Volker Bajus: Rede zu Kindern und Jugendlichen in der Corona-Pandemie (TOP 46/47)

TOP 46: Der Pandemie zum Trotz: Angebote für Kinder und Jugendliche sichern und ausbauen,
TOP 47: Teststrategie auch für Kinder umsetzen und 48 Interessen von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie stärker berücksichtigen

- Es gilt das gesprochene Wort - 

Anrede,

für Kinder und Jugendliche war und ist die Pandemie eine starke Belastung. Soziale Einschränkungen, verpasste Lebenserfahrungen, und natürlich auch Lernrückstände.

Von daher begrüßen auch wir die Idee des „Aufholpakets“ des Bundes, das Niedersachsen rund 130 Mio. Bundesmittel garantiert - wenn das Land 100 Mio. für Nachhilfe drauflegt!

Für das „Nachholen“ und „Pauken“ ist der Löwenanteil des Pakets mit 200 Mio. gedacht. Klingt nach viel sind aber pro Nase nur rund 160,-€, was kaum ausreichend sein dürfte.

Anrede,

Kinder und Jugendliche sind jedoch viel mehr als Schülerinnen und Schüler. Sie haben doch - vor allem anderen - soziale und emotionale Bedürfnisse, die monatelang zu kurz gekommen sind. Für die Jugendarbeit der Länder sieht das Paket gerade mal 3 Prozent der Mittel, etwa 6 Euro pro Kind vor. Das reicht gerade mal für 1 x Kino! Auf direktem Weg gibt es für betroffene Familien zwar noch etwas mehr, ein Ausgleich wird damit aber nicht zu schaffen sein.

Jugendpolitisch enttäuschend, war von einer Bundesregierung nicht mehr zu erwarten, die es nicht mal mehr schafft, das Familienministerium zu besetzen oder einen Kompromiss für die Kinderrechte im Grundgesetz zu verhandeln. Für die Kinder- und Jugendpolitik sind das alles verstörende Signale. Diese Fehler sollte Niedersachsen nicht wiederholen.

Wir fordern daher das Land auf, dem Aufholpaket einen Landesaktionsplan zur Seite zu stellen, um daraus ein echtes Kinder- und Jugendprogramm zu machen, das zusätzliche Freizeit-, Sport- und Spaßangebote für junge Menschen macht. Dafür müssen die Bundesgelder erheblich aufgestockt werden. Und dabei sollten wir auf die bewährten Strukturen und Akteure der Jugendarbeit, auf die Jugendverbände und Sozialverbände setzen, diese jetzt stärken und sie ab sofort in die Planung einbeziehen.

Die Kontakteinschränkungen gelten im privaten Bereich bis heute, obwohl wir alle wissen: Kinder brauchen Kinder. Und Jugendliche brauchen vor allem ihre Peer Group - den Kontakt zu den Gleichaltrigen. Dass Ihnen das derzeit nicht möglich ist, liegt auch an den Verordnungen des Landes, die die Lebenswelt von Jungen zu wenig im Blick hat, wie es ja auch richtigerweise im Antrag von SPD und CDU heißt.

Wir erinnern uns. Erst gab es für Kinder gar keine Ausnahmen, dann wegen Protesten stieg die Grenze auf 3, schließlich auf 6, dann auf 14 Jahre. Und jetzt?

Für quasi ganz Niedersachsen gilt, Schule auf, Kino auf, Gastro auf, Saalbetrieb bis zu 100 möglich – alles prima. Aber als 15-Jähriger darf ich mich privat oder im Park nicht mit drei Freund*innen treffen? Das ist doch lebensfremd und nicht fair gegenüber unseren Jugendlichen.

Wir, die Älteren, besonders die Politik, sind der Jugend was schuldig. Schließlich haben die Jungen aus Solidarität – die allermeisten hochdiszipliniert - auf vieles verzichtet: Freund*innen, Sport, Spiel und Spaß, auf Freizeit und Party. Ja, sie haben auf ein Stück ihrer Kindheit und Jugend verzichtet.

