Volker Bajus: Rede zur besseren Unterstützung von Kindern und Jugendlichen in seelischen Krisen

Rede Top 31: Kinder und Jugendliche in seelischen Krisen besser unterstützen – Zugang zu Therapieangeboten erleichtern, Versorgungslücken schließen, Wartezeit verkürzen (Antrag Grüne)

- Es gilt das gesprochene Wort - 

Anrede,

die Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen hat sich durch Corona erheblich verschlechtert. 80 Prozent fühlen sich belastet. Fast jedes 3. Kind zeigt psychische Auffälligkeiten. Sorgen, Ängste, Depressionen und auch körperliche Symptome wie Kopf- oder Bauchschmerzen haben zugenommen.
Fakt ist: die Pandemie lastet schwer auf unseren Kindern und Jugendlichen und die seelische Gesundheit vieler ist akut gefährdet.
Hier besteht dringender Handlungsbedarf, dem muss sich die Politik auch in Niedersachsen endlich entschlossener stellen. Die, die am meisten Schutz benötigen, die uns am meisten am Herzen liegen, dürfen nicht im Stich gelassen werden.

Anrede,
Leider war die psychologische Versorgung für Kinder und Jugendliche bereits vor der Pandemie schlecht. Aber jetzt hat sich die Lage noch mal verschärft.

Corona hat dazu geführt, dass sich vier von fünf Kindern belastet fühlen. 70 Prozent sprechen von einer Verschlechterung ihrer Lebensqualität. Und, das betrifft umso stärker gerade jene, die aus einkommensschwachen Haushalten kommen, und ganz besonders die mit Migrationsgeschichte.

Durch die Pandemie sind soziale Kontakte eingeschränkt, tägliche Routinen gestört, es gibt mehr Konflikte zu Hause, Einsamkeit macht sich breit, der Ausgleich durch Freund*innen oder Freizeit und Sport ist mitunter arg beschränkt.

Da gibt es verunsicherte Eltern, die womöglich auch noch um ihre berufliche Existenz bangen. Oder, angesichts der Gleichzeitigkeit von Homeoffice, serieller Quarantäne-Anordnungen und Kita-Ausfall schlicht am Ende ihrer Kraft sind.

Oder die Armutshaushalte, die unter den Pandemiekosten ächzten. Da ist die Sorge um gefährdete oder gar erkrankte Angehörige, die Angst selber zum Infektionsüberträger zu werden. Dass das alles auf jungen Seelen lastet und diese überfordert, ist erst mal nicht verwunderlich.

Verwunderlich ist vielmehr, dass wir bei der Verbesserung der psychologischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen noch keinen Schritt weitergekommen sind.

Auch Ministerin Behrens hat ja gestern bei der Dringlichen Anfrage sehr deutlich erklärt, dass die Nachfrage nach psychologischer Beratung und psychiatrischer Versorgung erheblich zugenommen hat. Die Copsy-Studien diagnostizieren einen Anstieg psychischer Erkrankungen um 12 Prozent-Punkte.

Dem steht aber ein viel zu geringes Angebot gegenüber. Nur 10 Prozent der Hilfesuchenden bekommen innerhalb eines Monats einen psychiatrischen Behandlungsplatz. Fast 40 Prozent warten länger als sechs Monate, manche gar mehr als ein Jahr. Viel zu lang. Denn gerade bei Kindern und Jugendlichen zählt jeder Tag. Wir wissen: Je früher sie Hilfe und Unterstützung erhalten, desto besser lassen sich psychische Probleme behandeln.

Anrede,

hier findet gerade - mitten in einem reichen Land, dessen Zukunft allein von den mentalen Fähigkeiten der jüngeren Generation abhängt - ein Systemversagen statt.

Anrede,
Deshalb brauchen wir jetzt Maßnahmen, die kurzfristig greifen und Entlastung schaffen. Z.B.

  • durch Sonderbedarfszulassungen gerade in strukturschwachen Regionen;
  • durch mehr Gruppentherapieangebote;
  • eine höhere Bettenkapazität in den kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken und
  • mehr Angebote in den Tageskliniken.
  • Die Mobilisierung von Privatpraxen auch für gesetzlich versicherte Kinder

Aber auch Modellprojekte wie telemedizinische Angebote können eine Verbesserung sein, für eine rasche Erstanamnese oder zur Anschlussbegleitung nach Therapien.

Wichtig ist jetzt auch ein Netz für die Jugendlichen zu schaffen, das sie auffängt. Dass wir eine gute Kooperation zwischen dem ambulanten und dem stationären Bereich, und zwischen Jugendhilfe, Gesundheitswesen und Eingliederungshilfe sicherstellen. Und noch besser wäre es, wenn wir es schaffen würden, viel früher anzusetzen, damit es Kindern gar nicht erst so schlecht geht. Dass sie viel früher Hilfe bekommen.

Dafür brauchen wir mehr Präventionsangebote: in der Jugend- und Schulsozialarbeit, in den sozialen Medien, in den Brennpunkten.

Präventiv könnten übrigens auch Erwachsene etwas tun, und den Kindern die Solidarität, die sie mit ihrer Disziplin beim Infektionsschutz den Älteren zuteilwerden lassen, zurückgeben. Lassen Sie sich impfen. Jede*r geimpfte Erwachsene hilft damit, Kontakteinschränkungen zu verringern, so dass die Lebenswelt von Kindern weniger belastet und beschränkt wird.

Ich weiß, dass das weder ein leichtes Thema noch ein leicht zu lösendes Problem ist. Aber es ist eines, dass wir angehen können und lösen sollten. Das sind wir unseren Kindern und Jugendlichen schuldig.

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