ganztagsschulen – wenn sie mit neuen Konzepten verbunden sind: kleine Lerngruppen gemischten Alters, ein kluger Rhythmus aus Lernen und Lehren, Angebote für Spiel und Bewegung – oder einfach nur Muße. Die neue Schule gibt Unterricht nicht länger im 45-Minutentakt, sondern verteilt ihn über den Tag. Hausarbeiten erledigen die Schüler in der Schule und das Mittagessen wird zum Treffpunkt in der Kantine. Die Lehrerinnen und Lehrer sind den ganzen Tag ansprechbar, weil sie einen Schreibtisch in der Schule haben, und auch die Eltern freuen sich: Besonders berufstätige Frauen und Alleinerziehende bringen Beruf und Familie nun besser unter einen Hut.
Gutes Klima fördert die Leistung
Neugierig sein und sich ausprobieren, Fehler machen und Fragen stellen – das sind die Schlüssel der Schule von morgen. Denn Leistung hängt immer von der Atmosphäre ab. In den Werkstätten und Laboren der neuen Schule entwickeln junge Handwerker und Kopfarbeiter zusammen ihre Ideen. Bei Experimenten lernen die Kleineren von den Großen - und umgekehrt. Denn kaum etwas schult mehr, als anderen das eigene Wissen zu vermitteln. Je älter die Schülerinnen und Schüler werden, desto selbstständiger gestalten sie ihren Schultag. Sie lernen, sich selbst zu organisieren, im Team zu arbeiten und Verantwortung zu übernehmen.
Leistung muss auf den Prüfstand
Für die neue Schule gibt es einheitliche Qualitätsstandards: Der Unterricht, die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer sowie die Ausstattung und Arbeitsbedingungen an der Schule kommen ständig auf den Prüfstand. Zum modernen Qualitätsmanagement gehören Leistungsvergleiche mit anderen Schulen. Die Kinder werden geprüft, um sich weiter zu entwickeln, nicht um aussortiert zu werden. Die Kontrolle innerhalb der Schule wird durch Beratung von außen ergänzt. Hohe Qualität sichert vor allem Gerechtigkeit: Über Schulerfolg dürfen weder das Wissen noch die Herkunft der Eltern entscheiden.
Freie Wahl der Schule
Die neue Schule soll künftig autonom wirtschaften und entscheiden können – um Konkurrenz zu fördern und Qualität zu steigern. Jede Schule entscheidet, welche Schwerpunkte und Angebote es gibt, mit welchem Personal sie arbeitet und wofür sie Geld ausgibt. Das baut Bürokratie ab und eröffnet Eltern und Schülern echte Wahlmöglichkeiten. Nach den neun gemeinsamen Schuljahren gehen die Schülerinnen und Schüler in ein Gymnasium oder machen eine Ausbildung.
Schule ist keine Insel
Die neue Schule öffnet sich zum Ort und zum Stadtteil, arbeitet mit Betrieben, Vereinen und Initiativen aus der Nachbarschaft zusammen. Sie öffnet ihre Räume und ihr Gelände für Aktivitäten anderer. Die Kinder erkunden ihre Stadt und die Unternehmen in der Umgebung. Sie lernen mit Praxisprojekten, ihr Lebensumfeld selbst zu verändern.
Alle übernehmen Verantwortung
Die neue Schule lebt von Zusammenarbeit und Austausch. Sie entwickelt Regeln und Rituale, um Konflikte zu lösen, und versteht sich selbst als lebendige Organisation, die täglich etwas dazu lernen kann. Sie beteiligt Eltern an Entscheidungen, zum Beispiel wofür Geld ausgegeben wird. Und sie macht Demokratie für Kinder erlebbar: In Kinderkonferenzen lernen auch die Kleinsten zu sagen, was sie wollen.

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