Es ist daher überfällig, dass nicht nur Lernrückstände, sondern auch das Gefühl verpasster Chancen, die emotionalen Entbehrungen und das seelische Leid überwunden werden. Ja, dass wir - soweit es Corona zulässt - aus dem gerade begonnenen Sommer, einen Sommer der Jugend, einen Sommer der Kinder machen, dass Politik der Pandemie zum Trotz – jetzt die Angebote für Kinder und Jugendliche sichert und ausbaut!

Das fordern ja nicht nur wir, sondern auch die Kinder- und Jugendkommission und der Landesjugendring.

Um das zu ermöglichen, haben wir rechtzeitig bereits im März einen Antrag eingebracht, damit der „Sommer gut werden kann“. Der wird heute von Ihnen mit der Standard-Begründung „der Antrag sei überholt“, abgelehnt. Dass Sie das selber nicht glauben, sehen wir ja daran, dass Sie selbst einen ähnlichen Antrag zum Thema vorlegen – den ersten zum Thema übrigens nach fast 1,5 Jahren Pandemie. Offensichtlich teilen Sie unsere Analyse, dass dringender Handlungsbedarf besteht.

Anrede,

die Angebote der Kinder- und Jugendarbeit, insbesondere die ehrenamtlichen und auch in kleineren Kommunen sind immer noch nicht alle wieder am Start. Auch wenn rechtlich erlaubt, schrecken komplizierte Corona-Regeln und die Sorge, was falsch zu machen immer noch Träger ab. Hier fehlt nicht nur die Ermutigung des Landes sondern auch Unterstützung mit zusätzlichen Mitteln, mehr Angebote möglich zu machen.

Keine Jugendarbeit ohne Jugendgruppen-Leiter*innen. Sind 2019 noch 8.300 Jugendleiter-Cards ausgegeben worden, waren es pandemiebedingt 2020 nur 4.500 Juleicas. Diese Lücke muss jetzt schnell geschlossen werden, um viele Jugendfreizeiten und Jugendgruppen-Treffen zu ermöglichen. Komischerweise haben wir diese Infos nicht vom Ministerium bekommen. Dort sieht man das Problem nicht. Wenn man sie denn fragt, erfährt man auch, dass die Jugendverbände hier vor einem echten Problem stehen.

Anrede,

Warum wollen Sie eine Corona-Jugend-Studie an eine niedersächsische Hochschule vergeben? Diese liegt doch mit der JuCo-Studie der HAWK Hildesheim bereits vor. Das alarmierende Ergebnis, über die Hälfte sorgt sich um die Zukunft, dreiviertel der jungen Menschen wünschen sich mehr Beteiligung an Entscheidungen. Gerade in der Corona-Politik zeigt sich, wie sehr auch Jugendpartizipation eine Leerstelle ihrer Koalition ist. Es ist Zeit, dass wir das auch über Corona hinaus endlich ändern.

Anrede,

Geben Sie sich einen Ruck. Parteipolitische Eitelkeiten sind in der Jugendpolitik ohnehin nicht angesagt. Stimmen Sie unserem Antrag heute zu. Wir alle würden wir Zeit gewinnen, Zeit für unsere Kinder und Jugendlichen.

Noch zwei Hinweise zu der Pandemiebekämpfung. Wir haben kein Verständnis dafür, dass bis heute keine Richtlinie zur Unterstützung der Kommunen für die Kita-Tests vorliegt. Obwohl immer wieder auf die Bedeutung regelmäßigen Tests hingewiesen wird.

Und dass sie – anders als viele Träger und Kommunen, die unter Dreijährigen ganz draußen lassen, das ist einfach falsch.

Zum Schluss noch eine Bitte. Jetzt können auch Kinder ab 12 geimpft werden, vorerkrankte Kinder sollten auch nach den Empfehlungen der Stiko geimpft werden. Aber, die Verunsicherung bei den Eltern ist riesig. Sorgen Sie für eine gute Information und Aufklärung.

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